Community zur Selbsthilfe und Diskussionsforum für alle weiteren Fragen des Lebens. Fettnapffreie Zone mit demokratisch legitimierten Moderationsregeln.
Von Autisten lernen heisst lieben lernen. Ehrlich, nüchtern, authentisch, verrufen, fair, sachorientiert: autistisch.
- Für neue Besucher und Forennutzer gibt es [hier] eine Anleitung inkl. Forenregeln. -

Tipp: Wenn https bei der Forennutzung Probleme macht: autismus-ra.unen.de; wenn https gewünscht wird: autismus.ra.unen.de
 
Autor Nachricht
55555
(Fettnäpfchendetektor)

geändert von: 55555 - 23.02.13, 20:46:36

Solche Theorien kommen mir manchmal etwas seltsam vor, wenn sie Entwicklungen zu konstruieren scheinen, wo es immer schon eine Vielfalt von Wirkmechanismen gab.

Aber trotzdem wohl mal lohnenswert sich damit auseinanderzusetzen.
Zitat:
Der Begriff Bio-Macht, (französisch: le biopouvoir), geht auf Michel Foucault zurück und bezeichnet Machttechniken (zunehmend auch Biopolitik genannt), die "nicht auf den Einzelnen, sondern auf die gesamte Bevölkerung zielen"[1], insbesondere auf die Regulierung ihrer Fortpflanzung, die Geburten- und Sterblichkeitsrate, das Gesundheitsniveau, die Wohnverhältnisse, u.a.. Das Ziel der Bio-Macht bei Foucault ist die Regulierung der Bevölkerung. "Bevölkerung ist eine Gruppe, die nicht einfach nur aus vielen Menschen besteht, sondern aus Menschen, die von biologischen Prozessen und Gesetzen durchdrungen, beherrscht und gelenkt sind. Eine Bevölkerung hat eine Geburtenrate, eine Alterskurve (...), einen Gesundheitszustand."[1]

Giorgio Agamben, der die Analyse von Foucault fortschreiben will, versteht die Bio-Macht als Herrschaft des Souveräns über das „nackte Leben“. Das Leben selbst steht bei der Macht auf dem Spiel. Während Foucault Biomacht als einen alltäglichen Zustand analysiert, wählt Agamben die Sichtweise des Ausnahmezustandes.

Entwicklung des Begriffs

Foucault entwickelte den Begriff Bio-Macht in seinem Buch Der Wille zum Wissen (1977), um damit eine neue Art von Machtmechanismus zu beschreiben, der sich im 18. Jahrhundert[1] entwickelte: Während sich die Macht vorher über den Tod herleitete, entwickelt sich nun eine Macht, deren zentraler Fokus das Leben ist: „Man könnte sagen, das alte Recht [des Souveräns, d.V.], sterben zu machen oder leben zu lassen, wurde abgelöst von einer Macht, leben zu machen oder in den Tod zu stoßen.“[2] - "Bis dahin gab es nur Untertanen, nur Rechtssubjekte (...). Nun gibt es Körper und Bevölkerungen."[1]

Einer von zwei Machttypen

Die neue Macht ist um zwei Pole organisiert: Einerseits richtet sie sich auf den individuellen Körper, auf seine Zurichtung vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Zustände, die Steigerung seiner Nützlichkeit und die Ausnutzung seiner Kräfte - die sogenannte anatomische Macht[1] Zum anderen auf den „Gattungskörper“, die Regulierung der Bevölkerung - Bio-Macht.

Funktionsprinzipien

Dieser neuen „Lebensmacht“ liegen auch neue Funktionsprinzipien zugrunde: „Diese Macht ist dazu bestimmt, Kräfte hervorzubringen, wachsen (zu) lassen und zu ordnen, anstatt sie zu hemmen, zu beugen oder zu vernichten.“[3] und um "die Bevölkerung als Produktionsmaschine zur Erzeugung von Reichtum, Gütern und weiteren Individuen [zu] nutzen."[1].

