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Thema: Wieviele Autisten bevorzugen wirklich Schriftlichkeit? (http://autismus.ra.unen.de.auties.net/topic.php?id=8518)


Geschrieben von: Lebensblume am: 14.10.21, 19:09:27
Zitat von mor:
Was heißt Schriftkommunikation nicht mögen

In etlichem selbst erlebtem Kennenlernaustausch mit Interessenten beginnt die Kommunikation mit begeisterten Stellungnahmen bezüglich Schriftkommunikation und schwächt sich dann immer mehr ab, da man sich möglicherweise ungern damit befassen mag, was einem daran wirklich gefällt (wirklich heisst hier ehrlich, mit Argumenten überzeugend). Mehr oder weniger schleichend stellt sich dann zunehmend heraus, dass man sich vorzugsweise "richtig" (körperlich) kennenlernen wolle, also schriftlich eigentlich "nicht richtig" sei.

Wie kann man etwas mögen, das man selbst als "nicht richtig" definiert und wohl auch dementsprechend erfährt?


Geschrieben von: mor am: 14.10.21, 19:22:47

Zitat von mor:
Wenn es andere Menschen für sich persönlich anders sehen, dann ist es eben so.
Das ist nicht böse gemeint. Das sehe ich als eine Tatsache. freuen

Im Nachhinein beim Lesen der Beiträge, könnte dieses Zitat falsch gedeutet werden. Daher meine Anmerkung.


Geschrieben von: Lebensblume am: 14.10.21, 19:59:30
Zitat von mor:
Wenn es andere Menschen für sich persönlich anders sehen, dann ist es eben so.
Das ist nicht böse gemeint. Das sehe ich als eine Tatsache. freuen

Ja, ich finde es völlig in Ordnung, wenn jemand andere Vorlieben hat. Nur sollte auch dazu gestanden werden - oder zumindest zu der Tatsache, dass noch Unklarheit darüber besteht.


Geschrieben von: Lebensblume am: 14.10.21, 20:28:26
Ich selbst bevorzuge Schriftkommunikation - nicht zuletzt auch deshalb, weil ich darin bedeutend sachlicher bleiben kann. Aber was ist zu tun, wenn dies in einer Alltagssituation nicht möglich - wenn jemand zum Beispiel nur telefonisch zu kontaktieren ist?
Ich stellte kürzlich ganz besonders eindrücklich fest, dass ich dann ins "Schwimmen" komme, indem ich zu viel Persönliches preisgebe, als es angesagt wäre und schriftlich auch nicht in dieser Form zum Zuge käme.

Wie wäre wohl so etwas zu werten? Wäre dies dann "Schwäche" - oder ist es einfach nur eine Art von "Notmodus", da man sich in einem mündlichen Kontakt eher unsicher fühlt?


Geschrieben von: feder am: 15.10.21, 09:55:57
Zitat:
Ich stellte kürzlich ganz besonders eindrücklich fest, dass ich dann ins "Schwimmen" komme, indem ich zu viel Persönliches preisgebe, als es angesagt wäre und schriftlich auch nicht in dieser Form zum Zuge käme.
Viele Menschen reden zu viel, wenn sie nervös sind oder sich unsicher fühlen.

Wie ist es in einem Umfeld, in dem du dich absolut sicher fühlst, in dem gewissermassen „alles passt“, sowohl in den Umständen als auch bei der Person, mit der du kommunizierst. Würdest du dann auch lieber schreiben?


Geschrieben von: Lebensblume am: 15.10.21, 10:58:12
Zitat von feder:
Wie ist es in einem Umfeld, in dem du dich absolut sicher fühlst, in dem gewissermassen „alles passt“, sowohl in den Umständen als auch bei der Person, mit der du kommunizierst. Würdest du dann auch lieber schreiben?

Da kommt es wohl massgeblich darauf an, auf welcher Ebene ein solcher Austausch stattfindet. Handelt es sich um eine Begegnung "von spirit zu spirit", bevorzuge ich eindeutig die schriftliche Form. Nur dann kann alles an den Körper Gebundene in den Hintergrund rücken und übrig bleiben Seele und Geist als tragende Substanz.

Geht es um alltägliche Dinge, hängt es auch vom Gegenüber ab, wie dieses zur Schriftlichkeit steht. Eine schriftliche Kommunikation mit jemandem, der für sich nur körperliche Begegnung als wahre Begegnung betrachtet, empfinde ich als unbefriedigend und würde mich in diesem Falle anpassen können.


