Autismus und ADHS - Medikation mit Methylphenidat - Eure Erfahrungen?
25.11.08, 19:49:12
55555
55555, derartiges nennt man "Medikament". Aber auch nur, wenn es eine wissenschaftlich erwiesene Wirkung hat.
Der Begriff Medikament ist aus meiner Sicht nur angemessen, wenn es um die Behandlung von Krankheiten geht. Daher verwende ich ihn in solchen Zusammenhängen bewußt nicht, denn er wird oft damit in Verbindung gebracht, daß etwas geheilt werden soll.
Zitat:
Eine Droge ist ein Stoff, der bei Einnahme eine Beeinträchtigung oder eine unnatürliche Veränderung des geistigen oder körperlichen Zustandes herbeiführt.
Ich zitiere mal:
Zitat:
Als Droge gilt nach Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jeder Wirkstoff, der in einem lebenden Organismus Funktionen zu verändern vermag. Hierunter werden im Allgemeinen aber keine Nahrungsmittel gefasst.
Quelle
Im übrigen geht es hier um eine Substanz die auch im umgangssprachlichen Sinn mit Recht als Droge bezeichnet werden kann.
25.11.08, 20:05:02
Hans
geändert von: Hans - 25.11.08, 20:07:22
Kennst Du Helmuth Kotschenreuther?
Er war ein Philosoph und Schriftsteller.
Er hat das "gute Wirken" einer Substanz beschrieben,
die aber seit 1967 im Betäubungsmittelgesetz steht.
Diese Wirkung als Konzentrationshilfe kann ich bestätigen.
Da nehme ich einfach mal an,
daß es sich dabei um SO was ähnliches handelt.
Da kann ich mir schon vorstellen,
daß SO was hilft.
Die Bezeichnung Betäubungmittel ist da vielleicht irreführend.
Richtiger ist wohl Beruhigungsmittel, oder?
Ja und ein Beruhigungsmittel kann ich auch hin und wieder akzeptieren, aber dauernd?
25.11.08, 20:44:07
arlette
Hattet Ihr dann auch den Fall, daß das Medikament in bestimmten außergewöhnlichen Situationen weniger bis keine Wirkung zeigte?
die frage verstehe ich nicht.
25.11.08, 21:13:37
katze1901
@arlette:
Ich meinte damit, daß z.B. in gewohnter Umgebung und in gewohnten Alltagssituationen man die Wirkung des Medikamentes deutlich erkennen kann. Ist er aber in einer nicht alltäglichen Situation (kommt beispielsweise ein neuer Schüler in die Klasse hinzu oder steht ein Schulausflug an), reagiert er wieder mit großer Unruhe oder äußerst überschwenglicher Freude mit Ausflippen usw., da könnte man dann fast meinen, das Medikament würde nicht wirken bzw. er wäre evtl. unterdosiert...
26.11.08, 00:42:14
[55555]
Eine Abschweifung zum Thema der Begrifflichkeit von "Droge" wurde aus Rücksicht auf den Threaderöffner
hierhin verschoben, mfg [55555]
26.11.08, 01:11:11
Hans
Danke , hier ging es ja um Methyphenidat.
26.11.08, 02:03:53
Isabella
...zusätzlich ADHS diagnostiziert und eine Medikation mit "Medikinet" eingeleitet, die bis heute weiterhin besteht. ...
