Erbfaktoren und Autismusforschung
04.01.07, 13:47:46
Kathrin
geändert von: Kathrin - 04.01.07, 14:37:37
Aus der Weihnachtspause zurück...
Die Grenzen von Autismus zu dem, was man Normalität nennt, scheinen mir sehr seicht zu sein... Da bedarf es dann tatsächlich eines echten Fachmannes, der Schrullen von Symptomen unterscheiden kann. Ich z. B. erkenne mich in vielen Dingen wieder, komme im meinem Leben aber so weit klar, dass ich es mir niemals anmaßen würde mich autistisch zu nennen. Vielleicht hat mir das Leben autistische Züge gegeben und ein e biologisch ungünstige Elternkonstellation meinem Sohn die Krankheit beschert...
Liebe Grüße
Kathrin
04.01.07, 14:39:18
Altpapier
Bei Autismus entscheidet nicht die Auffälligkeit. Meinst du sachlich trifft dies auf dich zu? Da Autismus wohl vererbt wird, wäre es so abwegig ja wohl nicht.
05.01.07, 13:39:59
Kathrin
Ich weiß und ich zerbreche mir seit Wochen und Monaten den Kopf, ob die genetischen Bedingungen auf mich bzw. meine Familie zurückzuführen sind. Bisher war ich der Auffassung, dass meine Probleme mit mir und der Umwelt Resultate meiner Kindheit sind - sprich, anerzogene und abgeschaute Verhaltensweisen sowie ein geneigter Charakter führen zu Fehlverhalten. Dass ich selbst die Wurzel des Übels sein könnte, habe ich nur in sofern beachtet, dass ich mir stets vor Augen gehalten habe, dass ich als mittlerweile Erwachsene für mein Denken und Handeln selbst verantwortlich bin und somit Korrekturen selbstständig vornehmen muss. Ich habe nie in Betracht gezogen, dass ich mich vielleicht gar nicht anders verhalten KANN, weil mein System gewisse irreparable Defekte aufweist.
Zu einem Schluss komme ich aber dennoch nicht, denn wie gesagt: ich komme zurecht, manchmal schlecht und manchmal gut. Menschen strengen mich sehr an, sie kommunizieren nonverbal soviel, dass es mich müde macht, ständig wollen sie etwas von einem und weder verstehen sie mich noch verstehe ich sie. Das könnte heißen, dass ich tatsächlich anders bin als andere, dass ich es mir einbilde, weil ich einen mangelndes Selbstwertgefühl habe oder dass ich einfach kein besonders gesellschaftlich interessierter Mensch bin. Wenn mir in Menschenmengen übel wird und ich den Boden unter den Füßen verliere, kann es an einer Reizüberflutung liegen aber auch an einem Sauerstoffmangel. Wenn ich es nicht beeinflussen kann, in welcher Person ich mich anderen gegenüber zeige, kann das eine autistische Störung sein oder pure jämmerliche Gefallsucht. Wenn ich um mich herum nichts mehr mitbekomme und nicht antworten kann, kann das starke Konzentration oder die Unfähigkeit sein, einige Dinge gleichzeitig zu tun. Um nur einige Beispiele anzuführen.
Vielleicht bin ich aber nur ein Hypochonder vorm Herrn, der zuviel Zeit hat nachzudenken.
Somit bleibt die Frage ungeklärt, ob mein Kleiner Opfer meiner Gene ist oder nicht, denn dieser Kreislauf findet kein Ende, weil es keine absoluten Wahrheiten gibt...
Liebe Grüße
Kathrin
05.01.07, 15:07:20
Altpapier
Mir persönlich scheint es schon wahrscheinlicher, daß du auch ein wenig Autismus abbekommen hast. Vielleicht magst du es von einem Spezialisten abklären lassen? Auffällig finde ich wie negativ du autistische Charakterzüge bewertest. Jeder hat Schwächen aber auch Stärken. Manche Leute schätzen immer das wert, was sie nicht gut können, das ist eine gute Methode sich selbst zu frustrieren.
