dass ich den immer wieder dafür verwendeten Begriff "Völkermord" für leicht unpassend halte, weil sich Völkermord laut Wikipedia auf eine "nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe" bezieht.
Es ist richtig, daß diese Begriffe so stehen, sie sind aber auch nicht unbedingt eindeutig, so daß man durchaus meinen kann, daß im Fall Trisomie 21 ("Mongolismus"!)) eine rassistische Motivation vorliegt. Und das auch, weil die Ausgrenzung ganz wesentlich auf den andersartigen Gesichtszügen beruht. Daß es keine Menschenrassen im biologischen Sinne gibt ist seit längerem praktisch gar nicht mehr umstritten, insofern handelt es sich hier um einen rein juristischen Begriff, der relativ frei deutbar ist.
Zitat:
Man kann drüber streiten, aber ich stelle mir unter einem "Volk", "Mord" und "Völkermord" etwas anderes vor.
Was feststeht ist die Tatsache, daß gruppenbezogene Geburtenverhinderung den Tatbestand des Völkermord erfüllen kann, sind wir uns da einig?
Zitat:
weil ich mir erstens nicht sicher bin, ob homosexuelle Vorlieben (im Gegensatz zu Autismus) tatsächlich wie immer behauptet genetisch oder auf andere Weise festgelegt sind
Das weiß ich auch nicht. Mir ist bewußt, daß die Genthese in der Szene die Rolle hat sich so darzustellen als sei man so gemacht und könne gar nicht anders. Vielleicht ist es eine Mischung wie bei den Gehörlosen. Genetische Veranlagung wird auch oft als "100% festgelegt" mißverstanden, das stimmt so in vielen Fällen nicht.
Zitat:
Homosexuelle könnten z.B. bei einer Behörde oder einem Unternehmen wegen einem berechtigten Anliegen anrufen,
Blinde können das auch.
Zitat:
Manche Autisten können dagegen nicht anrufen
Richtig, aber das ist vor allem verschieden, weil du dir hier ein Beispiel aussuchtest, in dem nur eine Barriere für Autisten vorliegt. Da Behinderung sich auf die Verhinderung gesellschaftlicher Teilhabe bezieht, könnte man auch folgendes Beispiel aufmachen: Homosexuelle pflegen aufgrund ihrer Veranlagung keine traditionelle heterosexuelle Ehe und können deswegen z.B. nach einem aktuellen Fall nicht Schützenkönigspaar werden. In manchen Bevölkerungskreisen sind solche Veranstaltungen durchaus ernstzunehmend. Abgesehen davon ist es ja so, daß auch Homosexuellen früher alle möglichen Dinge zugeschrieben wurden wie etwa geringere Leistungsfähigkeit, so wie man heute T21er noch meist für grundlegend dumm hält.
Zitat:
In solchen Situationen werden sie nicht direkt aufgrund einer negativen Einstellung gegenüber Autismus diskriminiert.
Ich denke bei genauerer Betrachtung verliert diese Abgrenzung deutlich an Schärfe.
Zitat:
Mir fallen aber nur sehr wenige Dinge ein, die Homosexuelle aufgrund ihrer Homosexualität praktisch nicht machen können.
Weil viele veranlagungsbedingte Barrieren bereits beseitigt wurden. Das war auch mal anders. Alle Barrieren sind im Grunde Barrieren in Köpfen.
Gut.
Zitat:
Trisomie21 ist keine Erbkrankheit,
Schon wenn es keine Krankheit ist, ja.
Zitat:
es kann immer wieder neu entstehen.
Ja.
Zitat:
Vollständig ermorden kann man das "Volk" aller Menschen mit Down-Syndrom nicht.
Doch natürlich. Durch kontinierliche Eugenik. Sobald man dies beenden würde, würde es wieder neue T21er geben, aber ihre möglicherweise vorher existente Kultur wäre ausgelöscht.
Zitat:
Wenn man Abtreibung unbedingt als Mord sehen möchte,
Was heißt "möchte", ist nicht unbestreitbar, daß Geburtenverhinderung den vollen juristischen Tatbestand des Völkermords erfüllen kann?
