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Thema: Wertschätzung von Ängstlichkeit (http://autismus.ra.unen.de.auties.net/topic.php?id=6821)


Geschrieben von: 55555 am: 22.12.14, 15:44:54
Zitat von Tarantula:
Zitat:
Was ist das denn nun, eine "Störung" im Sinne einer Personeneigenschaft?

Das habe ich nun schon mehrmals beantwortet... Wenn man unter seinen 'Eigenschaften' leidet, wenn sie krankhaften Charakter annehmen, mich im Alltag behindern...

Und wann leidet jemand unter seinen Eigenschaften? Sinnvoll wäre auf Nichterklärungen a la "gestört ist jemand, der krank ist" zu verzichten.
Zitat von drvaust:
Wenn Verbrecher jemand leiden lassen, dann ist das ein Verbrechen und der Leidende ist ein Opfer, er leidet nicht an seiner Krankheit, sondern an Fremdeinwirkung. (Er kann jedoch dadurch krank werden.)
Wenn jemand aber aufgrund von Traumata, körperlichen oder geistigen Verletzungen, Veranlagungen, Störungen durch Viren, Bakterien, Parasiten, Gift o.ä. usw. leidet, dann ist das eine Krankheit.

1. Ein Autist sucht einen Handwerker, findet aber keinen, der schriftlich erreichbar wäre. Er leidet. Ist der Autist krank, weil er leidet oder sind die Handwerker Verbrecher?
2. Jemand sitzt in einem US-Folterlager ein. Er leidet. Ist er krank, weil er leidet oder sind die, die ihn dort festhalten und traktieren Verbrecher?
3. Jemand hat Angst nicht gewissenhaft genug zu sein, Fehler zu machen und leitet eine Abteilung bei der Bahn. Ist er krank, weil er leidet oder sind die, die ihn dort tätig sein lassen Verbrecher?
4. Ein Rollstuhlfahrer kommt nicht selbsttätig in das Restaurant, in dem ein Verein, in dem er Mitglied ist seine Weihnachtsfeier abhält. Ist er krank, weil er leidet oder sind die Restaurantbetreiber, beziehungsweise die Vereinsverantwortlichen Verbrecher?
5. Jemand sehnt sich an Weihnachten nach Harmonie, findet sie aber nicht. Ist er krank, weil er leidet oder sind seine Mitmenschen Verbrecher?


Geschrieben von: Tarantula am: 22.12.14, 16:21:54
Zitat von 55555:

Und wann leidet jemand unter seinen Eigenschaften? Sinnvoll wäre auf Nichterklärungen a la "gestört ist jemand, der krank ist" zu verzichten.


Ich kann ja verstehen, dass du eine allgemeingültige Antwort auf die Frage suchst... Aber die gibt es nicht.
Meinen bisherigen Antworten ist ja zu entnehmen, dass Leid subjektiv ist. Jeder, der zum Psychiater geht, wird eine Diagnose bekommen, wenn er von einen Zwang erzählt... Wer nicht daran leidet, der geht schlicht nicht hin. Warum sollte er das auch tun?

Wenn jemand dich mit dem Auto anfährt und dein Bein gebrochen ist, bist du dann krank und leidest oder ist der Autofahrer ein Verbrecher?
Wenn jemand dich mit einem Grippevirus ansteckt, bist du dann krank und leidest oder ist der, der dich angesteckt hat, ein Verbrecher?

Ich frage mich immer noch, warum Enthinderung? Dabei geht es mir gar nicht darum, ob man nun leidet oder nicht, ob man krank ist oder nicht... Interessant finde ich die Frage, ob man da nicht einfach zu wenig leidensfähig ist, wie du sagtest...
Das widerspricht sich alles etwas... Wenn ich meinen Kontrollzwang aushalten soll, dann kann man sich doch auch gefälligst etwas am Riemen reißen, wenn man in Gesprächen nicht so recht Fuß fassen kann... Damit muss man dann eben leben...