Für Foucault ist die logische Folge einer Machttechnologie, die sich auf das Leben richtet, die Normalisierungsgesellschaft. Weil es darum geht, das Leben zu sichern und auf eine bestimmte Art und Weise zu organisieren, werden die Subjekte an einer Norm gemessen, sie werden an ihr ausgerichtet und müssen vor ihr bestehen. „Statt die Grenzlinie zu ziehen, die die gehorsamen Untertanen von den Feinden des Souveräns scheidet, richtet sie [die Bio-Macht, d.V.] die Subjekte an der Norm aus, indem sie sie um diese herum anordnet. (…) Eine Normalisierungsgesellschaft ist der historische Effekt einer auf das Leben gerichteten Machttechnologie.“[4]

Auch das Selbstverhältnis der Individuen ändert sich: „Der abendländische Mensch lernt allmählich, was es ist, eine lebende Spezies in einer lebenden Welt zu sein, einen Körper zu haben, sowie Existenzbedingungen, Lebenserwartungen, eine individuelle und kollektive Gesundheit, die man modifizieren, und einen Raum, in dem man sie optimal verteilen kann.“[5]

Die zentrale Bedeutung der Sexualität

Ein extrem wichtiger Eingriffspunkt der neuen Macht ist die Sexualität. Sie erlaubt den Zugang zum Individuum und über sie funktioniert auch die Kontrolle der Bevölkerung. "Die Sexualität liegt letztlich genau an der Verbindungsstelle zwischen der individuellen Disziplinierung des Körpers und der Regulierung der Bevölkerung. (...) Die Sexualität ist das Bindeglied zwischen anatomischer Politik und Biopolitik; sie liegt am Kreuzungspunkt der Disziplinierungs- und Regulierungsformen, und in dieser Funktion wird sie Ende des 19. Jahrhunderts zu einem erstrangigen politischen Instrument (...)."[1]

Sie wird zu einer Angelegenheit des Staates. Sie wird dem Gesundheitswesen und den Regeln einer Normalität untergeordnet. Foucault fasst diese Entwicklungen unter anderem unter dem Begriff Sexualitätsdispositiv zusammen. Damit sind machtstrategische Verknüpfungen von Diskursen und Praktiken gemeint, die sich rund um das Thema der Sexualität zu einer bestimmten Zeit bilden. Das Sexualitätsdispositiv wird zunächst im Bürgertum wirksam, das bald damit begann „seinen eigenen Sex als wichtige Sache, zerbrechlichen Schatz, unbedingt zu erkennendes Geheimnis zu betrachten.“[6]

Foucault geht davon aus, dass es bei der neuen Sexualpolitik nicht um Askese ging, sondern vielmehr um eine Konzentration auf den Körper, seine Gesundheit und seine Funktionen. Während das Symbol des Adels das Blut war, bediente sich das Bürgertum der neuen Technologie des Sexes zur Selbstaffirmation. Das Bürgertum „hat sich einen Körper gegeben, den es zu pflegen, zu schützen, zu kultivieren, vor allen Gefahren und Berührungen zu bewahren und vor den anderen zu isolieren galt, damit er seinen eigenen Wert behalte.“[7]

Es entsteht eine Klasse, die in der Sexualität den Zugang zur eigenen Identität, zum Körper und zur Selbsterkenntnis verortet. Der Sexualität scheint eine Wahrheit inne zu wohnen, die es zu erkennen gilt. Außerdem erhält die Gesundheit eine gesellschaftliche Aufwertung, es ist auf einmal von Bedeutung, sich um die eigene Gesundheit zu kümmern, sich gesund zu erhalten und diese Auffassung ist bis heute eng verknüpft mit dem Verständnis von Subjektivität. Die Sorge um die Sexualität war untrennbar mit der Sorge um die Gesundheit verbunden.

Dieser Sorge inhärent ist die Abgrenzung vom Unerwünschten, von allem was bedrohlich, fremd und anders ist.

