Zitat:
Die Außenminister der beiden Supermächte fanden einst immer einen Draht zueinander. Der scheint in der Syrien-Frage endgültig durchgeglüht zu sein.
Dass dieser Tag schlecht enden würde, deutete sich schon an seinem Anfang an. Eigentlich wollte Sergej Lawrow gar nicht mehr kommen. Wieder sollte das Treffen der Internationalen Syrien-Unterstützergruppe im Palace Hotel in New York stattfinden, wo John Kerry logierte und die US-Delegation. Und darauf hatte Lawrow keine Lust mehr. Auf Augenhöhe verhandeln, auf neutralem Boden - das wollte der russische Außenminister. Und das hatte er John Kerry auch gesagt am Rande des UN-Sicherheitsrates. Alles war organisiert, spontanes Umplanen nicht möglich. [Sehr komisch, "nicht möglich"] Also mussten andere Delegationen bei Lawrow betteln. Und sie mussten warten.
Boris Johnson, der Brite, tat das in einer kleinen Bar des Hotels. Frank-Walter Steinmeier trank, als er es im großen Saal nicht mehr aushielt, mit seinen Leuten Kaffee in der Lobby. Und Kerry harrte dort aus, wo er längst mit Lawrow sitzen wollte: in einem kleinen Nebenzimmer, für finale Absprachen. Derart ätzend sei der US-Außenminister noch nie sitzen gelassen worden, sagte einer seiner Sicherheitsleute.
Es scheint nicht viel übrig zu sein von einer unkonventionellen Arbeitsbeziehung zweier Männer, die sich schon mit "mein Freund Sergej" und "mein lieber John" angesprochen haben.
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Er rechnet es Lawrow hoch an, dass die Russen eine konstruktive Rolle spielen, die Gespräche nicht über andere Streitpunkte wie den Krieg in der Ukraine oder Syrien platzen lassen. In Wien, wo nächtelang um das Abkommen gerungen wird, rettet der Russe mit seinem sarkastischen Humor die Stimmung: Als Mohammad Dschawad Sarif empört aufspringt und brüllt: "Drohe nie einem Iraner!", lehnt sich Lawrow im Sessel zurück und sagt nach einem Moment der betretenen Stille nur trocken: "Und nie einem Russen!" Die Runde lacht, es geht weiter.
Doch Humor, an dem es Kerry nicht mangelt, hilft nicht mehr weiter. Die beiden Minister haben sich beharkt in Pressekonferenzen, aber da wusste jeder, das ist für das Publikum zu Hause. Jetzt finden sie keine gemeinsame Sprache mehr. Eine "offene Feldschlacht'' hätten sie sich geliefert im Palace Hotel, sagt einer, der dabei war. Vorher hatte Kerry Lawrow im UN-Sicherheitsrat schon vorgeworfen, er lebe "in einer Art Paralleluniversum".
Kerry soll anfangs zu den Kabinettsmitgliedern gehört haben, die Schläge gegen Syriens Luftwaffe forderten - was Obama ablehnte. Spätestens nach dem Chemiewaffen-Deal aber wussten die Russen, dass die USA nicht direkt in Syrien eingreifen würden. Kerry hat anders als Lawrow keine wirklichen Druckmittel. Er kann nur versuchen zu überzeugen. Putin vor einem zweiten Afghanistan warnen. Gut möglich, dass er es noch einmal probiert. "Was Syrien angeht, ist er fast manisch", wie es ein hoher Diplomat formuliert. Bis Ende des Jahres bleibt ihm noch, dann ist seine Amtszeit vorbei. Sergej Lawrow wird sich dann mit seinem Nachfolger auseinandersetzen.