Geschrieben von: 55555 am: 22.12.14, 17:32:11
Zitat von Tarantula:
Ich kann ja verstehen, dass du eine allgemeingültige Antwort auf die Frage suchst... Aber die gibt es nicht.

Tatsächlich? Und wieso wird dann das eine so und das andere so bewertet?
Zitat:
Wenn jemand dich mit dem Auto anfährt und dein Bein gebrochen ist, bist du dann krank und leidest oder ist der Autofahrer ein Verbrecher?
Wenn jemand dich mit einem Grippevirus ansteckt, bist du dann krank und leidest oder ist der, der dich angesteckt hat, ein Verbrecher?

Nun war es ja nicht ich, der hier angefangen hat sinngemäß zu fordern jemanden nicht einzustellen, weil man ihn für gestört hält aufgrund von Personeneigenschaften. Und wenn die Person halt selbst gerne diese Anstellung gehabt hätte, dann ist das eine Diskriminierung und exkludierend. Aber damit scheinst du ja kein Problem zu haben. Und, wird die Welt an deiner Weisheit genesen?
Zitat:
Ich frage mich immer noch, warum Enthinderung?

Dazu steht doch auf den Seiten, die man von hier aus finden kann genug? Oder nicht? Vielleicht greifst du ihre Aussagen zumindest auf?
Zitat:
Interessant finde ich die Frage, ob man da nicht einfach zu wenig leidensfähig ist, wie du sagtest...

Auf welche meiner Aussagen beziehst du dich an dieser Stelle?
Zitat:
Wenn ich meinen Kontrollzwang aushalten soll, dann kann man sich doch auch gefälligst etwas am Riemen reißen, wenn man in Gesprächen nicht so recht Fuß fassen kann...

Was hat das mit der Situation zu tun, daß da eine Managerin nicht exkludieren will und du dir anmaßt es mit schrillen Worten zu verurteilen, wenn diese zwei anderen Parteien, die mit dir überhaupt nichts zu tun haben und die auch sonst niemand dazu zwingt darin übereinkommen ein Geschäft miteinander zu machen?


Geschrieben von: Tarantula am: 22.12.14, 18:14:48
@[55555]

Es ergibt sich aus der Praxis der Diagnostik, dass nur jemand eine Diagnose bekommt, wenn Leidensdruck vorhanden ist.
Man wird also nicht ungefragt als gestört betitelt, sondern geht aktiv hin und lässt sich diagnostizieren. Daraus ergibt sich, dass da Leidensdruck vorhanden ist, wo eine Störung diagnostiziert wurde.
Wenn also jemand eine Person wegen ihrer 'Störung' einstellt, wie es die Bahnmanagerin tut, dann bedeutet das, dass sie die Person wegen ihres Leidensdruckes einstellt.

Bei Zwängen bedeutet das, dass sie schlimmer werden können, wenn man sie auslebt...
Bei einer Angststörung, wie die Bahnmanagerin es sieht, bedeutet das, dass sie die Angst der eingestellten Person ausnutzt, also deren Leidensdruck, denn sie sprach von einer Angststörung, die Leidensdruck beinhaltet.

Eine 'Störung' ist anders zu bewerten als eine Eigenschaft, weil sie eben Leidensdruck beinhaltet. Das ergibt sich aus der Diagnose, die nur gestellt wird, wenn subjektiv Leidensdruck vorliegt.
Der Leidende bewertet sich mit der Diagnose selbst, ich mache das nicht, sondern nehme nur seine Bewertung zur Kenntnis.
Anmaßend finde ich vielmehr, diesem Menschen dann zu sagen, er sei schlicht nicht leidensfähig, lebensverneinend...
Anmaßend ist, ihm die Fähigkeit abzusprechen, sich selbst bewerten zu können, und das dann für ihn zu tun... Das ist diskriminierend...