Technologien des Selbst

In den späteren Arbeiten zu dem auf mehrere Bände angelegten Werk „Sexualität und Wahrheit“ verändert Foucault sein Konzept. Er nimmt eine theoretische Verschiebung in Hinblick auf das Subjekt vor. Es geht nicht mehr in erster Linie um die Funktionsweisen der Diskurse, die auf das Subjekt einwirken, vielmehr entwickelt er unter Rückgriff auf die griechisch-römische Antike den Begriff der Technologien des Selbst. „Darunter sind gewusste und gewollte Praktiken zu verstehen, mit denen die Menschen nicht nur die Regeln ihres Verhaltens festlegen, sondern sich selber zu transformieren, sich in ihrem besonderen Sein zu modifizieren und aus ihrem Leben ein Werk zu machen suchen, das gewisse ästhetische Werte trägt und gewissen Stilkriterien entspricht.“[8]

Es handelt sich also um konkrete Handlungsstrategien und Lebensgestaltungsmöglichkeiten, mit denen sich das Subjekt selbst konstituieren kann. Das Individuum wendet auf sich selbst Praktiken an, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, das jeweils im Zusammenhang mit seiner historisch und gesellschaftlich spezifischen Verortung steht, also Konsequenz der Macht ist, die im alltäglichen Leben spürbar ist (indem sie z.B. wirkt durch Einteilung der Individuen in Kategorien und der Verknüpfung von bestimmten Wahrheiten mit diesen).

Das Individuum und seine Identität

Das, was das Individuum als sein „Selbst“ wahrnimmt, als seine Identität, ist immer schon entstanden vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Verhältnisse: „Identität ist (…) ein Vollzug – eine bewusste und unbewusste Tätigkeit in Auseinandersetzung mit kulturellen Deutungsmustern und Artefakten, die körperliche Erfahrung hervorrufen, die als Ausdruck des natürlichen Leibes interpretiert werden.“[9] Das „Wort Subjekt [hat] (…) einen zweifachen Sinn: vermittels Kontrolle und Abhängigkeit jemandem unterworfen sein und durch Bewusstsein und Selbsterkenntnis seiner eigenen Identität verhaftet sein.“ (Foucault 1994, 246f)

Gouvernementalität

Um das Verhältnis von Subjektivierungsprozessen (die mit dem theoretischen Konzept der Technologien des Selbst nun konkreter erfassbar sind) und Machtmechanismen klären zu können, führt Foucault außerdem den Begriff der „Regierung“ ein (Gouvernementalität): „Jenseits einer exklusiven politischen Bedeutung verweist Regierung (…) auf zahlreiche und unterschiedliche Handlungsformen und Praxisfelder, die in vielfältiger Weise auf die Lenkung, Kontrolle, Leitung von Individuen und Kollektiven zielen und gleichermaßen Formen der Selbstführung wie Techniken der Fremdführung umfassen.“

Quelle

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
23.02.13, 20:45:39
Link
55555
(Fettnäpfchendetektor)

Zitat:
Immer häufiger kommt die Gentechnik in der vorgeburtlichen Diagnostik zum Einsatz. Und stellt werdende Eltern vor riesige Konflikte: Das Wissen über die Gesundheit des ungeborenen Kindes wird zu einer Frage von Leben oder Tod.

Quelle

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
15.12.14, 01:03:42
Link
Tarantula
(Nur rote Bereiche)

freuen Die Quelle kann auch im Thread 'gesammelte Tippfehler aus dem Internet' verwendet werden...

Schwierige Sache... Ich würde provozierend in den Raum werfen, dass Eltern, die ihr Kind bereits vor der Geburt mit Liebesentzug in Form von Abtreibung bestrafen, weil es nicht gesund ist, charakterlich nicht als Eltern geeignet sind...
Da könnte man sich glatt die teure Untersuchung sparen und gleich abtreiben...

Bald wird man sich das Wunschkind online zusammenstellen können. Blond, smart, Managertyp, 1,85 m groß und 86 kg schwer (ausgewachsen), männlich natürlich, noch ein paar Hobbies angeben, Berufs- und Einkommenswunsch (die eigene Rente ist ja auch nicht mehr sicher, da braucht es einen Versorger im Alter)... Dann noch auf OK klicken und am nächsten Tag kommt das Paket von Amazon mit der Spermienmischung... Im 'Deal' für 99,95 €, kostenlose Lieferung... Prime-Kunden bekommen eine Schachtel Kondome gratis...

Jetzt klinge ich fast wie ein Konservativer... überrascht
15.12.14, 04:05:43
Link
starke Dame
(Angehörigenbereich)

Das Problem sind wahrscheinlich nicht nur die Eltern. Eltern entscheiden auf Druck der Gesellschaft hin, leider ist unser System so aufgebaut, dass dieser Gruppendruck entsteht.

