1. Als bei der ai- Jahresversammlung 2004 der Antrag zur Anerkennung der psychiatrischen Zwangsbehandlung als Folter und damit als Teil des Mandats von ai in der Sachkommission an der Reihe war, lagen sofort zwei Anträge zur Geschäftsordnung vor - zwei Anträge auf Nichtbefassung.
Gleichzeitig verteilte die SeKo Heilberufe, vermutlich im Auftrag des Vorstandes, ein Pamphlet, unterzeichnet von Anja A.- K. und dem Arzt und Psychotherapeuten Dr. med. Peter B.. Darin wurde verlogener Weise sogar behauptet, daß die nachgewiesener Maßen stark hirnschädigende und einen künstlichen epileptischen Krampfanfall auslösende „Elektrokonvulsionstherapie [...] keine! Behandlung mit Elektroschocks ist ...“. (Zur Schädlichkeit des E- Schocks vergl.: Peter Breggin „Giftige Psychiatrie“ Band 1.) „Eine Zwangsmedikation“ heißt es andernorts im Text, „kann ebenfalls nur bei Gefahr in Verzug angewandt werden, bedarf ebenfalls einer Rechtsgrundlage und stellt heute eine seltene Ausnahme dar.“
Das ist schlicht die Unwahrheit!
Zwangsbehandlungen sind auf geschlossenen Stationen an der Tagesordnung und auf sie wird nur bei „freiwilliger“ Drogeneinnahme verzichtet. „Gefahr in Verzug“ ist, wie die Diagnosen, ein subjektiver und von Mißhandler_innen im medizinischen Gewand definierter und frei auslegbarer Begriff. Ihm entspricht der Begriff „Schutzhaft“ in totalitären Regimen, die dazu dient, ohne ein ordentliches Verfahren unter dem Schutz der Strafprozessordnung, wegsperren zu können.
Eine Diskussion unter den Mitgliedern wurde somit sowohl in der Sachkommission als auch im Gesamtplenum auf unfairste Art verhindert.
2. Nachdem auf der JV im Frühjahr 2005 erneut Anträge auf ähnliche Weise abgebügelt wurden, sah sich die SeKo Heilberufe veranlaßt, im Herbst des Jahres eine dritte und neue Version ihres „Dossier Heilberufe“ herauszugeben,in dem die Psychiaterin Anke Bramesfeld das Thema „Psychiatrie und Menschenrechte“ behandelt: www.ai-aktionsnetz-heilberufe.de/docs/ai_aktionsnetz/Heilberufe_181005.pdf
(Update: Der Link ist veraltet. Das neue Dossier von 2011, in dem der besagte Text erneut veröffentlicht ist, ist hier zu finden:
http://amnesty-heilberufe.de/wp-content/uploads/2014/02/dossier_heilberufe.pdf )
Dazu verteidigt sie die psychiatrische Folter (Zwangsbehandlung) mit dem "ethischen Prinzip der Fürsorge" und wiederholt damit die Unterteilung der Gesellschaft in Menschen und Untermenschen qua psychiatrischem Diagnonsens. Eingangs heißt es schon sehr zutreffend, daß „die Psychiatrie das Potenzial [hat], fundamentale individuelle Rechte ihrer Patienten einzuschränken, wie es in diesem Maß für keinen anderen medizinischen Bereich zutrifft.“ „Von großer Wichtigkeit“, schallt es aus dem psychiatrischen Teil für die SeKo Heilberufe heraus, „sind [Nur ! Anmerk. der Autor_inn_en] die Kontrollmechanismen für die Behandlung von Patienten gegen ihren Willen.
Folter ja, aber bitteschön staatlich kontrolliert, was ja gerade ein Defintionsmerkmal von Folter ist!
Dann erkennt und bestätigt Anke Bramesfeld im Kapitel „Mißbrauch der Psychiatrie für politische Zwecke“, um was es in der Psychiatrie als Ganzes geht: „Die Grenzen der Psychiatrie sind unscharf definiert. Das Einordnen des Verhaltens eines Menschen als krank, delinquent oder nur als sozial ungewöhnlich unterliegt unter anderem zeithistorischen und gesellschaftlichen Definitionsprozessen. Dies und das Fehlen objektiver Kriterien der Diagnose [Hört, hört! Anmerk. der Autor_inn_en] eröffnet vielfältige Möglichkeiten zum Mißbrauch psychiatrischer Versorgung auch für politische Zwecke.“
Was ist es denn anderes als Mißbrauch, wenn einem Menschen aufgrund der Zuschreibung einer psychiatrischen Diagnose im Rahmen einer Zwangsbehandlung die Freiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit genommen werden?
Wen wundert´s, daß der „Involvierung von Psychiatern in die Todesstrafe“ ein ganzes Kapitel gewidmet ist, wo das Töten doch damals noch ihr Fachgebiet war, als deutsche Psychiater_innen, Ärzte und Ärztinnen es in Deutschland schafften, das systematische Massenmorden zuerst an Hunderttausenden Psychiatrieinsass_inn_en und später auch an Millionen Jüdinnen und Juden, Sinti, Roma, Homosexuellen und Oppositionellen durch Vergasen, Töten durch Giftspritze und durch systematisches Tothungernlassen bis 1948 zu verwirklichen.
3. Ein wesentlicher Beitrag, um auch in diesem Jahr die Diskussion zu diesem Thema zu hegemonialisieren, war die Veröffentlichung der SeKo Heilberufe im ai- Intern (05/06 S.XI ff). Diese leicht veränderte und gekürzte Version ihres Dossiers wurde von den Psychiaterinnen Anke B., Anja K., der Ärztin und Azubi-Psychiaterin Ulrike A. und dem klinischen Psychologen Freihart R. unterzeichnet (Namen sind der Redaktion bekannt).