Wer keinen Leidensdruck hat, der soll sich doch einstellen lassen. Meinetwegen auch mit Leidensdruck... Wohin das führen kann habe ich ja angedeutet... Ich fordere nicht, dass man jemanden nicht einstellt, weil man ihn für gestört hält. Ich halte es für verwerflich, jemanden einzustellen, weil man seine Krankheit ausnutzen, eventuell verschlimmern, möchte...
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich jemand mit einem Kontrollzwang wohl fühlt, wenn er ständig Aufgaben erledigen muss, die diesen Zwang triggern...

Ich bin sehr gewissenhaft, weil ich das so möchte... Ich möchte gute Arbeit machen, dabei fühle ich mich wohl...
Bei einem Zwang, der mich immer wieder dazu treibt, dasselbe zu kontrollieren, fühle ich mich sehr unwohl... Man kommt mit seiner Arbeit gar nicht voran, kommt vielleicht erst gar nicht hin, weil der Zwang sich sein Thema selbst aussucht. Darauf habe ich keinen Einfluss. Gewissenhaft kann ich überall sein, weil es mir Spaß macht...


Geschrieben von: 55555 am: 22.12.14, 18:50:53
Zitat von Tarantula:
@[55555]

Falsch (da es sich einzubürgern scheint bei dir).
Zitat:
Es ergibt sich aus der Praxis der Diagnostik, dass nur jemand eine Diagnose bekommt, wenn Leidensdruck vorhanden ist.

Das ist schlichtweg falsch, nehmen wir nur all die vielen Kinder, denen aus diesen oder jenen Gründen irgendwelche Diagnosen verpasst werden. Darüber hinaus beantwortet es die Frage nicht, wieso beim einen Leiden soetwas getan wird und beim anderen Leiden nicht. Ganz grundsätzlich ist es darüber hinaus so, daß der Medizinmann schaut, ob bestimmte Kriterien vorliegen, die von seiner Zentrale aktuell eben mal in bestimmter Weise zugeordnet weden, so wenig das auch mit systematischer Wissenschaft zu tun hat.
Zitat:
Wenn also jemand eine Person wegen ihrer 'Störung' einstellt, wie es die Bahnmanagerin tut, dann bedeutet das, dass sie die Person wegen ihres Leidensdruckes einstellt.

Stellst du dir das so vor, daß die irgendwelche externen Diagnosen vorgelegt bekommt?
Zitat:
Anmaßend ist, ihm die Fähigkeit abzusprechen, sich selbst bewerten zu können, und das dann für ihn zu tun... Das ist diskriminierend...

Warum tust du es dann?
Zitat:
Ich fordere nicht, dass man jemanden nicht einstellt, weil man ihn für gestört hält.

Aha?


Geschrieben von: Tarantula am: 22.12.14, 19:23:59
Zitat von 55555:

Falsch (da es sich einzubürgern scheint bei dir).


Ich kann mit jeder Konsequenz leben, ohne Leidensdruck...

Zitat:
Das ist schlichtweg falsch, nehmen wir nur all die vielen Kinder, denen aus diesen oder jenen Gründen irgendwelche Diagnosen verpasst werden.


Das ist richtig. Da sind die Eltern in der Verantwortung oder die betreuenden Stellen...
Kinderarbeit ist aber hierzulande nicht gern gesehen, bei der Bahn wird sich wohl keines bewerben...


Zitat:
Darüber hinaus beantwortet es die Frage nicht, wieso beim einen Leiden soetwas getan wird und beim anderen Leiden nicht.


Warum denn Enthinderung zur barrierefreien Kommunikation, wenn du von jemandem mit einer Zwangsstörung erwartest, dass er sich am Riemen reißt? Warum bewertest du das eine Leiden so und das andere so?
Was wäre denn noch ein Beispiel für ein anderes Leiden?

Zitat:
Ganz grundsätzlich ist es darüber hinaus so, daß der Medizinmann schaut, ob bestimmte Kriterien vorliegen, die von seiner Zentrale aktuell eben mal in bestimmter Weise zugeordnet weden, so wenig das auch mit systematischer Wissenschaft zu tun hat.