Geschrieben von: mor am: 15.10.21, 11:19:41

Zitat von feder:
gemeinsam mit Menschen vor Ort etwas zu unternehmen oder gemeinsam zu tun.

Dito. Das mag ich auch.

Zitat von Lebensblume:
Aber was ist zu tun, wenn dies in einer Alltagssituation nicht möglich - wenn jemand zum Beispiel nur telefonisch zu kontaktieren ist?
Meinst du da jetzt "Privatpersonen"(Personen, mit denen du privat dich abgibst) oder "Behördenpersonen"(Personal in Behörden,Krankenhäusern,Pflegeeinrichtungen,Ämter usw)?


Geschrieben von: Lebensblume am: 15.10.21, 11:28:40
Zitat von mor:
Meinst du da jetzt "Privatpersonen"(Personen, mit denen du privat dich abgibst) oder "Behördenpersonen"(Personal in Behörden,Krankenhäusern,Pflegeeinrichtungen,Ämter usw)?

Eigentlich ist damit vorwiegend letzteres gemeint. Mit Privatpersonen halte ich es eher so wie weiter oben bereits beschrieben.


Geschrieben von: 55555 am: 17.10.21, 11:06:34
Zitat von Lebensblume:
Aber ich verstehe nicht, weshalb man in menschlichen Begegnungen nicht gegenseitig respektieren kann, dass der andere in dieser Hinsicht möglicherweise anders empfindet. Weshalb sollte man anderen deshalb einen Vorwurf machen? Weshalb bestehen überhaupt diesbezügliche Erwartungen?

Worauf sich das inhaltlich bezieht, erkenne ich nicht ganz eindeutig. Wenn man an einem Platz bestimmte Grundsätze hat, dann kann das dazu dienen bestimmten Menschen entgegenzukommen in ihrer Veranlagung. Auch aus Erfahrungen heraus, daß in der Regel eben solche oder solche Grundsätze gelten. Vielleicht ist es gar nicht möglich es allen in etwas recht zu machen. Dann finde ich es an sich sinnvoll verschieden veranlagten Menschen auch Räume zu eröffnen, in denen die Dinge eben entsprechend ihrer Veranlagung ausgerichtet sind.
Zitat:
Ich selbst bevorzuge Schriftkommunikation - nicht zuletzt auch deshalb, weil ich darin bedeutend sachlicher bleiben kann.

Vielleicht wäre es tatsächlich sinnvoll sich die Hintergründe der einzelnen Leute genauer anzuschauen, die von sich irgendwie auch mal sagen, sie würden lieber schriftlich kommunizieren. Und in (schriftlichen) Autistenforen waren das ja oft nicht wenige.
Zitat:
Eine schriftliche Kommunikation mit jemandem, der für sich nur körperliche Begegnung als wahre Begegnung betrachtet, empfinde ich als unbefriedigend und würde mich in diesem Falle anpassen können.

Aha.
Zitat von feder:
Kommuniziere lieber schriftlich als mündlich.

Vielleicht läßt sich das bei vielen Leuten auch gar nicht so pauschal sagen?
Zitat:
Allerdings setzt Kommunikation voraus, dass ich anderen Menschen etwas mitteilen möchte, was selten der Fall ist.

Das ist bei mir wohl praktisch nie der Fall, soeine Aussage wirkt auf mich etwas rätselhaft.
Zitat:
Stilles Mitlesen und abstraktes Abwägen von Ideen sind für mich oft ausreichend.

Die Welt von jemandem, der stark damit befasst ist sich selbst zu sortieren? Viel mehr als mit anderen Personen Beziehungen zu vertiefen, was ja wohl in gewisser Weise voraussetzt, daß man selbst in einer Art stabilerem Zustand wäre?
Zitat:
Manchmal mag ich es auch, gemeinsam mit Menschen vor Ort etwas zu unternehmen oder gemeinsam zu tun.

Ich auch und was gemeinsames Wohnen angeht, ist soeine Komponente ja auch offensichtlich vorhanden. Wobei einzelne Leute hier diese Idee wieder noch auf verschiedene Weise für sich selbst attraktiv finden könnten. Für mich hat Gemeinschaft allerdings auch etwas damit zu tun die Beziehungen zu den Leuten zu vertiefen. In die Nähe von etwas zu bekommen, das ich langsam erfüllender fände, weil nicht mehr das meiste wild aneinander vorbeifliegt.
Zitat:
Da steht dann aber das gemeinsame Tun im Zentrum und nicht die Kommunikation.

