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Thema: Wem dient die Medizin? (http://autismus.ra.unen.de.auties.net/topic.php?id=6664)


Geschrieben von: Fundevogel am: 17.07.14, 00:35:39
Es ist hier zur Diskussion eingeladen worden und ich hatte Fragen gestellt und Beispiele aufgeführt, anhand derer die Interessenkonflikte hüben wie drüben darstellt werden sollten.

Nehmen wir ein simples Beispiel: Ein Patient benötigt bestimmte Medikamente. Der Hausarzt sagt ihm, dass er sie nicht verschreiben kann, weil sie sein Budget sprengen. Also muss der Patient zum Facharzt fahren, um sich das Rezept von diesem ausstellen zu lassen, weil dieser über ein höheres Budget verfügt. Vorher muss er aber zum Hausarzt fahren, um sich eine Überweisung abzuholen, ohne die vom Facharzt ein Rezept über verschreibungspflichtige Medikamente nicht erhalten kann.
Der Patient benötigt einen ganzen Morgen, um sich die Medikamente zu besorgen, die er regelmäßig einnimmt.
Beide Ärzte wissen um dieses für den Patienten sehr anstrengende Verfahren, was in diesem unserem Lande kranken Menschen zugemutet wird. Nicht jeder Patient hat jemanden, der für ihn hin und her fährt. Der Patient muss also ein gesundheitsschädigendes Verfahren wählen, weil Ärzte sich in ein Verfahren fügen, von dem sie genau wissen, dass es nicht gesund für den Patienten ist.

Habt ihr mal versucht euren Arzt zu bewegen, euch ein solches Verfahren zu ersparen und zwischenärztlich auf dem Postweg miteinander zu korrespondieren?
Ich habe es und wurde von der Sprechstundenhilfe angeraunzt, dass das nicht bezahlt würde. Heißt für mich, ich erhalte nur angemessene ärztliche Behandlung, solange die Krankenkasse bezahlt, eine klare Entscheidung gegen meine Gesundheit und für den Apparat.

Und ja, es gibt hier einen Arzt der in der Zeitung in einem redaktionellen Beitrag veröffentlichte, dass er sich Zeit nehmen würde für seine Patienten und mit einem durchschnittlichen Gehalt zufrieden sei. Der ist in der Presse von Kollegen unziemlich verrissen worden.


Geschrieben von: drvaust am: 17.07.14, 07:26:15
55555, mir ist immer noch nicht klar, um was es Dir geht.
Du scheinst Ärzte grundsätzlich für selbstherrliche Täter zu halten. Ich sehe Ärzte als Dienstleister, für Patienten oder andere Auftraggeber (z.B. MDK-Gutachter).

Was ist unter 'Medizin' zu verstehen? Das Gesundheitswesen ganz allgemein, von Gesundheitspolitik bis individueller Behandlung? Die medizinischen Institutionen, von Behandlungsstätten über Krankenkassen bis medizinischer Forschung? Die spezielle Behandlung der Patienten? ...

Zitat von 55555:
Auch Organisationen wie die Hisbollah engagieren sich zweifellos im sozialen Bereich: ...
auch Neonazis versuchen sich teils regional vor Ort als Kümmerer ...
Volksnahe Organisationen kümmern sich auch um soziale Belange des Volkes.

Zitat von 55555:
Wem dient die Medizin als weltweite Religion wirklich?
Wie meinst Du das mit 'weltweite Religion'? Viele Menschen vergöttern die Ärzte, weil sie sich von denen die ersehnte Hilfe erhoffen. Aber als Religion sehe ich das nicht.
Grundsätzlich geht es um die Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, also Schäden. Wobei einige sogenannte Krankheiten an der Grenze zu Gesundheit oder Fantasie sind.

Der Eid des Hippokrates war eine Sozialversicherung für den Lehrer, der Arzt (Schüler) verpflichtete sich, seinen Lehrer und dessen Familie zu unterstützen.
Außerdem war das eine Erklärung, die ethischen Grundsätze (der damaligen Zeit) zu beachten.

Zitat von 55555:
... Medizin ... Ihr sektiererischer Gestus gegen moderne wissenschaftliche Erkenntnisse von gesellschaftlichen Wirkzusammenhängen ist einfach zu präsent.
Das sehe ich nicht so.
Was meinst Du mit "gesellschaftlichen Wirkzusammenhängen"?