Das stimmt. Das macht aber noch keine Diagnose... Es wird ja auch gefragt, wie sehr man sich beeinträchtigt fühlt. Das führt dann zur Diagnose... Weil es sich eben oft um ein Spektrum handelt, von stark bis gar nicht beeinträchtigt... Dass das wenig mit Wissenschaft zu tun hat, stimmt auch. Die Diagnose Autismus beruht aber auf derselben Vorgehensweise. Und egal ob selbst- oder fremddiagnostiziert, wendet man bestimmte Kriterien an, um das einzuordnen... Was soll also an der Diagnose Autismus valider sein, als an den anderen? Warum akzeptierst du sie? Konsequent wäre die Diagnose 'Mensch'.
Grenzt du dich damit nicht selbst aus?

Zitat:
Stellst du dir das so vor, daß die irgendwelche externen Diagnosen vorgelegt bekommt?


Nein, so stelle ich mir das nicht vor...

Zitat:
Warum tust du es dann?


Mache ich nicht, das scheinst du zu tun... Wenn ich mich zum Beispiel wegen eines Kontrollzwanges für krank halte, du das aber anders siehst und mir sagst, das sei normal und ich nicht leidensfähig...

Zitat:
Aha?


Genau!


Geschrieben von: 55555 am: 22.12.14, 20:32:06
Zitat von Tarantula:
Ich kann mit jeder Konsequenz leben

Häh? Zur Sicherheit: Ich bin 55555, nicht [55555].
Zitat:
Kinderarbeit ist aber hierzulande nicht gern gesehen, bei der Bahn wird sich wohl keines bewerben...

Ist das wirklich das Niveau, das du hier vertreten willst? Müssen wir jetzt noch darüber diskutieren, was mit Kindern im Laufe der Zeit meistens geschieht?
Zitat:
wenn du von jemandem mit einer Zwangsstörung erwartest, dass er sich am Riemen reißt?

Wie sollte ich etwas von jemandem erwarten, der durch eine Eigenschaft charakterisiert wird, die ich als nicht existent betrachte (hier "Störung" als Personeneigenschaft)?
Zitat:
Mache ich nicht, das scheinst du zu tun... Wenn ich mich zum Beispiel wegen eines Kontrollzwanges für krank halte, du das aber anders siehst und mir sagst, das sei normal und ich nicht leidensfähig...

Das hat damit zu tun, daß du dir hier mit dem Begriff "krank" einen faschstoiden Kampfbegriff zu eigen machst, der u.a. in Zusammenhang mit Völkermord steht. Und deswegen hinterfrage ich diesen Begriff und das dahinterstehende Denken, weil er brandgefährlich ist gerade in solchen Zusammenhängen.
Zitat:
Und egal ob selbst- oder fremddiagnostiziert, wendet man bestimmte Kriterien an, um das einzuordnen...

Ja.
Zitat:
Was soll also an der Diagnose Autismus valider sein, als an den anderen?

Worum geht es denn hier, darum Charakterzüge einzuordnen oder um die Frage, was krank ist und was nicht?
Zitat:
Nein, so stelle ich mir das nicht vor...

Nicht? Und warum reden wir hier über Diagnostik nach Art der WHO-Welteinheitsreligion?


Geschrieben von: Tarantula am: 23.12.14, 01:21:14
Zitat:
Ist das wirklich das Niveau, das du hier vertreten willst? Müssen wir jetzt noch darüber diskutieren, was mit Kindern im Laufe der Zeit meistens geschieht?


