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Theory of Theory of Mind

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14.06.08, 10:36:11

mor

Meinen Mutter hatte mir mal erklärt, was es mit der "Theorie of mind" auf sich hat und hatte mir ein Beispiel genannt, aber das ist mir wieder langsam entwischt, aus dem Kopf.

Kann es mir bitte noch mal jemand erklären, dann kann ich das nämlich aufschreiben(auf einen Zettel) und hätte es schriftlich.

Aitschy
14.06.08, 12:05:33

mohi

Susanne Schäfer schreibt das so schön in ihrem Buch
"Sterne, Äpfel und rundes Glas - Mein Leben mit Autismus":

Sie schreibt also (S. 135): ...:

"Also, heute weiß ich: Empathie ist, wenn i c h weiß, daß Christophers (Anm. von mir: Prof. Gillberg) Sekretärin n i c h t weiß, daß Christopher in der Smarties-Dose in seinem Büro keine Schoko-Linsen, sondern tönerne Würfel versteckt hat, und das, obwohl ich ja selbst gesehen habe, daß Würfel drin sind!
Liebe Leser, habt ihr das kapiert? ..."

Ich denke, dazu braucht man nicht viel zu sagen, oder?

Ich möchte bitte nur einfach das Recht für mich bekommen, dass ich mich - wenn für mich gerade einfach "etwas anderes dran" ist und ich mit etwas anderem beschäftigt bin, ich mich mit "anderen Dingen" beschäftigen darf, ja? Und dass es dann nicht schlimm ist, wenn ich nicht weiss, dass Christophers Sekretärin nicht weiss ...

Danke! Vielen Dank!
14.06.08, 13:16:39

tabby

Zitat von 55555:
Ich bin noch am überlegen, was ich vom Thema "Theory of Mind" eigentlich halten soll. Besitzt ihr dazu irgendwelche erhellenden Weisheiten oder Einsichten?


Ich finde dieses Keksbeispiel nicht qualifiziert genug oder das Eisbeispiel wie bei Wikipedia, um einen richtige Løsung daraus zu ziehen, wie das Kind tickt.

Was ist, wenn die Mutter des Kindes Papiere in einer Keksdose aufbewahrt oder was anderes? Dann kønnte das Kind auf Papiere oder den Bleistift tippen, weil viele ueblichen Sachen im Haushalt zweckentfremdet werden.

Hoffentlich beruecksichtigen das die Professoren
14.06.08, 15:28:26

mohi

Es gibt auch noch das Beispiel, wo ein Kind gefragt wird, an welchem Ort wohl ein anderes Kind, das zuvor den Raum verlassen hat und das nicht mitbekommen hat, dass die Smarties zwischenzeitlich woanders versteckt wurden, danach suchen wird, wenn es jetzt wieder in den Raum kommt.
Und das befragte Kind zeigt auf den Ort, wo die Smarties tatsächlich sind, und nicht dahin, wo sie zum Zeitpunkt waren, als das andere Kind noch anwesend war ...

Diese Antwort wird ja dann so interpretiert, als könne sich das antwortende Kind nicht richtig in das andere Kind hineinversetzen.

Ich hätte da aber nochmal nachgehakt - und eindringlicher gefragt, wo denn das andere Kind z u e r s t suchen wird ... Also, m. E. ist die Antwort nicht eindeutig, denn schliesslich wird das andere Kind ja auch noch an jenem Ort suchen, auf den das Kind gedeutet hat ...

In der Sendung auf 3sat über "Savants" kam ein hochinteressanter Satz, so in etwa:
"Autisten sehen die Welt, wie sie ist.
Die anderen sehen das, was sie erwarten."

14.06.08, 17:06:08

haggard

geht es dabei nicht auch darum - kinder/puppe/schachtel/dinge - herauszufinden, ab welchem alter/zeitpunkt die kinder in der lage sind zu lügen? zu täuschen? zeitgleich ist ihnen schließlich erst bewusst, dass alle anderen nicht das gleiche wissen besitzen können wie sie selbst - und sie können in realen situationen vorteile für sich nutzen.



14.06.08, 17:18:35

mohi

Ja, ich glaube, um dies alles ging es auch noch.
Wahrscheinlich gibt es auch in diesen Bereichen grosse Unterschiede zwischen Autisten und Nicht-Autisten ...
14.04.10, 18:25:58

haggard

wie verhält es sich eigentlich mit der theory of mind bei nichtautisten in bezug auf autisten?

beispiel:
NA 1 beschreibt das verhalten von autist 1.
NA 1 und NA 2 sind sich einig, mit welcher intention das verhalten von autist 1 erfolgt.

(dabei fällt mir gerade auf, das NA verhalten von autisten oft als äußerst negativ NA selbst betreffend bewerten.)

allgemein gilt wohl, je jünger ein menschenkind ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es noch nicht über eine ausgereifte theory of mind verfügt. also nicht "wissen" kann, was eine andere person denkt oder empfindet.
allgemein gilt wohl weiter, dass die schwelle für eine ausgereifte theory of mind bei autisten ziemlich weit (jahresmäßig) nach oben verschoben ist.

warum sind NA dann von bestimmten (eigentlich vermuteten) intentionen von autisten so fest überzeugt?

beispielweise
- ein autist verhält sich nur so, damit es anderen peinlich ist.
- ein autist verhält sich nur so, damit sich andere in gesellschaft blamieren.
- ein autist verhält sich nur so, weil er provozieren will.
- ein autist verhält sich nur so, weil er den eltern auf der "nase herumtanzen" will.
- ein autist verhält sich nur so, weil er alles kontrollieren will.
- ein autist verhält sich generell herausfordernd (durch manierismen, stereotypien etc.).
- ein autist könnte, wenn er wollte, er ist bloß zu faul.