Ein weiteres Problem sind wohl auch die Ärzte. Das zu früh geborenen Kinder (ob jetzt Spontangeburt oder Abtreibung) gelten nicht als Menschen und sie werden auch nicht immer so behandelt. Es sei denn, die Eltern sorgen dafür.

Mein Sohn kam leider zu früh auf die Welt, mit unreifen Lungen lebte er nur wenige Minuten. Dennoch mussten wir dafür kämpfen überhaupt einen Totenschein zu erhalten, es tut noch zu weh, dass ich nicht genau darüber schreiben kann, doch definitiv empfand ich Ärzte, Hebammen und Mitmenschen so, dass viele ihn nicht wie einen Menschen ansahen. Es wurde bezweifelt, das meine Kinder natürlich bei der Beerdigung ihres Brüderchens mit dabei sind, dass ich ihnen überhaupt von dem Kind erzählt habe und noch andere Dinge.

So lange ein Mensch nicht als Mensch gilt, wenn er eine gewisse Größe, Reife nicht erreicht hat, wird er auch nicht mit dem Respekt behandelt, die er verdient hat und das muss sich ändern. Die Gesetze müssen sich ändern und das Denken in den Köpfen muss sich ändern.

Mein Sohn wurde beerdigt, doch vor ein paar Jahren, wäre er Klinikmüll gewesen.

15.12.14, 06:06:20
Link
drvaust
(stillgelegt)

Zitat von starke Dame:
Ein weiteres Problem sind wohl auch die Ärzte. Das zu früh geborenen Kinder (ob jetzt Spontangeburt oder Abtreibung) gelten nicht als Menschen und sie werden auch nicht immer so behandelt.
Ich denke, das Problem liegt weniger bei den Ärzten, sondern es sind die gesetzlichen Regelungen.
Ich war vor einigen Monaten darauf gekommen. Sehr früh geborene o.ä. Kinder, die tot sind, gelten als Klinikabfall, und müssen nach den entsprechenden Vorschriften entsorgt werden. Auch für Friedhöfe gelten strenge Vorschriften. Bei uns haben Medizinstudenten eine Initiative gestartet und Möglichkeiten geschaffen, um derartigen 'Klinikabfall' wie Menschen zu behandeln. Die derartigen Toten der Stadt werden, auf Wunsch der Eltern, zentral gesammelt und eingefroren. In größeren Abständen erfolgt auf einem bestimmten städtischen Friedhof mit Sondergenehmigung eine 'Entsorgung von Klinikabfall', mit Trauerfeiern und Aufstellung von Gedenksteinen. Dieser Friedhofsbereich ist danach herzzerreißend, Babykleidung, Spielzeug, verzweifelte Sprüche usw.. Da wurde ein neuer Mensch erwartet, hatte sich schon bewegt, und der Staat verweigert den Respekt.
15.12.14, 22:13:03
Link
Gehe zu:
Technische Rechte (vorbehaltlich seperater moderativer Einschränkungen):

Es ist dir nicht erlaubt, neue Beiträge zu schreiben.
Es ist dir nicht erlaubt, neue Themen zu erstellen.
Es ist dir nicht erlaubt, deine Beiträge zu bearbeiten.
Es ist dir nicht erlaubt, deine Beiträge zu löschen.


HTML Code ist AUS
Board Code ist AN
Smilies sind AN
Umfragen sind AN

Benutzer in diesem Thema
Es lesen 0 Gäste und folgende Benutzer dieses Thema:

Ähnliche Themen
Thema Antworten Hits Letzter Beitrag
Gehe zum ersten neuen Beitrag Religion
536 2713530
20.08.24, 15:32:15
Gehe zum letzten Beitrag von 55555
Gehe zum ersten neuen Beitrag Thread zur Beobachtung regimenaher Propagandamedien
296 2680948
10.07.21, 09:17:46
Gehe zum letzten Beitrag von 55555
Gehe zum ersten neuen Beitrag Flüchtlingsdebatte
232 1144693
04.04.17, 10:42:43
Gehe zum letzten Beitrag von 55555
Archiv
Ausführzeit: 0.9137 sec. DB-Abfragen: 15
Powered by: phpMyForum 4.1.55 © Christoph Roeder