Nina
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geändert von: Nina - 14.01.15, 17:08:29
@elf:
Ja, Erich Fromm, die Kunst zu lieben kenne ich. Ich verstehe es genauso wie Du, Elf: man muss unterscheiden zwischen Idealen und in Realität Umsetzbarem, anders formuliert zwischen Theorie und Empirie oder "Olymp" und der "Welt da unten" - Natürlich verstehe ich was Ideale sind, ich habe sie selbst ja auch als Leitmotive für mein Verhalten. Auch ich finde, jeder Mensch sollte so akzeptiert werden, wie er ist, so sein dürfen, wie er ist, und ist für sich genommen liebenswert und damit bedingungslos anzunehmen.
Aber, im realen Zusammenleben bestimmen die Grenzen des einen auch die des anderen. Im Zusammenleben ist es notwendig, dass Grenzen, und damit Wünsche und Bedürfnisse und Verletzbarkeiten kommuniziert werden und dass Kompromisse und Lösungen gefunden werden, mit denen beide leben können. Anders kann es gar nicht gehen.
Und, deshalb ist in meinen Augen die verbale Kommunikation zwischen Autist und Nicht-Autist so essenziell notwendig, weil einerseits der Autist bestimmte Grenzen intuitiv beim anderen nicht erkennen kann und andererseits der andere bestimmte innen empfundene Bedürfnisse und Gefühle beim Autisten anhand des Verhaltens nicht (oder zumindest nicht immer) erkennen kann, so dass es ohne die explizite verbale Kommunikation zwangsläufig zu Missverständnissen kommen muss.
Damit meine ich nicht, dass man alles zerreden muss, nur, dass jeder lernen muss zu verbalisieren "dies ist mein Wunsch, jenes Deiner - wie kommen wir zur Lösung". Wenn man eben erwartet, der andere würde, wenn er nur genug lieben würde, den anderen jeweils einfach so in seinen Bedürfnissen verstehen, kann das in einer Beziehung zwischen Autist und Nicht-Autist in meinen Augen einfach nicht funktionieren, zumindest nicht, wenn es eine engere Beziehung sein soll, in der im täglichen Leben zusammengelebt werden will.
Ausnahme ist meiner Ansicht nach: Es gibt nicht-autistische Menschen, die von klein auf so erzogen wurden, dass sie kein Anrecht auf eigene Bedürfnisse haben und immer die Erwartungen anderer zu erfüllen haben. Dann kann es eine gewisse Passung auch ohne explizite Kommunikation geben. Aber, ich denke hier gibt es immer die Gefahr, dass der nicht-autistische Partner irgendwann iaus der Beziehung ausbricht, weil er im Laufe seines Lebens feststellt, dass er trotz aller Liebe zum Partner nicht mehr so viel Anpassung leisten möchte oder kann, weil er dann eben doch eigene Bedürfnisse entdeckt.
Zu meiner eigenen Beziehung mit meinem Ex-Partner kann ich sagen, dass wir in meinen Augen, und auch in den Augen unserer Freunde, sehr viele Gemeinsamkeiten hatten, gemeinsame Hobbys und Interessen. Dennoch hat mein Ex-Partner dies offenbar als nicht ausreichend empfunden, bzw. meine Erwartungen an ihn, vielleicht ähnlich wie von Schuschu beschrieben, als ängstigend und Flucht auslösend erlebt. Mich macht eben genau dies so traurig, dass in meinen Augen sehr viel zwischen uns gepasst hat, und ich seine Bedürfnisse nach Rückzug etc. ganz anders berücksichtigen hätte können, wenn ich sie richtig interpretiert hätte.
Ein Beispiel: Er hat mich im Alltag, wenn ich etwas gesagt habe, oft korrigiert, weil ich etwas in seinen Augen nicht präzise genug formuliert hatte. Ich hab dieses Verhalten von ihm nicht verstanden und es hat mich oft gekränkt, weil ich mir wie eine kleine Schülerin vorkam, die immer vom Lehrer korrigiert wird. Ich hab ihm oft gesagt, dass mich das stört, wenn er das macht und dass er das lassen soll. Konnte er aber nicht. Hätte er mir gesagt, wieso er das macht und dass es ihm sehr schwer fällt, das nicht zu tun, hätte ich mich dadurch nicht mehr gekränkt gefühlt, es hätte keine Konflite deshalb mehr gegeben.