Zitat von 55555:
Sollte ein Arzt diesem Mann vorschreiben dürfen, was er an sich geändert haben will?
Sollten Ärzte reine Handwerker sein, die schlichtweg Aufträge ausführen?
Oder wie in diesem Fall offenbar nach ihrem Selbstverständnis Herren nach eigenen Riten?
Wie sollte eine Gesellschaft die Frage lösen, was Menschen an ihrem Körper verändern dürfen?
Welcher Wille ist gesund? ...
Das sind wirklich schwierige Fragen, die verschieden gesehen werden.
Ich meine, ein Arzt hat grundsätzlich den Willen des Patienten zu beachten. Es geht um den Patienten, also entscheidet grundsätzlich der Patient. Aber man kann von einem Arzt auch nicht verlangen, daß er gegen seine ethischen und moralischen Grundsätze handelt. Dann hat der Arzt die Behandlung abzulehnen, statt gegen den Willen des Patienten zu handeln.
Die Gesellschaft hat auch eine Aufsichtspflicht, um schlimme Verletzungen und Entartungen zu verhindern. Das könnte sich auch gegen Patienten richten, wenn diese nicht richtig entscheidungsfähig sind. Aber das ist immer an der Grenze zu Menschenrechtsverletzungen. Z.B. ein Geistesgestörter, der vom Turm fliegen will, sollte besser eingesperrt werden. Aber ein scheinbar Verrückter, der ganz ungewöhnlich leben will, sollte man den so leben lassen oder zur Normalität zwingen? Wo ist die Grenze?

Zitat von Fundevogel:
... Wenn der Tod des Patienten befürchtet werden müsse, sei das Verursachen schwerer Schmerzen, um ihn am Leben zu erhalten, das kleinere Übel.
Da ist das ethische Problem, wie das Leben zu bewerten ist. Sollte der Patient unbedingt am Leben erhalten werden, oder ist ein schmerzarmes, aber früheres, Sterben humaner?
Im Zweifelsfall berufen sich viele Ärzte auf den ethischen Grundsatz, das Leben möglichst zu erhalten.

Zitat von Fundevogel:
... Ein ... Notar, der die geistige Wachheit bescheinigen sollte, erkundigte sich lediglich bei den Ärzten nach dem Stand der Dinge und begab sich nicht an das Krankenbett des Patienten. Nach Aussage des Notars war seine Handlungsweise legitim.
Das halte ich für eine Pflichtverletzung des Notars. Ich hatte selber erlebt, wie mir geistige Gesundheit (Testierfähigkeit) notariell bescheinigt wurde, da erfolgte eine gründliche Befragung.

Zitat von Fundevogel:
... Nehmen wir ein simples Beispiel: ... Der Patient muss also ein gesundheitsschädigendes Verfahren wählen, weil Ärzte sich in ein Verfahren fügen, von dem sie genau wissen, dass es nicht gesund für den Patienten ist. ... nur angemessene ärztliche Behandlung, solange die Krankenkasse bezahlt, eine klare Entscheidung gegen meine Gesundheit und für den Apparat.
Für die Ärzte ist das nicht so einfach. Die Ärzte bekommen von den Krankenkassen umfangreiche Vorschriften und Tarife aufgezwungen. Wenn sie sich nicht daran halten, werden sie nicht bezahlt und verlieren evtl. ihre kassenärztliche Zulassung, was eine Existenzfrage ist. Die Ärzte können zwar etwas tricksen, z.B. mit falschen Diagnosen und Abrechnungen, aber nur begrenzt und das ist riskant.
Früher hatten Ärzte vieles telefonisch klären können (z.B. "nichts gefunden" oder "Befund bestätigt"), jetzt muß ein ausführlicher Bericht geschrieben werden, der manchmal kontrolliert wird.


Geschrieben von: Fundevogel am: 17.07.14, 12:10:17
Und wer geht als "Sieger" aus diesem Interessenkonflikt hervor: Existenzfrage Arzt gegen Existenzfrage Patient?