fällt dabei etwas auf?

vor allem verhalten sich NA, die derartige begründungen anführen auch entsprechend einem autisten gegenüber. wahrscheinlich wäre das wohl aus deren sicht eine angemessene reaktion auf ihre eigenen im prinzip schon unterstellungen.

hier noch etwas aus dem talmud, dass das denken anregen soll:
achte auf deine gedanken, denn sie werden zu worten.
achte auf deine worte, denn sie werden zu handlungen.
achte auf deine handlungen, denn sie werden zu gewohnheiten.
achte auf deine gewohnheinten, denn sie werden dein charakter.
achte auf deinen charakter, denn er wird dein schicksal.

wenn sich also NA beispielsweise als absichtlich durch autisten blamiert erachten, insbesondere durch autistische (klein)kinder, sollten sie in ruhe über ihre schlussfolgerungen (oder was auch immer das darstellen soll) nachdenken.
14.04.10, 23:46:50

Fundevogel

geändert von: [55555] - 15.04.10, 11:35:42

[Kettenbeitrag zusammengefasst, mfg [55555]]

Ich finde es sehr interessant, dass Erwachsene gegenüber Babys eine große Emphatie haben. Sie wissen ziemlich genau einzuschätzen, ob durch Weinen Ärger, Hunger oder Schmerzen angezeigt werden. Wenn das Kleinkind auf etwas zeigt, beeilen sie sich, den Gegenstand anzureichen, wenn es dickköpfig ist, entschuldigen sie das mit Wachstumsphasen. Wenn es Gegenstände durch die Gegend wirft, wird dies als Spielwunsch aufgefasst usw.

Sobald es aber ins Sprechalter kommt, legen die meisten Eltern im Kopf "einen Hebel um". Was gestern noch Spiel war, endet ab dieser Zeit mit einer Zurechtweisung. Was gestern noch mentale Gefühlsäußerung war, muss ab diesem Alter mit Worten erklärt werden. Weinen gilt vielfach nicht mehr als Äußerung, die Sorge auslöst, sondern wird als Trotz eingeordnet. Unter diesem Druck sich umzustellen und entsprechendem Lob für gewünschtes Verhalten werden Kinder zu Erwachsenen.

Mir scheint, dass sich autistische Kinder gegen das Verlassen dieser mentalen Gemeinschaft wehren, weil sie sehr klar erkennen, dass in ihr ein wesentlich größeres Geborgensein und Verstandenwerden herrscht, als in der kommenden Lob/Tadel/Er Ziehung.

Vielleicht kann man aus der Verweigerung von Sprache auch lesen, dass sehr wohl gesehen wird, dass Sprache zu benutzen heißt, seine behütete Welt der reinen Gefühle hinter sich lassen und ins Reich der Lügenbolde wechseln zu müssen?

Clevere Kinder!


Zur Theorie of mind:

Wenn manche verwahrloste Kinder abends einen Schlafanzug anziehen, ziehen sie heimlich eine Winterjacke darüber und stellen warme Schuhe unters Bett. Sie haben die regelmäßige Erfahrung gemacht, dass sie von vielleicht volltrunkenen Eltern oder in Beziehungskrisen nachts auf die Straße geschickt werden.
Werden diese Kinder beim nächstlichen Zusammentreffen mit anderen Menschen in warmer Kleidung annehmen, dass sie auch vor die Tür gesetzt wurden?

Wenn viele Kinder heute in Kindergarten und Schule durch Essen auf Rädern ernährt werden, werden sie Gespeist- und Gesättigtwerden noch in Zusammenhang mit elterlicher Fürsorge bringen?
15.04.10, 01:02:58

haggard

interessante gedanken und fragen. werde darüber noch weiter nachdenken.
was verstehst du unter verweigerung von sprache?
15.04.10, 01:27:30

Fundevogel

Ich lese immer mal wieder, dass autistische Kinder Sprache auch dadurch lernen, dass sie die Mundfunktionen gelehrt bekommen müssen. Ich las aber nie etwas darüber, dass auch eine unbewußte oder bewußte Entscheidung von Kindern getroffen werden kann, sich nicht auf Sprache einzulassen.

Einer meiner Onkel sprach bis zum Alter von 4 Jahren nicht. Als es kein Thema mehr in der Familie war, dass er sprechen lernen müsse, sprach er von heute auf Morgen den ganzen Sprachschatz von Erwachsenen.
Daraufhin angesprochen, ob er sich noch erinnern könne, warum er nicht gesprochen habe, meinte er, "dass ihm das ganze Getue zu blöd gewesen sei."
15.04.10, 06:56:27

Mama

Zitat von azrael:


- ein autist verhält sich nur so, damit es anderen peinlich ist.
- ein autist verhält sich nur so, damit sich andere in gesellschaft blamieren.
- ein autist verhält sich nur so, weil er provozieren will.
- ein autist verhält sich nur so, weil er den eltern auf der "nase herumtanzen" will.
- ein autist verhält sich nur so, weil er alles kontrollieren will.
- ein autist verhält sich generell herausfordernd (durch manierismen, stereotypien etc.).
- ein autist könnte, wenn er wollte, er ist bloß zu faul.


Genau das wurde mir jahrelang von den Ärzten suggeriert, im Bezug auf meinen Sohn. Damals hieß es ADHS! Tabletten sollten helfen, festhalten und ich sollte meinem Sohn gegenüber lauter werden.
Heute wissen wir, das er Autist ist.
15.04.10, 09:06:57

haggard

geändert von: haggard - 15.04.10, 09:07:43

@Mama:
magst du diesbezüglich schildern, auf welche art und weise ärzte eltern so etwas nachhaltig "beibringen"/glauben lassen?
 
 
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