Forum für Autisten und interessierte Zeitgenossen (http://autismus.ra.unen.de.auties.net/index.php)
-- Offenes Forum (Schreibrecht auch für unter User=Gast; Pass=Gast eingeloggte Gäste) (http://autismus.ra.unen.de.auties.net/board.php?id=3)
---- Enthinderungsselbsthilfe (http://autismus.ra.unen.de.auties.net/board.php?id=84)
Thema: "Feministische Argumente gegen Abtreibungen" (http://autismus.ra.unen.de.auties.net/topic.php?id=7181)


Geschrieben von: 55555 am: 27.11.15, 16:51:10
Die Präsentation und Argumentation im Interview wirkt auf mich etwas seltsam, diese Positionen werden als quasi verwegen und besonders präsentiert, was sie nach meinem sonstigen Eindruck so nicht sind, zumal die interviewte selbsternannte Feministin (kleine Replik auf das "selbsternannte Lebensschützer" der SZ) Abtreibungen soweit zu lesen ist auch gar nicht kritisiert, sondern Teile des Selektionsgeschehens, wobei "Lebensschützer" eher pauschal und argumentationslos gebasht werden wie man es oft beobachten kann:
Zitat:
Die Argumentation der Lebensschützer ist unredlich. Sie benutzen die Rechte behinderter Menschen nur als Vorwand, um Druck auf Frauen auszuüben. So versuchen sie, sich als die einzigen Vertreter eines positiven Menschenbildes zu verkaufen, das dem Leben zugewandt ist. Ich hingegen fordere ein uneingeschränktes Recht auf Abtreibung, lehne aber gleichzeitig selektive Diagnostik ab. Mir geht es darum, Frauenbewegung und Behindertenbewegung zusammenzubringen.

[...]

Selektive Abbrüche zu verbieten ist der falsche Weg, im Gegenteil: Der Paragraf 218 muss endlich abgeschafft werden, Abtreibung aus egal welchem Grund muss legal sein. Ich möchte viel früher ansetzen, nämlich bei der Suche nach dem Fehler. Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge haben Frauen im Schnitt acht Ultraschalluntersuchungen in einer Schwangerschaft. Acht! Zur Regelversorgung gehören in Deutschland drei Ultraschalls und schon damit liegen wir im internationalen Vergleich an der Spitze.

Dieser Diagnosekreislauf muss unterbrochen werden. Die meisten Tests, die während einer Schwangerschaft gemacht werden, sind keine medizinisch sinnvollen Untersuchungen. Niemand profitiert gesundheitlich von ihrem Ergebnis. Daher bin ich dafür, sämtliche selektive Pränataldiagnostik aus der medizinischen Grundversorgung herauszunehmen.

Selektive Untersuchungen müssten meiner Meinung nach sogar komplett verboten werden. Sie können als "schädliche Praktiken" nach der UN-Behindertenrechtskonvention eingeschätzt werden, da sie dazu beitragen, das Bild zu verfestigen, dass eine Behinderung mit Leiden und Schmerzen und einem unerträglichen Leben zu tun hat, und dass man dem durch eine Abtreibung entgehen könne.

Quelle

Und was würde die interviewte Buchautorin Kirsten Achtelik dazu sagen, wenn in D nach einer allgemeinen Abschaffung der Illegalität von Abtreibungen, die schon verfassungsrechtlich gar nicht möglich ist (also eine extremistische Forderung ist) dann Mode würde weibliche Kinder nach selbstbezahlter Diagnostik abzutreiben?
Zitat:
Den einen Feminismus gibt es nicht, aber es stimmt, die meisten Feministinnen sind ganz klar gegen eine Selektion nach Geschlecht. Manche sprechen sogar von einem Feminizid, also von einem Massenmord an Mädchen. An dieser Stelle zeigt sich die Widersprüchlichkeit des feministischen Standpunkts: Ein Mädchen abzutreiben, weil es ein Mädchen ist, ist diskriminierend und sexistisch - soweit sind sich alle einig. Wenn aber ein Fötus abgetrieben wird, weil er möglicherweise behindert ist, läuft das unter Selbstbestimmung der Frau. Doch auch diese Argumentation ist diskriminierend. Der Wunsch nach einem Normkind ist nicht feministisch.

Ist das wirklich vergleichbar? Hier werden viele einwenden, dass das Leben mit einem behinderten Kind doch deutlich schwieriger sei als mit einem Mädchen.

Behinderung mit Problemen gleichzusetzen ist falsch. Das Leben mit einem behinderten Kind muss nicht schwieriger sein als mit einem nicht behinderten Kind - von den zahlreichen pränatalen Falschdiagnosen und all den Behinderungen, die erst bei und nach der Geburt entstehen, will ich an dieser Stelle gar nicht erst anfangen.

Zweitens sind durchaus Situationen vorstellbar, in denen ein weiblicher Fötus ein großes Problem für die werdende Mutter ist. Was ist, wenn es in der Familie den Druck gibt, doch nun endlich einen Thronfolger zu produzieren statt eine vierte, fünfte oder sechste Prinzessin? Wenn sie auch lieber einen Jungen will, müsste der Frau nach der Selbstbestimmungslogik Abtreibungen erlauben, bis sie ein männliches Kind in sich trägt. Hier ist der Konsens: Das geht nicht. Ich bin der Meinung, Föten, die möglicherweise behindert sind, auszusortieren, geht genausowenig.