Sinngemäße Antwort der Staatsanwaltschaft auf eine Anzeige einer behinderten Patientin gegen einen Arzt wegen Körperverletzung/Missbrauch gegen ausdrücklichen Patientenwillen: Der Arzt könne sich nicht erinnern, die Zeugin als Begleiterin sei als parteiisch zu beurteilen und es bestehe kein öffentliches Interesse an der Klärung der Angelegenheit.
Ein Versöhnungstermin sei das mögliche Rechtmittel.

Eine Anfrage bei einem Oberstaatsanwalt zu diesem Fall mündete in der Empfehlung aufzugeben, weil das Ansinnen der Patientin chancenlos sei, weil von Ärzten im allgemeinen angenommen werde, dass sie Gutes täten.

In welchem anderen Beruf gibt es einen solchen Freibrief? Ist das ein "Persilschein"?

www.bundesaerztekammer.de/downloads/Genf.pdf


Geschrieben von: 55555 am: 17.07.14, 14:00:24
Ich versuche erstmal möglichst zu vereinfachen, damit wir Diskussionsgrundlagen klären können:
Zitat von drvaust:
Du scheinst Ärzte grundsätzlich für selbstherrliche Täter zu halten.

Ich denke diese Herangehensweise ist zu einfach. Akteure innerhalb eines fragwürdigen Systems sind nicht alle böse als Einzelpersonen. Aber sie tragen es, ohne sie könnte dieses System nicht fortbestehen.
Zitat:
Was ist unter 'Medizin' zu verstehen? Das Gesundheitswesen ganz allgemein, von Gesundheitspolitik bis individueller Behandlung? Die medizinischen Institutionen, von Behandlungsstätten über Krankenkassen bis medizinischer Forschung? Die spezielle Behandlung der Patienten? ...

Das ist eine erstmal wesentliche Frage. Ich meine hier die Disziplin "Medizin" als ein Glaubenssystem, das z.B. ganz grundlegend davon auszugehen scheint, daß die Wahrheit nur intern gefunden wird, an denen sich die eigenen Akteure orientieren sollen. Die dienen nicht den Menschen, auch wenn es denen oft so vorkommt, in Wirklichkeit dient die Medizin sich in gemeingefährlicher selbst, so meine These. Und das betrifft die Medizin im Kern, nicht nur irgendwelche Randerscheinungen, in denen sie vielleicht ungünstige Entwicklungen zeigt.
Zitat:
Grundsätzlich geht es um die Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, also Schäden. Wobei einige sogenannte Krankheiten an der Grenze zu Gesundheit oder Fantasie sind.

Aha.
Zitat:
Was meinst Du mit "gesellschaftlichen Wirkzusammenhängen"?

Während die Medizin grundsätzlich darauf abzielt den Menschen zu modifizieren, ignoriert sie gewohnheitsmäßig, daß das vermeintliche Leiden, das sie zu erkennen glaubt eben nicht selten erst durch gesellschaftliche Diskriminierung entsteht.
Zitat:
Ich meine, ein Arzt hat grundsätzlich den Willen des Patienten zu beachten. Es geht um den Patienten, also entscheidet grundsätzlich der Patient. Aber man kann von einem Arzt auch nicht verlangen, daß er gegen seine ethischen und moralischen Grundsätze handelt. Dann hat der Arzt die Behandlung abzulehnen, statt gegen den Willen des Patienten zu handeln.

Und was, wenn die "ethischen Grundsätze" in religiöser Weise von den meisten Ärzten vertreten werden? Wenn der Staat sie sich sogar als vermeintlichen Stand der Dinge zu eigen macht? Wieso akzeptiert die Gesellschaft, daß sie von einer Religion derart gegängelt wird?
Zitat:
Die Gesellschaft hat auch eine Aufsichtspflicht, um schlimme Verletzungen und Entartungen zu verhindern. Das könnte sich auch gegen Patienten richten, wenn diese nicht richtig entscheidungsfähig sind. Aber das ist immer an der Grenze zu Menschenrechtsverletzungen. Z.B. ein Geistesgestörter, der vom Turm fliegen will, sollte besser eingesperrt werden. Aber ein scheinbar Verrückter, der ganz ungewöhnlich leben will, sollte man den so leben lassen oder zur Normalität zwingen? Wo ist die Grenze?

Vor allem: Wer darf das entscheiden? Anhänger einer Pseudowissenschaft? Darf man Menschen auf dieser Grundlage bevormunden?