Ich war im hiesigen ATZ zum Vortrag "Autismus und Psychopharmaka". Hier ein kurzes Ergebnis: Gegen Wutausbrüche und Agressionen, sowie autistische Störungen wird Risperdal verabreicht. Dabei wird die Serotonin- Wiederaufnahme stimuliert. Risperdal darf nicht über einen längeren Zeitraum aufgenommen werden. Das gilt auch für Risperdon, was bei Autismus und Hyperkinese empfohlen wird. Ritalin gehört zur Gruppe der Stimulanzien; völlig fehl am Platz.Jedoch soll sich wohl stattdessen der Stimmungsstabilisator "Tigratal" bewährt haben. Dann ging es noch um "Strattera", das ist ein Antidepressiva, das rund um die Uhr wirkt und für Autismus und Hyperkinese geeignet sein soll. Viele der anwesenden Eltern äußerten sich dazu positiv. Besonderes Interesse galt Magnesiumspertat. Das ist wohl was neues. Erst dachte ich, es handle sich um ein homöopathisches Präparat, dem ist aber nicht so. Magnesiumaspertat ist kein Neuroleptika, sondern wirkt so, daß wichtige Botenstoffe im Hirn gut ankommen. Prof.Dr. Lehmkuhl konnte nichts negatives dazu sagen, aber es gibt wohl bislang keine ausreichenden Langzeitstudien dazu.
Ganz niedlich fand ich die Frage einer Mutter, ob sie ihrem Kind Johanniskraut geben darf - ja, sie darf, weil harmlos und wirkungsvoll.
Bei Asperger/ High Functioning und Hyperkinese ist es wohl insofern schwierig, daß alle Neuroleptika das eine dämpfen und das andere verschlechtern.
Nur als Tipp: Viele Eltern haben sich an diesem Abend über positive Ergebnisse der Tomatis- Therapie geäußert. Wir haben dieselben Erfahrungen gemacht. Gehe aber nicht nach Belgien - das Zentrum ist für Autisten völlig ungeeignet. Irgendein Arzt in Deiner Umgebung bietet das bestimmt an. Das sind dann zwar ca. 300 € im Jahr, aber es lohnt sich wirklich.
26.11.08, 03:32:29
Isabella
..."versagt" das Medikament teilweise und Florian fällt dann durch Unruhe, viele Regelverstösse, "Unsinn" machen, Rumkaspern, usw. auf ...
Hab jetzt noch das wichtigste vergessen: In der Diskussionsrunde des beschriebenen Vortrags ging es eben darum, daß diverse Neuroleptika in außergewöhnlichen Situationen nicht zu wirken scheinen. Uns Eltern wurde klar gemacht, daß zwischen dem 3. und 8. Lebensjahr eine Verbesserung stattfindet (allgemein, ohne Medikamente), dann erst wieder ab der Pubertät- in dieser Zeit, also vom 8.-13./14.Lebensjahr kann man mit keinem Neuroleptikum etwas wirkungsvolles erzeugen. Das ist die Zeit, wo die Kinder besonders viel lernen und diese Zeit muß man ihnen geben. Das Augenmerk sollte nicht auf die gestressten Lehrer gelegt werden (die müssen dazu lernen). Diese Drogen/ Medikamente sollten ausserdem nur während einer Therapie verabreicht werden. Prof.Dr. Lehmkuhl legte darauf Wert zu erwähnen, daß Neuroleptika ursprünglich nur während der Therapien verabreicht werden sollten, damit die eventuell neu entstandenen Synapsenverbindungen eingänglich werden; also die Therapie fruchtet.