Zitat:
Das hab ich nicht bestritten?
Hast du nicht.
Zitat:
Das stimmt und ist (einstellungsbedingt) eine geschlechtsspezifische Benachteiligung,
Nein, denn würde Homosexualität noch als Krankheit gelten würde dies auch der vermeintlichen Krankheit zugerechnet, die dann zu einer Behinderung führt.
Zitat:
Homosexuelle können Schützenkönig werden und müssen als Zusatzaufgabe eine (evtl. nicht mit ihnen liierte) weibliche Person als Mitregentin wählen
Genau das gilt auch bei Autisten als Barriere, wenn man sich erst verbiegen muß um teilhaben zu können. Wie schwer das Homosexuellen fällt entzieht sich meiner Kenntnis. Inklusion wäre das aber sicher nicht. Außerdem wäre diese Umgehung keine gleichwertige Situation.
Zitat:
Homosexuelle werden absichtlich und gezielt durch die Regelgestaltung diskriminiert, an Autisten wird bei der Regelgestaltung und Ablaufplanung nicht gedacht.
Ich glaube nicht, daß Homsexuelle hier unbedingt absichtlich diskriminiert werden. Ich denke diesen scharfen Unterschied gibt es so wie behauptet nicht.
Ein Völkermord oder Genozid ist seit der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 ein Straftatbestand im Völkerstrafrecht.
Völkermord ist also im Völkerstrafrecht als Straftatbestand anerkannt.
Gekennzeichnet ist er durch die spezielle Absicht, „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören“. Daher wird er auch als einzigartiges Verbrechen[1], als Verbrechen der Verbrechen (engl. crime of crimes)[1] oder als das schlimmste Verbrechen im Völkerstrafrecht[2] bezeichnet."
"Einzigartiges Verbrechen."
"Verbrechen der Verbrechen."
"Das schlimmste Verbrechem im Völkerstrafrecht."
Völkermord ist im Sinne der Rechtssprechung also KEIN Kavaliersdilikt, das man belächeln kann. Moralisch wird es zudem scheinbar als eines der verwerflichsten aller Verbrechen angesehen.
Inwieweit z.B. Autisten, Gehörlose oder Personen mit "Down-Syndrom" eine ethnische Gruppe sind, kann ich schwer sagen, es könnte u.U. allerdings zutreffen.
Inwieweit z.B. Autisten, Gehörlose oder Personen mit "Down-Syndrom" eine rassische Gruppe sind, kann ich schwer sagen, es könnte u.U. allerdings zutreffen. Ich möchte allerdings trotzdem nochmal anmerken, dass die Rassentheorie überholt ist.
Um einmal zu zitieren:
Rassen, aber auch Unterarten, sind nicht objektivierbar, sie beruhen lediglich auf Konvention. Es handelt sich dabei um Kategorien des Denkens und nicht etwa um Einheiten der Evolution. Wie der Evolutionsbiologe Ernst Mayr betont, basieren alle rassistischen Theorien darauf, Rassen nicht als Abstraktion sondern als Realität aufzufassen.[12]
Demnach handelt es sich zumindest bei den bisherigen "Rassen" um ein Konstrukt? Das - zumindest bislang - i.d.R. auf optischen Unterscheidungsmerkmalen wie der Hautfarbe, beruht hat? Wenn dem so ist - was aber nun, wenn sich ein signifikanter Teil der Weltbevölkerung nicht (oder nicht allein) in seinem Äußeren, sondern in seiner Art und Weise, die Welt wahrzunehmen und sich in seinem Wesen, etc. etc. vom "Durchschnittsmenschen" unterscheidet? Ist das dann laut der als überholt anzusehenden Rassentheorie, sofern es durch "Konvention" so "beschlossen" wurde, ebenfalls eine "Rasse"?
Die Bundesrepublik Deutschland ratifizierte die Konvention im Februar 1955, Österreich hinterlegte die Beitrittsurkunde am 19. März 1958 und die Schweiz am 7. September 2000. Nach der Konvention ist Völkermord ein Verbrechen gemäß internationalem Recht, „das von der zivilisierten Welt verurteilt wird“.