Bei Kindern sehe ich auch Handlungsbedarf... Bei vielen Problemen kann Therapie, wie ich finde, aber sinnvoll sein. Nun ist es aber in unserer Gesellschaft so, dass eine Persönlichkeitseigenschaft, die in der Schule und am Arbeitsplatz zu Problemen führt, mit Arbeitslosigkeit quittiert wird, weniger Bildungschancen, etc... Eine Diagnose ist leider das, was einen noch vor der Willkür der Arbeitsagentur (hauptsächlich Jobcenter) schützt, was einen Anspruch auf Unterstützungsangebote herstellt...

Nebenbei kann man Zwanghaftigkeit und Gewissenhaftigkeit nicht in einen Topf werfen.
Gewissenhaft kann ich überall sein, ein Zwang sucht sich sein Thema selbst und ist nicht steuerbar.
Ich wäre ehrlich gesagt froh gewesen, wenn ich schon als Kind erfahren hätte, warum ich anders bin und Probleme habe.
Das nicht zu wissen hat dafür gesorgt, dass ich mich auf meine Weise an die Welt angepasst habe. Warum ich ständig burnoutmäßig zusammenklappe, habe ich nie gewusst. Dabei fehlten nur ein paar Kleinigkeiten. Der richtige Beruf, reizarme Arbeitsumgebung...

Mir ist klar, dass das, was als psychische Störung betitelt wird, in der Regel kulturell bedingte Auffälligkeiten der Persönlichkeit sind. Zum Beispiel bin ich der Meinung, dass ADHS schon immer da war, aber erst durch Veränderungen der Umwelt auffällig wird. Früher fiel man damit einfach nicht auf.
Und ich kann auch verstehen, warum das nicht als krank zu werten ist, sondern allenfalls als anders.

Folge ich jetzt aber deiner Argumentation, nenne meinen Zwang eine Persönlichkeitseigenschaft und betitele mich als leidensunfähig und lebensverneinend, dann ändert sich an meiner Situation nichts. Ich werde weiter anecken, ob ich es nun krank nenne oder nicht. Ein Trauma und daraus resultierende Angst und Zwanghaftigkeit führt dazu, dass ich daran leide, Arbeitsplatz verliere, was das eben so für Folgen hat... Es ändert sich gar nichts, nur die Bezeichnung ist eine andere...
Natürlich ist es eine Persönlichkeitseigenschaft, wenn ich so bin. Wenn ich aber nicht daran arbeite, grenze ich mich selbst aus, statt es von anderen machen zu lassen.

Zitat:

Wie sollte ich etwas von jemandem erwarten, der durch eine Eigenschaft charakterisiert wird, die ich als nicht existent betrachte (hier "Störung" als Personeneigenschaft)?


Man kann nicht vor allem, was einem nicht ins Konzept passt, die Augen verschließen und so tun, als wäre es nicht vorhanden.

Zitat:

Das hat damit zu tun, daß du dir hier mit dem Begriff "krank" einen faschstoiden Kampfbegriff zu eigen machst, der u.a. in Zusammenhang mit Völkermord steht. Und deswegen hinterfrage ich diesen Begriff und das dahinterstehende Denken, weil er brandgefährlich ist gerade in solchen Zusammenhängen.


Also halte ich mich ab jetzt für gesund, dafür für unfähig zu Pünktlichkeit? Für lebensverneinend oder leidensunfähig? Setze mich zu Hause still in den Sessel und nehme nicht mehr am Leben teil?
Wo ist der Unterschied zu einer anderen Form der Ausgrenzung?
Sicher ist der Begriff 'Krankheit' zum Beispiel von den Nazis verwendet worden und es wurde viel Schlimmes damit angerichtet. Ich verbanne aber auch nicht alle Küchenmesser wenn einmal mit Küchenmessern gemordet wurde. Ich verbanne nicht alle Seile, weil Menschen gehängt wurden. Ich schaffe nicht die Marktwirtschaft ab, weil sie Menschenleben kostet. Die Nazikeule halte ich immer für etwas zu einfach...

Was soll also jemand tun, der die Eigenschaft hat, zwanghaft Stecker, Kabel, Geräte zu kontrollieren und deshalb aneckt?