Bist Du enttäuscht, wenn ich Dir sage, daß Florians Autismus da ist und auch bleiben wird? Daß Florian etwas ganz besonderes ist, weißt Du ja selbst und Du möchtest gern, daß er sich ja doch noch irgendwie "normal" integrieren kann. Jetzt im Ernst: Neuroleptika hindern ihn daran. Er hat sein Temperament, andere haben es weniger. Hier in Deutschland wird ja Temperament oft mit ADHS verwechselt. Wir haben auch so einen Spaß- und Wildbär. Diesen Sommer haben wir in einer Thailand- Rundreise viele Extreme durchlebt: Wildwasser-Rafting, Parasailing, Speedboot fahren, Elefanten reiten. Davon abgesehen - fremdes Land, fremde Menschen - lag der Erfolg noch höher als bei der Tomatis Therapie. Thaddäus wurde, als er noch wenig sprach, mit "frühkindlichen Autismus" diagnostiziert; innerhalb eines halben Jahres soll er jetzt ein Asperger sein (das war ein anderer Beitrag hier im Forum). An dieser Tatsache ist für uns eklatant, daß wir als Eltern herausfinden müssen, was dem Süßbär gut tut, was ihn beeindruckt. Auch am Wochenende und in den Abendstunden kannst du Florian erreichen, das weißt Du doch auch. geh mit ihm in den Wald, rolle mit ihm den Abhang herunter, geh mit ihm in die Sauna, melde bei der Stadt ein Lagerfeuer an, tu alles, was er noch nicht kennt. Die Erfahrungen über das Taktile, die Wahrnehmung, wirken sich auf das Verhalten in Alltagsssituationen dann eben anders aus. Du wirst überrascht sein und das kannst Du alles selber machen, anstatt Drogen zu verabreichen. Jetzt halte mich bitte nicht für eine Esoteriktante, wenn ich einen Autisten zitiere: "Das Positive ist Stimmung, die mediativ gesättigt ist". Setzen wir uns mal damit auseinander, was mediativ gesättigt bedeutet.
26.11.08, 11:52:43
katze1901
@Isabella:
Ich danke Dir ganz herzlich für Deine ausführliche und vielfältige Information. Zur "Tomatis-Therapie" kann ich momentan gar nichts sagen, da muß ich mich erst einmal schlau machen, davon habe ich noch nichts gehört.
Sehr interessant fand ich auch Deine Ausführungen bezüglich des von Dir besuchten Vortrages, von denen viele Medikamente/Wirkstoffe genannt wurden, die ich vorher noch nie gehört habe...
Nun zu Deiner Frage, ob ich über den Autismus von Florian enttäuscht bin: Nein, weil ich mir seit Anfang an darüber klar bin, daß ein Autist immer Autist bleibt. Ich möchte ihm halt, sofern überhaupt möglich, ein so gut es geht eigenständiges Leben ermöglichen und es ist ja auch immer der Gedanke vorhanden, wie es mal weiter geht, wenn ich nicht mehr da bin, was wird dann aus ihm...
Ich glaube aber ehrlich gesagt nicht, daß die Diagnose ADHS bei ihm falsch gestellt wurde und er "nur" sehr tempramentvoll ist, da ist einfach "mehr im argen".
Das mit der Diagnosestellung habe ich auch schon erlebt. Mit ca. 3 Jahren wurden ja vom Chef des SPZ die autistischen Züge festgestellt. Seine Therapeutinnen äußerten aber seinerzeit widerum den Verdacht auf geistige Behinderung. Der Chef hatte ja dann recht behalten.
Wir waren aber auch schon in der Uni-Klinik Regensburg, Neurol. Abteilung. Von denen wurde Florian als völlig gesund und normal entwickelt beurteilt (damals war er ca. 1 1/2 Jahre). Wegen seiner Eßstörungen (er konnte damals keine Bröckchennahrung zu sich nehmen, er kaute erst mit 4 Jahren! Zwang man ihn davor, würgte und erbrach er sich oft). Zum Thema Essen wurde mir geraten, ihn doch mal ZWEI TAGE hungern zu lassen, es handle sich nämlich hier um einen Machtkampf den wir tunlichst gewinnen müssten. Nach zwei Tagen würde das Kind dann schon essen...!!!!! Diesen Rat haben wir natürlich NICHT befolgt...
Im übrigen halte ich Dich bestimmt nicht für eine "Esotheriktante", schongleich nicht, weil ich selber vielen alternativen "Therapien" gegenüber aufgeschlossen bin. So habe ich selber schon einen richtigen Schamanen bei Florian gehabt (der das aber NICHT für Geld macht), der ihm auch, wenn er dann da war, wirklich helfen konnte. Leider müsste er ständig und regelmässig zu uns kommen und das geht u.a. zeitlich nicht bei ihm, er hat ja noch so viele "Sorgenkinder" und da gibt es dann auch noch andere Gründe, die ich jetzt nicht nennen kann. Und weiter möchte ich momentan auch nicht auf diese Sache eingehen; man muss immer ein wenig vorsichtig sein, wen man solche Sachen erzählt um nicht als "Idiot" abgestempelt zu werden...
