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Ganz rechts in der ersten Reihe der Bürgerschaft sitzt während der Rede Jörn Kruse, Fraktionsvorsitzender der AfD. Er ärgert sich. Kruse findet es ungeheuerlich, zu sagen, die Deutschen könnten bald nicht mehr die Mehrheit sein in Hamburg. Auch wenn er später einräumt, dass die Prognose nicht vollkommen abwegig ist: Schon heute haben auf der Veddel, in Billbrook oder Wilhelmsburg mehr als die Hälfte der Anwohner einen Migrationshintergrund, genauso wie fast 45 Prozent der Hamburger Grundschüler. Das muss man nicht "gut so" finden – aber man muss erst einmal die Fakten akzeptieren.
Nach der Sitzung habe er mit Kollegen aus der Fraktion über die Rede diskutiert, sagt Kruse, mehrere seien sehr aufgebracht gewesen. Neun Tage später, am Freitag, dem 20. November, stellt die AfD um 8.56 Uhr ein Video mit dem Titel Grünen-Politikerin lässt die Maske fallen auf ihre Facebook-Seite. Es zeigt einen Ausschnitt aus von Bergs Rede.
Darunter steht: "Das politische Ziel der Grünen: Es soll keine deutsche Bevölkerungsmehrheit mehr geben."
Die AfD deutet die Rede semantisch um. Von Berg sagte, es werde passieren, und das sei gut so. Die AfD macht draus: Es solle passieren. Eine Prognose und deren Bewertung wird zum politischen Ziel. Und die Enthüllung dieses Ziels, so suggeriert die AfD, finde sich in dem Video. Man kann das "gut verkauft" nennen – oder perfide verdreht. AfD-Fraktionschef Kruse sagt, über die Überschrift könne man vielleicht streiten, den Rest des Beitrags halte er für durch die Rede gedeckt.
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AfD-Fraktionschef Jörn Kruse ist der Hass merklich unangenehm. "Ich kann leider nicht ausschließen, dass einige dieser Kommentatoren auch in meiner Partei sind", sagt er, er kenne solche Beleidigungen auch persönlich. "Bei den Hasskommentaren frage ich mich: Haben die Leute nichts Besseres zu tun? Haben die Leute keinen Anstand?" Menschlich tue ihm Stefanie von Berg sehr leid. "Ich habe mich sofort bei ihr entschuldigt."
Für Stefanie von Berg zählt das wenig. Sie glaubt, dass die AfD mit dem Post bewusst diffamieren wollte. "Ich habe ein bisschen gebraucht, um zu verstehen, dass es dabei nicht um mich geht", sagt sie. Ziel dieser Menschen sei es, Andersdenkende mundtot zu machen. "Offenbar kommen die Rechten aus ihren Löchern. Wir müssen jetzt erst recht aufstehen und uns dagegen wehren – das sollten wir aus der Geschichte gelernt haben."
Von Berg will sich nicht einschüchtern lassen, bloß kein Opfer sein.