Geschrieben von: Fundevogel am: 17.07.14, 23:05:32
Auch wenn die Über- oder Bezeichnung "Götter in Weiß" eine gewisse Abgehobenheit von den "Sterblichen" vermitteln könnte, so bereitet mir der Vergleich mit Religion etwas Unbehagen.

Andererseits könnte man sich mit dem Gedanken anfreunden, dass das "Drunter und Drüber" in der Götterwelt in eine Erzähltradition eingebunden wurde, die so alt wie die (der) Medizin ist, das "bunte Miteinander hoch in den Wolken" also auch umwölkte medizinische Tradition sein kann? ;-)

Ich würde die Medizin eher mit Weltanschauung oder besser Weltbild bezeichnen.


Geschrieben von: drvaust am: 18.07.14, 06:51:17
Ich halte die Ärzte nicht für Halbgötter. Ich hatte schon mehrere Auseinandersetzungen, weil Ärzte über mich bestimmen wollten und sich nicht an meine Anweisungen hielten oder mich nicht fragten.
Bestimmte Gebiete der Medizin, besonders Psychiatrie und klinische Psychologie, sind schwer fassbar und können mißbraucht werden. Die herausgehobene Stellung vieler Ärzte könnte zu einer 'Selbsterhebung' führen. In der Medizin gibt es viele Schwachstellen und Fehler, wie überall.
Aber als Religion oder Pseudowissenschaft sehe ich die Medizin nicht. Für mich ist die Medizin in erster Linie ein 'Reparaturbetrieb', und die meisten Ärzte wollen helfen.

Zitat von Fundevogel:
... In welchem anderen Beruf gibt es einen solchen Freibrief?
. Richter - Die Richter treten als Halbgötter in Schwarz (oder Rot) auf.


Geschrieben von: 55555 am: 18.07.14, 14:28:32
Richter vertreten ja auch direkt staatliche Gewalt und sind befugt in gewissem Rahmen auszulegen.

Ansonsten wundere ich mich, daß auf die Kernfrage soweit ich sehe nicht eingegangen wird: "Wer soll entscheiden dürfen, wie Menschen verändert werden."

Ich habe auch eine ganze Zeit lang eher die Position vertreten, daß einige Bereiche der Medizin problematisch sind und zurückgestutzt werden müßten. Inzwischen bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß die ganze Medizin ein Kern des Problems ist, das vermutlich die größte kulturelle Herausforderung der Menschheit in den nächsten Jahrhunderten darstellen dürfte (sofern es sie noch so lange in dieser Form gibt).


Geschrieben von: Fundevogel am: 18.07.14, 18:59:41
Wie in den Beiträgen erkennbar, diskutieren wir das schon nicht mehr sondern

registrieren, stellen nicht mehr in Frage oder wirken dabei mit, dass Menschen darüber entscheiden, ob und wie Menschen verändert werden.
Ob Einzelentscheidungen (durch Patientenverfügungen oder gerichtliche Betreuuungen ermöglicht) oder Gremienentscheidungen (Ethikkommissionen, Kammern, Krankenhausleitungen etc.), stillschweigend oder in Diskussion herbeigeführt: Wir nehmen vielfach menschliche Entscheidungen hin ...ähnlich dem Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird?!

Nicht zu unterschätzen ist die Verführung, die in solchen Prozessen liegt. Ein gesunder Mensch kann eher abständig bleiben bei der Betrachtung menschlicher Handlungen, ein kranker Mensch autorisiert oft nach der Devise: "Egal, was mit mir angestellt wird, Hauptsache ich überlebe und es geht mir besser als jetzt."

Über Leben und Tod entscheiden zu dürfen und zu können, verändert Menschen...es kann ihre teuflichen Veranlagungen zum Tragen kommen lassen und es kann Ihr Ego in die Höhe wachsen lassen...bis etwa in die Höhe des Turms zu Babel.


Geschrieben von: drvaust am: 19.07.14, 09:27:26
Zitat von 55555:
Richter ... sind befugt in gewissem Rahmen auszulegen.
Aber manchmal ist die Auslegung, besonders der Fakten und Zeugen-/Gutachter-Aussagen, eigenartig.