Zitat:

Worum geht es denn hier, darum Charakterzüge einzuordnen oder um die Frage, was krank ist und was nicht?


Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es keinen typischen Autisten gibt. Darum halte ich die Einordnung von Charaktereigenschaften in eine Schublade, die diese zusammenfasst, für wenig sinnvoll.
Auch die Schublade Borderline (ohne Störung) halte ich für sinnlos... Schon allein deshalb, weil die dort eingeordneten Persönlichkeitseigenschaften auch in viele andere Schubladen passen würden.
Ein Zwang ist aber eine recht konkrete Sache, beschreibt nicht eine Persönlichkeit, sondern eine einzelne Eigenschaft.
Und die ist nicht angenehm, auf keinen Fall mit Gewissenhaftigkeit zu verwechseln. Wie soll ich also damit verfahren?
Soll ich den Zwang nehmen, wie er ist? Mit allen Nachteilen, die das bringt? Oder daran arbeiten?

Zitat:

Nicht? Und warum reden wir hier über Diagnostik nach Art der WHO-Welteinheitsreligion?


Weil die Bahnmanagerin solche Diagnosen ansprach. Wenn die dann merken würde, was ein Zwang ist, würde sie den Eingestellten in der Probezeit wieder vor die Tür setzen. Wenn man zwanghaft 20 oder 30 mal dasselbe Konto überprüft, weil man sich nicht sicher ist, ob man etwas gebucht hat oder nicht, dann wird ihr das nicht viel nutzen. Da bleibt die Arbeit liegen.
Und so etwas weitet sich eben aus. Arbeitet man nicht daran, wird man bald schon deshalb nochmal nachsehen, weil man sich nicht sicher ist, ob man beim letzten Nachsehen unwissentlich etwas gebucht hat. Das ist ein Teufelskreis...


Geschrieben von: Fundevogel am: 23.12.14, 01:21:36
@drvaust:
Im Leistungssport und in der Schmerzbetrachtung tritt ganz deutlich zu Tage, dass die mentale Einstellung von enormer Bedeutung für die eigene positive BeFindlichkeit und Leistungsfähigkeit ist.

Es geht mir nicht darum, ein Leiden nicht anerkennen zu wollen. Ich denke aber, dass Leiden nicht zu platt diskutiert werden sollte, wenn es genügend Nachweise gibt, dass die Selbstmotivation bei sehr vielen Leidensformen zum gesunden Kern des Menschen zurückführen kann.
Man darf nicht unterschätzen, dass viele Menschen zum Arzt gehen, weil er der einzige Zuhörer ist, den sie haben. Aber dann muss man Einsamkeit auch losgelöst von der eigenen Befindlichkeit sehen können.

Weiterhin darf man nicht außer Acht lassen, dass es Menschen gibt, die sich furchtbar jammernd im Leiden dennoch wohl fühlen, sich spüren und auch Streicheleinheiten bekommen, die sie sonst nicht erhalten würden. Im Leiden lässt sich das Leben sehr intensiv fühlen, vielleicht mehr als im Glück, weil es so flüchtig ist und das Leiden so schwer und bleibend?


Geschrieben von: 55555 am: 23.12.14, 19:45:09
Zitat von Tarantula:
Bei vielen Problemen kann Therapie, wie ich finde, aber sinnvoll sein.

Wäre es zugunsten einer Versachlichung eventuell möglich, wenn du medizinische Begriffe generell vermeidest und klarer schreibst, was du meinst. Diese medizinischen Begriffe sind ja oft ziemlich inhaltsleer (hier "Therapie").
Zitat:
Nun ist es aber in unserer Gesellschaft so, dass eine Persönlichkeitseigenschaft, die in der Schule und am Arbeitsplatz zu Problemen führt, mit Arbeitslosigkeit quittiert wird, weniger Bildungschancen, etc.