Grundlage war die Resolution 180 der UN-Vollversammlung vom 21. November 1947, in der festgestellt wurde, dass „Völkermord ein internationales Verbrechen [ist], das nationale und internationale Verantwortung von Menschen und Staaten erfordert“, um der völkerrechtlichen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg zu gedenken.
Eventuell finden sich in der Liste der völkerrechtlichen Verbrechen im zweiten Weltkrieg, in deren Gedenken "Völkermord" als Tatbestand eingeführt wurde, weitere Ansatzpunkte.
Zitat:
Die Konvention definiert Völkermord in Artikel II als „eine der folgenden Handlungen, begangen in der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören:
a) das Töten von Angehörigen der Gruppe
b) das Zufügen von schweren körperlichen oder seelischen Schäden bei Angehörigen der Gruppe
c) die absichtliche Unterwerfung unter Lebensbedingungen, die auf die völlige oder teilweise physische Zerstörung der Gruppe abzielen
d) die Anordnung von Maßnahmen zur Geburtenverhinderung
e) die gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe“
Hier wird es, zumindest aus meiner Sicht, interessant. Die Frage, die sich mir hier stellt ist, von wem hier als Täter ausgegangen wird.
Übrigens ... "die Anordnung von Maßnahmen zur Geburtenverhinderung".
Dazu noch:
Kennzeichnende Merkmale der Straftatbestände
Zu beachten ist, dass nur die Absicht zur Vernichtung der Gruppe erforderlich ist, nicht aber auch die vollständige Ausführung der Absicht. Es muss eine über den Tatvorsatz hinausgehende Absicht vorliegen, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören.
Die Handlungen nach Artikel II Buchstaben a) bis e) der Konvention (in Deutschland umgesetzt durch § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 VStGB) hingegen müssen tatsächlich (und willentlich) begangen werden. Dies bedeutet insbesondere, dass es nicht vieler Opfer bedarf, damit die Täter sich des Völkermordes schuldig machen. Bloß ihre Vernichtungsabsicht muss sich auf die ganze Gruppe oder einen maßgeblichen Teil von ihr richten. Die Täter erfüllen den Straftatbestand beispielsweise, wenn sie – in dieser besonderen Absicht – einzelnen Gruppenmitgliedern ernsthafte körperliche oder geistige Schäden zufügen oder den Fortbestand der Gruppe verhindern wollen, etwa durch Zwangskastration. Eine Anklage wegen Völkermord bedarf daher nicht der Ermordung auch nur eines Menschen.
Umgekehrt gilt auch: Handlungen nach Artikel II Buchstaben a) bis e) der Konvention sind kein Völkermord, wenn ihr Ziel nicht darin besteht, eine Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten, egal wie viele Mitglieder getötet oder sonst wie beeinträchtigt werden. Solche Maßnahmen sind ebenfalls kein Völkermord, wenn ihr Ziel darin besteht, eine Gruppe auszurotten, die nicht durch nationale, ethnische, rassische oder religiöse Eigenschaften definiert ist.
Ob in jedem Fall, wo Einzelne sich des Völkermordes schuldig machen, der Rahmen des Geschehens pauschal als „Völkermord“ bezeichnet werden sollte, ist eine andere Frage. Denn es ist für die Strafbarkeit Einzelner nicht erforderlich, dass sie ihre Taten im Rahmen eines breit angelegten oder systematischen Angriffs auf die Opfergruppe begehen (im Gegensatz etwa zu den Verbrechen gegen die Menschlichkeit).
Edit: Verschiedene Fehler korrigiert.
Edit 2: http://www.voelkermord.de/holocaust.html
Edit 3:
http://de.wikipedia.org/wiki/Aktion_T4
http://de.wikipedia.org/wiki/Homosexuelle_w%C3%A4hrend_der_Zeit_des_Nationalsozialis
Edit 4:
http://de.wikipedia.org/wiki/Staatenverantwortlichkeit
http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkerrechtliche_Verantwortlichkeit