Zitat von 55555:
"Wer soll entscheiden dürfen, wie Menschen verändert werden."
Das ist eine schwierige Frage.
Ich bin grundsätzlich der Meinung, das soll jeder Mensch für sich selber entscheiden.
Aber was ist mit Menschen, die evtl. nicht selber entscheiden können? Z.B. Kinder und Geistesgestörte, und wer gehört zu diesen Gruppen, wer entscheidet das? Sind Patienten in Ausnahmesituationen (z.B. Unfall und plötzliche Komplikationen) voll entscheidungsfähig?
Wenn jemand mehr Leistungen bringen will, und deshalb seinen Körper optimieren will (z.B. für 'Sport'), ist das zulässig? Vielleicht wird es üblich, die Leistungsfähigkeit medizinisch zu erhöhen. Es gibt schon einige Möglichkeiten, die zur 'Verbesserung' natürliche Anlagen beschädigen (z.B. Cochleaimplantat). Ist das akzeptabel?
Darf die Gesellschaft darüber entscheiden, evtl. auch gegen den Betroffenen?
Ich hörte z.B. von Anweisungen in Krankenhäusern, das Patientenverfügungen, die unter bestimmten Bedingungen Lebenserhaltung ablehnen, als ungültig zu betrachten sind.


Geschrieben von: 55555 am: 19.07.14, 13:03:26
Frage ich mal anders: Wie sollte das in einer idealen Gesellschaft organisiert sein? Im heutigen System ist die Medizin im Grunde soetwas wie eine internationale überstaatliche Gewalt neben staatlichen Gewalten. Als solche kann sie natürlich auch als Korrektiv wirken, wenn ein Staat "verwerfliche" Pläne hat. Ein weiteres Beispiel:
Zitat:
Eunuchen waren zugleich beliebte, weil ungefährliche Sexobjekte für die Frauen Roms. Ihr Preis war auch deshalb hoch, weil eine Kastration sehr riskant war. Obwohl sie von Ärzten vorgenommen wurde, starben die „Patienten“ häufig an Infektionen.

[...]

Ein Sklave war im Römischen Reich so etwas Ähnliches wie heute ein Smartphone oder Tablet-Computer. So versuche ich jedenfalls, meinen Studenten in Berkeley eine Vorstellung von den Verhältnissen zu geben. Man kann ein iPhone kaufen oder verkaufen. Aber zu diesem Objekt haben heute viele Leute eine emotionale, ja erotische Beziehung. Viele meiner Studenten streicheln es wohl öfter als ihren Partner. Sie sind traurig und auch etwas hilflos, wenn es kaputtgeht. Aber natürlich handelt es sich nicht um Subjekte, sondern um Dinge. So war es bei den römischen Sklaven auch: Sie galten als ein „instrumentum vocale“, ein „Objekt mit einer Stimme“.

Quelle

Andererseits kann sie das im Zweifel eh nicht sonderlich durchsetzen. Dafür kann sie als eigene Gewalt selbst zum Problem werden, da sie letztlich doch nur ein religiöses System ist, das bestimmte kulturelle Vorstellungen oft ziemlich oberflächlich aufgreift. Der Begriff "Weltanschauung" reicht mir nicht, dazu durchdringt die Medizin zu sehr Detailfragen, dafür passt sie sich zu sehr der jeweiligen Zeit und den in ihr üblichen Diskriminierungen an.

Ich würde sagen, daß ein supernationales Korrektiv Sinn machen kann, daß es aber zwingend und effektiv auf strikte Diskriminierungsfreiheit verpflichtet werden müßte. Soweit ich sehe wäre das dann allerdings etwas anderes als es die Medizin jemals war.


Geschrieben von: 55555 am: 22.07.14, 11:34:46
Zitat:
Nun haben Eugenio Proto und Andrew Oswald von der University of Warwick im Vereinten Königreich einen Zusammenhang zwischen typisch dänischen Genen und der Lebenszufriedenheit unterschiedlicher Volksgruppen entdeckt. Er könnte erklären, warum die Dänen so überaus optimistisch und die Deutschen so nörgelig sind.

Proto und Oswald verglichen Studien aus gut 130 Ländern zur Zufriedenheit mit genetischen Informationen aus den jeweiligen Staaten. Je ähnlicher eine Nation den Dänen genetisch war, desto höher schätzten Befragte ihre Lebensqualität ein. Um sicher zu gehen, dass nicht andere Faktoren ausschlaggebend für die große Zufriedenheit waren, rechneten die Forscher beispielsweise Unterschiede im Einkommen oder der Religion heraus.