Ja, aber hier geht es nicht darum, sondern um Diversity Management (das im Bahnbeispiel mindestens auf sprachlicher Ebene verunglückt ist - wobei ich mir selbst da nicht einmal sicher bin, ob es an der Stelle so der beste Weg war, auch wenn man gesellschaftlich dringend zu mehr Zivilisiertheit gelangen sollte im Umgang mit Minderheiten).
Zitat:
Gewissenhaft kann ich überall sein, ein Zwang sucht sich sein Thema selbst und ist nicht steuerbar.

Ich hatte bereits erwähnt, daß ich davon ausgehe, daß diese Managerin ein Verständnis von Zwang voraussetzte, das häufig vorzufinden ist, aber keinen Zwang im eigentlichen Sinne meint. eben soetwas wie wenn das Verhalten von Autisten als zwanghaft beschrieben wird, einfach weil es anders ist, obwohl der Autist es nicht schlecht findet und es auch nicht ändern wollen würde.
Zitat:
Ich wäre ehrlich gesagt froh gewesen, wenn ich schon als Kind erfahren hätte, warum ich anders bin und Probleme habe.

Bezüglich "Zwang"? Allgemein stellen sich Menschen immer gerne vor, wie etwas anders hätte laufen können und vergessen dabei die Nachteile in Erfahrung zu bringen, die Personen mit anderer Biographie schildern. Das hat dann oft eher etwas mit Hoffnungen und Wünschen zu tun als mit der Realität.
Zitat:
Warum ich ständig burnoutmäßig zusammenklappe, habe ich nie gewusst.

Tja, das wird auch vielen Autisten in einem angehörigendominierten Umfeld nicht vermittelt, die früh diagnostiziert werden, sofern es denn hier um Autismus geht und nicht um Zwang.
Zitat:
Mir ist klar, dass das, was als psychische Störung betitelt wird, in der Regel kulturell bedingte Auffälligkeiten der Persönlichkeit sind.

Gut.
Zitat:
Folge ich jetzt aber deiner Argumentation, nenne meinen Zwang eine Persönlichkeitseigenschaft

Vielleicht eher die Neigung dazu?
Zitat:
betitele mich als leidensunfähig und lebensverneinend

Worauf beziehst du das?
Zitat:
Ich werde weiter anecken, ob ich es nun krank nenne oder nicht.

Also ist das Anecken das was dir dabei selbst am unangenehmsten scheint?
Zitat:
Wenn ich aber nicht daran arbeite, grenze ich mich selbst aus, statt es von anderen machen zu lassen.

Eine wie ich finde sehr bedenkliche Einstellung, wenn das Anecken nach deiner Analyse dein Hauptproblem ist.
Zitat:
Man kann nicht vor allem, was einem nicht ins Konzept passt, die Augen verschließen und so tun, als wäre es nicht vorhanden.

Tue ich nicht, ich hätte das worum es geht nur gerne so formuliert, daß ich es verstehe.
Zitat:
Also halte ich mich ab jetzt für gesund,

Hier geht es vor allem um gesellschaftliche Dominierung, also z.B. die "Rücksichtnahme" wenn jemand aufgrund einer Eigenschaft entgegen seines eigenen Wunsches eine Anstellung nicht erhält.

Wie wäre es denn auf diese "krank" und "gesund"-Begrifflichkeit komplett zu verzichten und sachlich zu beschreiben, wo man Probleme sieht?
Zitat:
Ich verbanne nicht alle Seile, weil Menschen gehängt wurden.

Welchen Nutzen hat denn ein Krankheitsbegriff, der kulturell willkürlich festgelegt wird? Ginge doch besser ohne die damit verbundene Verdummung durch irreales Schwarz-Weiß-Denken?
Zitat:
Was soll also jemand tun, der die Eigenschaft hat, zwanghaft Stecker, Kabel, Geräte zu kontrollieren und deshalb aneckt?