05.01.07, 17:55:06
christian_k
@Kathrin:
Hast du Schuldgefühle wegen dem Autismus deines Sohnes? Ich habe einen Cousin, der AS diagnostiziert ist und einen Halbbruder, bei dem zumindest der Verdacht besteht. Bei meiner Urgrossmutter ist es stark anzunehmen, so wie sie mir beschrieben wurde. Es ist also anzunehmen, dass ich das entsprechede Gen von meiner Mutter habe, sie selbst hat gewisse autistische Züge, aber wohl zu wenig, um wirklich eine Diagnose zu rechtfertigen. Ich sehe darin aber einfach den Lauf der Dinge in der Natur, nie würde ich jemandem daraus einen Vorwurf machen. Deshalb finde auch auch Schuldgefühle nicht berechtigt.
Warum stehst du dem überhaupt so negativ gegenüber ? Vielleicht wird dein Sohn mal etwas ganz besonderes, wer weis? Hast du Angst vor der (seiner, eurer) Zukunft?
Gruss
Christian
05.01.07, 18:14:47
Altpapier
Es ist nicht nur eine Moralkeule, Kinder nehmen solche Gedanken allgemein wahr und orientieren sich auch wenn es für sie ungünstig ist nach solchem Feedback. Das ist durch Studien belegt.
06.01.07, 12:15:00
Goldloeckchen
Hallo Kathrin,
die Psychiaterin meiner Tochter hat mir mal erzählt, dass viele Kinder autistischer Eltern oder Eltern autistischer Kinder oft leichte AS-Züge aufweisen aber die nicht als AS diagnostiziert werden weil es nicht ausgeprägt genug ist. Ich würde mir nicht anmaßen zu sagen ob du AS oder "nur" "Fragemente" aus den autistischen Spektrum aufweist. Wenn du also schwankst solltest du dich vllt diagnostizieren lassen. Einfach um mehr Gewissheit zu erhalten.
06.01.07, 15:39:01
Kathrin
@Altpapier:
Die Nachteile von autistischen Zügen bzw. von autistischen Störungen sind nun einmal nichts schönes. Das heißt aber nicht, dass ich der ganzen Sache negativ gegenüber eingestellt bin! Ich liebe meinen Sohn und ich bin sehr stolz darauf ein so besonderes Kind zu haben, denn seine Welt fasziniert mich und er hat Fähigkeiten, die andere Kinder nicht haben. Aber ich sehe auch wie er leidet und das tut mir in der Seele weh. Er hat keine Freunde, weil ich sich sich nicht dementsprechend anderen gegenüber verhalten kann, und manchmal lässt er durchblicken, wie einsam er ist, vor allen Dingen, wenn er meint, ich lasse ihn auch noch allein.
Auch würde ich mich insgesamt nicht negativ beurteilen; wenn man die Fähigkeit hat die Welt auf seiner Reise durchs Leben mit anderen Augen zu sehen und dabei auf ein paar Dinge verzichten muss, ist das ein fairer Handel. Nur an manchen Tagen ist der Preis eben doch hoch, wenn wieder zuviel von außen hereingedrungen ist und man sich panisch wieder neusortieren muss. Aber es gibt ja auch bessere Tage... :-)
Ich habe mir einen Termin geben lassen, um noch mal eine Therapie zu machen. Mal sehen, was daraus wird, denn Spezialisten findet man hier nicht um die Ecke.
@christian_k
Schuldgefühle... Ja, denn Autismus soll mehrere Ursachen haben, nicht nur genetische. Und eine Mordsangst vor der Zukunft, vor allen Dingen vor der, die ich nicht mehr beeinflussen kann, weil auch meine Zeit auf Erden begrenzt ist. Ich weiß ja nicht, wie er sich entwickelt. Er wird im März 5 Jahre alt und kann noch nicht richtig sprechen. Er wiederholt Sätze und Aktivitäten ständig und macht uns durch seinen Hass auf seine Schwester im Moment das Leben recht schwer. Er braucht nichts besonderes werden, das ist er schon, ich würde mir nur wünschen, dass er es schafft selbstständig zurecht zu kommen und glücklich dabei ist.
@Sheila
Also könnte es durchaus sein, dass die Verbindung meiner Eltern (mein Vater ist autistisch, ich fresse einen Besen, wenn nicht) den Autismus ausgebremst aber nicht verschwinden lassen hat und dass die Verbindung von mir und meinem Mann ihn wieder erstarken lassen hat. Das klingt jetzt wieder furchtbar negativ, ist aber nur rein sachlich gemeint.