[...]

Einen wichtigen Teil der genetischen Unterschiede könnte eine Mutation ausmachen, die vermutlich bei der Entstehung von Depressionen wichtig ist, zeigte ein zweiter Vergleich unter 30 Nationen. Das von der Mutation betroffene Gen steuert die Aufnahme des Glückshormons Serotonin in den Hirnzellen. Ist es verändert, verleitet das die betroffenen der Theorie nach eher zum Trübsal blasen.

"Die Dänen haben den höchsten Zufriedenheitsgrad und gleichzeitig den geringsten Anteil der Mutation in der Bevölkerung", schreiben Proto und Oswald. Auch in den Niederlanden, wo die Menschen ebenfalls sehr zufrieden sind, ist die Genveränderung selten. Die Deutschen liegen im Mittelfeld: Sie sind mittelmäßig zufrieden und auch die Genmutation kommt durchschnittlich häufig vor. Bei den noch mürrischeren Italienern war die Mutation in der Untersuchung am häufigsten.

Ebenfalls für dänische Glücksgene spricht die dritte Beobachtung der Forscher: Sie zeigt, dass Amerikaner mit dänischen Vorfahren, besonders zufrieden sind.

Quelle


Edit:

Und noch etwas zu Randbereichen der WHO-Problematik, um die es hier geht:
Zitat:
So hat im vergangenen Januar ein amerikanisches Wissenschaftlerteam diejenigen WHO-Richtlinien untersucht, die mit dem sogenannten Grade-System erstellt worden sind. Das stammt aus der evidenzbasierten Medizin und soll Empfehlungen wissenschaftlich untermauern. Die Arbeitsgruppe um Paul Alexander, Epidemiologe an der McMaster University in Ontario, hat 436 Empfehlungen aus 36 Richtlinien auf ihre Glaubwürdigkeit abgeklopft.

Das Ergebnis: Zwei Drittel davon waren sogenannte starke Empfehlungen, die also vom Anwender keine weiteren Überlegungen abverlangen. Doch nur jede Zweite davon ließ sich dann auch auf eine gute Beweislage stützen.

Quelle

Evidenz hin oder her: Hier geht es wieder um Zielfestlegungen für Modifizierungen an Menschen, die diese Medizinreligion zentral für nötig erklärt und dann diese unwissenschaftlichen Dogmen wissenschaftlich beforscht. Dieses viel gravierendere Problem wird im Artikel leider nicht wirklich thematisiert.


Geschrieben von: 55555 am: 05.08.14, 19:01:18
Zitat:
Noch heute ist der 27-Jährige schmal und blass. Seit seiner Geburt leidet er an der schweren und unheilbaren Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose. Als er zwölf Jahre alt ist, zieht seine Mutter mit ihren drei Kindern zu ihrem neuen Lebenspartner ins mittelfränkische Lonnerstadt. Der nennt sich "Lehrer der zeitlosen Weisheit". Das Paar liebt die Esoterik und glaubt an Wiedergeburt. Von heute auf morgen überlässt die Mutter es ihrem Kind selbst, ob es die dringend nötigen Medikamente nimmt und regelmäßig zum Arzt geht. Ihr Freund sagt dem Jungen sogar, durch Meditation könne die Krankheit geheilt werden.

Zehn Jahre nach diesem Martyrium, im November 2012, stellt der Junge Strafanzeige gegen seine Mutter und ihren Lebenspartner. Auslöser war eine WDR-Dokumentation, die den vermeintlichen "Sektenguru" und seine Anhänger porträtierte. Nun verurteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth die 49-jährige Mutter und ihren 55 Jahre alten Freund zu drei Jahren Haft - wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen.

Der Vorsitzende Richter Ulrich Flechtner warf den Angeklagten ein "Komplettversagen bei der Erziehung" vor. Man könne es einem Kind nicht freistellen, ob es zu einer lebensnotwendigen Behandlung gehe. Kein Kind möge Spritzen oder gar Schlimmeres. "Ein minderjähriges Kind muss dazu gebracht werden - zur Not mit Einschaltung der Behörden", sagte Flechtner.

Quelle