Aber trotzdem möchte ich mich nochmals ganz herzlich bei Dir bezüglich Deiner aufschlussreichen und denkanstossenden Ausführungen bedanken, die ich jetzt mal auf mich einwirken lassen werde und weitere Recherchen in dieser Richtung unternehme.
Liebe Grüsse!
26.11.08, 12:06:42
55555
Gegen Wutausbrüche und Agressionen, sowie autistische Störungen wird Risperdal verabreicht. ...
Ich kann nur entschieden vor solcher Pharmaabfüllung warnen, das ist nur eine Kapitulation davor dem Autisten gerecht zu werden, denn dessen Verhalten hat Gründe, die durch Drogen nicht verändert werden. Natürlich ist das für verantwortungslose und denkträge Eltern von Autisten viel einfacher so und deswegen wenden es wohl viele an.
Zitat:
Viele Eltern haben sich an diesem Abend über positive Ergebnisse der Tomatis- Therapie geäußert.
Auch hier nochmal die Anmerkung: Es ist für mich nicht einzusehen welchen anderen Grund außer Diskriminierung es haben sollte bei Autisten von "Therapie" und bei "NA" von Frühförderung, Unterricht, etc. zu schreiben. Daher bitte ich diese Begrifflichkeit mal zu reflektieren.
Zitat:
Zum Thema Essen wurde mir geraten, ihn doch mal ZWEI TAGE hungern zu lassen, es handle sich nämlich hier um einen Machtkampf den wir tunlichst gewinnen müssten. Nach zwei Tagen würde das Kind dann schon essen...!!!!! Diesen Rat haben wir natürlich NICHT befolgt...
Genau und wenn das nicht hilft mal aus dem achten Stockwerk werfen, dann hat sich das Problem aber mit ziemlicher Sicherheit erledigt. ;)
Zitat:
Und weiter möchte ich momentan auch nicht auf diese Sache eingehen; man muss immer ein wenig vorsichtig sein, wen man solche Sachen erzählt um nicht als "Idiot" abgestempelt zu werden...
Allgemein ist das sicher richtig, was mich angeht aber nicht.
26.11.08, 12:20:33
katze1901
Zitat:
Allgemein ist das sicher richtig, was mich angeht aber nicht.
Das freut mich!;)
26.11.08, 13:42:46
arlette
Ist er aber in einer nicht alltäglichen Situation (kommt beispielsweise ein neuer Schüler in die Klasse hinzu oder steht ein Schulausflug an), reagiert er wieder mit großer Unruhe oder äußerst überschwenglicher Freude mit Ausflippen usw., da könnte man dann fast meinen, das Medikament würde nicht wirken bzw. er wäre evtl. unterdosiert...
naja, das hat ja nichts mit methylphenidat zu tun. dies hilft ja nur, die reize besser zu sortieren und so die impulsivität zu steuern. ich halte das für ganz normal, dass bei aussergewöhnlichen situationen ein ausflippen immer noch passiert. allerdings konnte ich mit meinem sohn - unter mithilfe des methylphendidats - für solche ausflipp-situationen mögliche regulations-techniken herausfinden und einüben. das einüben dauert aber sehr, sehr lange, braucht sehr viel geduld, hat sich aber sehr gut bewährt. wenn es ruhig machen würde, wäre es ein sedierendes medikament. es macht genau gesagt nicht ruhig, sondern erleichtert die sortierung aller auf ihn einstürmenden eindrücke, was eine überreizung mindert und sich dann natürlich in einem gefassteren verhalten niederschlägt.