Bleibt die Frage, wie Autismus bei Erwachsenen diagnostiziert wird, denn die Kindheit liegt weit zurück. Aus meiner Mutter habe ich nur rausbekommen, dass wir Geschwister alle drei, rückblickend und mit dem Wissensstand von heute, merkwürdig waren. Ich habe sehr früh einen umfangreichen Wortschatz gehabt, war aber normal interessiert. Menschenmengen konnte ich schon damals nicht ab, weswegen meine Mutter mich auch nach 2 Monaten aus dem Kindergarten genommen hat. Daran kann ich mich auch noch erinnern. Ich fand es langweilig dort und ich habe irgendwie den Sinn und Zweck der Übung nicht nachvollziehen können.
Aber da endet das Lied, mehr weiß ich nicht.
@all
Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass ich nur der Überträger mit eigenen Anteilen bin. Und wenn ich es mir recht überlege, ist das auch gut so, denn so kann ich mich eher in meinen Sohn hineinversetzen. Er kann noch nicht in meine Welt kommen, also gehe ich ihm entgegen...
Ist es eigentlich möglich, seine Gene untersuchen zu lassen? Könnte mir vorstellen, dass die Wissenschaft Interesse an Freiwilligen hätte.
Liebe Grüße
Kathrin
06.01.07, 16:42:37
arlette
kathrin: ich habe die gleichen fragebogen wie meine kinder mit meinen eltern zusammen durchgearbeitet, um ein besseres bild von mir als kind zu erhalten. es war äusserst spannend. das habe ich dann mit einer kinderpsychologin besprochen. ist auch ein weg und gibt dir zudem eine idee, was als auffälligkeit in diesem spektrum definiert werden könnte.
06.01.07, 17:36:37
Altpapier
Solche Aussagen meinte ich. Vielleicht bin ich da überempfindlich, weil ich manchmal das Gefühl habe meine Existenzberechtigung begründen zu müssen.
06.01.07, 23:21:39
christian_k
Ist es eigentlich möglich, seine Gene untersuchen zu lassen? Könnte mir vorstellen, dass die Wissenschaft Interesse an Freiwilligen hätte.
Solche Forschung macht mir Angst.
In Deutschland genügt bereits der blosse Verdacht einer Behinderung oder sogar ein unklarer Befund, um eine Abtreibung auch nach der 12. SSW legal zu machen. Ich fürchte, wenn es einges Tages einen Gen Test für Autismus gibt, wird die Aussage eines Arztes:" Ihr Kind ist vermutlich autistisch" oft zu einer Abreibung führen, egal ob das Kind vielleicht gute Chancen gehabt hätte.
Ich finde, diese Forschung sägt unmittelbar auch an meiner Lebensberechtigung - indem sie andere, die sind wie ich zum "Abschuss" frei gibt.
Gruss
Christian
07.01.07, 11:23:26
Goldloeckchen
Ist es eigentlich möglich, seine Gene untersuchen zu lassen? Könnte mir vorstellen, dass die Wissenschaft Interesse an Freiwilligen hätte.
Ich finde, diese Forschung sägt unmittelbar auch an meiner Lebensberechtigung - indem sie andere, die sind wie ich zum "Abschuss" frei gibt.
Dem stimme ich zu auch wenn es Kathrin sicher nicht um eine Fruchtwasserpunktion geht. Aber auch hier würde ich sagen, dass die Grenzen fließend sind. Kurz zur Info: Die Fruchtwasserpuntkion wird nach Abschluss der 13. SSW vorgenommen so dass die Eltern lediglich die Wahl zwischen Geburt und Spätabtreibung haben.
@Kathrin
Überlege nicht wie du deinen Sohn und dich genetisch modifizieren könntest sondern überlege wie du deine und seine Stärken gezielt fördern kannst. Wenn du aber an euch rumforschen läßt werdet ihr beide daran frustrieren und möglicherweise Minderwertigkeitskomplexe entwickeln weil die "Genmodulation" nichts gebracht hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass es funktioniert ist bei heutigen Wissensstand ziemlich gering. Und selbst wenn sie hoch wäre teile ich die Bedenken der anderen Forumsteilnehmer.