Erstmal würde ich klären, ob tatsächlich ein Zwang vorliegt. Dazu müßte man die Hintergründe kennen. Pauschal schlecht kann ich das nicht finden, wenn sich jemand oft diese Dinge anschaut. Wenn andere Leute sich daran stören, dann liegt das Problem bei diesen Leuten.
Zitat:
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es keinen typischen Autisten gibt. Darum halte ich die Einordnung von Charaktereigenschaften in eine Schublade, die diese zusammenfasst, für wenig sinnvoll.

Als ob eine Charakterisierung in irgendeinem Bereich bedeuten würde, daß alle diese Menschen/Dinge/Sachverhalte in jeder Hinsicht gleich wären.
Zitat:
Wenn man zwanghaft 20 oder 30 mal dasselbe Konto überprüft, weil man sich nicht sicher ist, ob man etwas gebucht hat oder nicht, dann wird ihr das nicht viel nutzen. Da bleibt die Arbeit liegen.

Ja, ist aber nicht neu in dieser Diskussion.


Geschrieben von: Tarantula am: 23.12.14, 22:09:12
Ich stelle fest, dass du dich wieder vor der Beantwortung einer Frage drückst...
Was soll man mit dem beschriebenen Zwang tun, wenn er Leiden verursacht?
Dass man daran leidet bestreitest du, dass es gesellschaftlich zu Problemen führt siehst du darum als einziges Problem, und sagst dann, dass du es für bedenklich hältst, wenn das das einzige Problem ist.
Beantworte doch einfach die Fragen, vor denen du dich drückst. Du leugnest schlicht, dass das Problem existiert und nennst mich nicht leidensfähig, lebensverneinend... Fundevogel ist gar der Ansicht, ich sei ein Simulant... Ist das auch deine Meinung? Du weißt nichts über Zwänge und erklärst sie für nicht existent oder wenigstens nicht weiter erwähnenswert.
Warum das Gejammer um die barrierefreie Kommunikation?

- Was soll ein Mensch mit einem solchen Zwang dagegen tun?
Wenn du den Zwang nicht grundsätzlich schlecht findest, dann empfehle ich dir, mit einigen Zwangspatienten zu reden.
Wohl wirst du trotzdem der Meinung bleiben, die seien schlicht nicht leidensfähig. Ich kann dir versichern, gegen das, was man mit einem solchen Zwang fühlt, wirkt das Thema barrierefreie Kommunikation wie mimöschenhaftes Gejammer der Prinzessin auf der Erbse... Dass du den Zwang nicht schlecht findest, das finde ich erschreckend...

- Warum wertest du das 'Leid' eines Autisten, der im Gespräch überrumpelt wird, höher als das Leid eines Zwangspatienten, der keine Kontrolle über sein Verhalten hat?

Willst du dich jetzt wieder mit der unsinnigen Aussage vor der Antwort drücken, du könntest nicht verstehen was gemeint ist?
Ich finde das was du schreibst zuweilen menschenverachtend...


Geschrieben von: 55555 am: 23.12.14, 22:20:35
Zitat von Tarantula:
Ich stelle fest, dass du dich wieder vor der Beantwortung einer Frage drückst...
Was soll man mit dem beschriebenen Zwang tun, wenn er Leiden verursacht?

Ich habe hier schon mehrfach beantwortet, daß ich gerade eben ablehne, daß da eine Antwort gefunden soll, die nicht jeder für sich findet. Problematisch fände ich dann trotzdem, wenn jemand auf diskriminierenden gesellschaftlichen Druck hin die Ursache dafür fälschlich bei seiner jeweiligen Einschaft sieht, die als Anlaß für die Diskriminierungen fungiert.
Zitat:
Dass man daran leidet bestreitest du,

Wo?
Zitat:
Du leugnest schlicht, dass das Problem existiert

Wo?
Zitat:
und nennst mich nicht leidensfähig, lebensverneinend

Was versprichst du dir davon soetwas aus dem Zusammenhang zu reißen?
Zitat:
Fundevogel ist gar der Ansicht, ich sei ein Simulant

So?