Für mich wäre Kommunikation allerdings ein wichtiger Kanal um ein "schönes Tun" hinzubekommen.


Geschrieben von: Lebensblume am: 17.10.21, 12:30:48
Kommunikation ist eine Begegnung zwischen zwei oder mehreren Menschen. Wenn ich selbst beispielsweise lieber schriftlich kommuniziere, jedoch in einer bestimmten Situation nur die mündliche Verständigung möglich ist, so liegt es an mir zu entscheiden, ob ich gar nicht mehr kommunizieren will (auf der schriftlichen Form beharre) oder die Bereitschaft habe, dem Gegenüber die Hand zu reichen und zu versuchen, über meine Grenzen hinauszugehen. Gelingt dies nicht, weil ich über meine eigene Veranlagung stolpere - oder positiv ausgedrückt - sie mir klare Grenzen aufzeigt, die es zu respektieren gilt, dann habe ich es wenigstens versucht, was ich an und für sich als meine Aufgabe betrachte. Ebenfalls meine Aufgabe wäre dann, den Misserfolg nicht als Versagen, sondern als Aufforderung zu betrachten, meinen Weg in Achtsamkeit und Respekt mir selbst und anderen gegenüber weiterzugehen.


Geschrieben von: feder am: 17.10.21, 13:06:04
Zitat von 55555:
Vielleicht läßt sich das bei vielen Leuten auch gar nicht so pauschal sagen?
Vermutlich. Obwohl ich lieber schriftlich kommuniziere, verbringe ich einen Grossteil meines Arbeitstages mit Menschen mündlich zu reden und habe auch kein Problem damit.

Zitat:
Zitat:
Allerdings setzt Kommunikation voraus, dass ich anderen Menschen etwas mitteilen möchte, was selten der Fall ist.
Das ist bei mir wohl praktisch nie der Fall,
Was ist bei dir praktisch nie der Fall? Dass du anderen Menschen etwas mitteilen möchtest? Wozu kommunizierst du dann? Ich vermute, ich verstehe dich hier falsch?

Zitat:
Die Welt von jemandem, der stark damit befasst ist sich selbst zu sortieren?
Das ist durchaus zutreffend. Ob ich dieses Bedürfnis mit grösserer Stabilität erlange, ist eine andere Frage. Ich bin mir nichtmal sicher, ob ich das aus mir heraus überhaupt jemals hatte, ohne dass mir das als Ideal menschlichen Seins vorgelebt worden wäre.

Zitat:
Für mich hat Gemeinschaft allerdings auch etwas damit zu tun die Beziehungen zu den Leuten zu vertiefen.
ja, für mich auch, was für mich mit ein Grund ist, davon überzeugt zu sein, an Gemeinschaften kein Interesse zu haben.

Zitat:
Für mich wäre Kommunikation allerdings ein wichtiger Kanal um ein "schönes Tun" hinzubekommen.
ja, für mich auch und auch ein Grund, um auf „schönes Tun“ in Gesellschaft zu verzichten.


Geschrieben von: 55555 am: 17.10.21, 14:43:38
Zitat von Lebensblume:
Wenn ich selbst beispielsweise lieber schriftlich kommuniziere, jedoch in einer bestimmten Situation nur die mündliche Verständigung möglich ist,

Ich würde sagen, lieber schriftlich zu kommunizieren muß nicht bedeuten mündliche Kommunikation schwer hinzubekommen. Sie kann einen auch einfach mehr erfüllen, jemand kann sich in schriftlicher Kommunikation jemandem näher fühlen als auf der Ebene verschiedener mündlicher Kommunikation (körperlich beieinander, telefonisch). Wenn jemand dazu neigt mündlich "die Kontrolle zu verlieren", "sich gehen zu lassen" dann ist er auf diese Weise vermutlich schon besonders intensiv ansprechbar, zumindest auf eine bestimmte dann doch recht vorherrschende Weise? Dann würde Schriftlichkeit da eher dazu dienen die eigene eher mündliche Neigung unter einer Art Kontrolle zu halten?
Zitat von feder:
Was ist bei dir praktisch nie der Fall? Dass du anderen Menschen etwas mitteilen möchtest?

Daß ich anderen nichts mitteilen möchte.