Hier wird nun ganz richtig festgestellt, daß „diese Zwangsmaßnahme [Fixierung] ... für den Kranken einen schwer erträglichen und tiefgreifenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“ bedeutet und daß sich „auch in Deutschland nicht wenige Betroffene ... über ... unnötige Zwangsmaßnahmen bei der stationären Unterbringung“ beklagen. Dann wird jedoch unterstellt, daß es „hierzulande meist keine gravierenden Rechtsverletzungen [sind] die bemängelt werden, sondern eher das Gefühl, als Person „nicht für voll genommen zu werden“.“ Was bei Zwangsbehandlung und planvoller Zerstörung der Selbstbestimmung und Würde der Betroffenen nur als zynisch bezeichnet werden kann. Und dann zeigt sich die ganze verleumderische Qualität der SeKo Heilberufe, indem sie die Kritiker_innen solcher Menschenrechtsverletzungen wie folgt diagnostiziert: „Struktureller Hintergrund für solche Beschwerden“, heißt es weiter, „sind (1) die hohe Vulnerabilität der Kranken aufgrund des zeitweise eingeschränkten Realitätssinn“.
Deutlicher kann man es nicht mehr machen, wie sich die SeKo Heilberufe gegen jede Kritik hermetisch abschottet, indem sie Kritiker_innen pathologisiert. Damit läßt sich dann auch leicht die richtige Erkenntnis entsorgen, nämlich daß „(2) die Machtkonzentration auf Seiten der Behandler“ liegt, „die sich besonders darin zeigt, Behandlung auch gegen den Willen der Patient/inn/en durchführen zu können...“.
Und zum krönenden Abschluß werden, wie von einer Täterprofession wohl nicht anders erwartet werden kann, Beschwerdestellen der Psychiatrie genannt, erreichbar über eine psychiatrische Homepage, an die „verwiesen werden [kann], wenn Beschwerden über Mißhandlungen in der Psychiatrie [die doch jede Zwangsbehandlung ist; Anmerk. der Autor_inn_en] in Deutschland an ai herangetragen werden.“ Und last but not least: „Das Health And Human Rights Team im internationalen ai- Sekretariat verfährt in vergleichbaren Fällen ebenso. Denn auch bei berechtigten Beschwerden über die psychiatrische Versorgung in Deutschland handelt es sich nach bisherigen Erfahrungen praktisch nie um schwere Menschenrechtsverletzungen; sie fallen daher nicht in den Zuständigkeitsbereich von amnesty international.“
Wo hätten Täter_inn_en und Folterer jemals für ihr Handeln eine Zuständigkeit von amnesty international vermutet?
4. Als vier ai- Mitglieder als Antwort auf den ai- Intern- Artikel der SeKo Heilberufe und zur Eröffnung der Diskussion um das Thema „psychiatrische Zwangsbehandlung“ innerhalb der deutschen Sektion den auf ihre Anregung geschriebenen Text mit dem Titel „Psychiatrische Zwangsbehandlung von Menschen - Eine Aufgabe von amnesty international“ von Professor Wolf-Dieter Narr im ai- Intern zu veröffentlichen wünschten, wurde der Text unter der fadenscheinigen Begründung, Professor Narr sei kein ai- Mitglied, abgelehnt und damit wiederum auch nur eine Replik auf die psychiatrischen Schutzbehauptungen verweigert.
5. Auch dieses Jahr wurden wieder Anträge zur JV eingebracht, welche die nach der UN Menschenrechtserklärung von 1948 ausgerufenen unteilbaren und unveräußerlichen Menschenrechte für alle Menschen forderten. Wie die Jahre davor wurden die Anträge und damit auch die (sachliche) Diskusion darüber unterdrückt. Als die Anträge, wie gewohnt, ganz am Ende der Sachkommission auf der Tagesordnung waren, lagen, wie gewohnt, mehrere Anträge zur Geschäftsordnung vor. Die Anträge zur Anerkennung der psychiatrischen Zwangsbehandlung als Folter und somit als Teil des Mandats von ai wurden diesmal sogar en bloc mit Nichtbefassung niedergestimmt. Vorher war bereits unser Initiativantrag abserviert worden, der nur die Veröffentlichung des oben erwähnten Artikels von Prof. Narr als Gegendarstellung zu den menschenverachtenden Ansichten der SeKo Heilberufe im ai- Intern zum Gegenstand hatte.
Nun ist es bei ai- Deutschland durch die Kolonialisierung der SeKo Heilberufe also amtlich: nur Menschen-Rechte der HERRSCHENDEN werden der Verteidigung für würdig befunden. Psychiatrisch Verleumdete und mit Hilfe psychiatrischer Diagnosen Entrechtete können von ihren Folterern, die sich „Psychiater_innen“ nennen und vorgeben „Mediziner_innen“ und „Wissenschaftler_innen“ zu sein, in Folter-Einrichtungen, die sie „psychiatrische Krankenhäuser“ nennen, nach Gutdünken der Folterer eingesperrt, gefesselt und mit „mind altering drugs“ „krankheitseinsichtig“ gespritzt werden. Damit werden die Betroffenen mit Billigung der Mitglieder von ai zu UNTERMENSCHEN gemacht.
Einer Organisation nur für Menschen-Rechte der HERRSCHENDEN können und wollen wir aber nicht angehören.