Weiteres Beispiel: Jemanden vermissen und dies auch verbal mitteilen, wenn man längere Zeit räumlich getrennt ist als Paar, bedeutet für mich, dass der andere mir wichtig ist und ich gerne mit ihm zusammen bin und Zeit verbringe. Wenn er mir sagte, er vermisst mich nicht, hat mich das verletzt, weil ich dachte, ich bin ihm nicht (mehr) so wichtig wie früher. In seiem Erleben bedeutete, mich nicht vermissen aber anscheinend eher, dass er mich fest in seinem Herzen trägt und mich deshalb gar nicht ständig treffen muss. Nicht-vermissen war für ihn also keine Aussage darüber, wie viel ich ihm (noch) bedeute. - Missverständis. Wenn man das weiß, kein Problem mehr.
(aber solche Beispiele hab ich nun schon diverse Male geschrieben...)
Im übrigen möchte ich hier noch gerne klarstellen, dass dies KEINE Schuldzuweisung an meinen Ex-Partner sein soll, und auch die vorherigen Male in meinen Kommentaren nicht sein sollte (so hatten es einige hier öfters verstanden) sondern eine WERTFREIE Feststellung, dass es hilfreich gewesen wäre, wenn er mit mitgeteilt hätte, dass er Autist ist und dass die Beziehung damit objektiv viel bessere Chancen auf Gelingen gehabt hätte, weil die Anzahl der Missverständnisse deutlich reduziert hätte werden können. Eine Garantie auf Gelingen hätte es natürlich dennoch nicht gegeben, keiner weiß letztlich, wie die Beziehung unter anderen Bedingungen funktioniert hätte.
@Bicycle:
(Zitat): "Ich denke: Wie im Innen, so im Außen. Du denkst: Wie im Außen, so im Innen."
Kannst Du das genauer erklären, bzw. konkretisieren, möglicherweise mit einem Beispiel? Das ist mir zu abstrakt, das verstehe ich nicht, was Du damit meinst. Danke :-)
(Zitat): "Ich erfülle diese Sehnsuchtsgefühle bei anderen Menschen aus Prinzip nicht. Sobald sich dann der andere Mensch darüber "freut", dass man seine Sehnsuchtsgefühle stillt, dachte ich immer, dass ein anderer Mensch vor mir steht, der nicht "wahr" ist. ...tun tu ich es aber trotzdem nicht."
Kannst Du das nochmal versuchen mit anderen Worten zu erklären? Das verstehe ich auch nicht richtig. Aber ja, das könnte auch bei meinem Ex-Partner zutreffen. Denn: In der Paartherapie (die übrigens er auch gerne machen wollte um unsere Beziehung zu verbessern, nicht nur ich) kamen wir genau dahin, dass jeder formulieren sollte, was er sich wünscht. Als ich das gemacht habe und ihm mitgeteilt habe, was ich möchte und er mir es ganz leicht erfüllen hätte können (z.B. mich mal in den Arm nehmen, wenn ich traurig bin um mich zu trösten), hatte ich den Eindruck, dass das für ihn nicht keine "Kleinigkeit" ist, die er ganz leicht lernen könnte, sondern dass ihm das gewissermaßen "zuwider" ist, meinem verbalisierten Wunsch nachzukommen. Das hab ich nicht verstanden und hat mich sehr verletzt, weil ich für mich das so interpretiert hatte, dass es doch so einfach für ihn wäre, meiner Bitte nachzukommen und mir mein Bedürfnis zu erfüllen. Möglicherweise lag ich da aber völlig falsch? Dies war nur wenige Tage vor unserer Trennung.
Gererell kann ich sagen, dass mir dieser Austausch hier sehr hilft, unsere Beziehung im nachhinein viel besser zu verstehen und damit auch ein Stück weit die Trennung zu verarbeiten. Ich sehe, dass wir hier auf manche Dinge teilweise völlig unterschiedliche Sichtweisen haben. Aber erst Eure Bereitschaft mit mir verbal zu kommunizieren und mir eure Sicht zu erklären, macht es mir möglich, diese Unterschiede zu sehen und zu verstehen. Danke dafür! :-)
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