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Die neue US-Sicherheitsdoktrin spricht vom Primat der Politik, erlaubt Abschreckung, wenn und wo nötig aber auch Vernichtung von Aggressoren. Im Amerikanischen heißt das die Bereitschaft „to project power globally“.
Was General Breedlove, zuständig für alle militärischen Operationen der Nato, zum Nato-Russland-Verhältnis im Einzelnen zu sagen hat, kann man nachhören und in einigen amerikanischen und ukrainischen Medien auch nachlesen.
Laut Breedlove haben die Russen beschlossen, Gegner der USA zu sein. Sie stellten demnach eine „langfristige existenzielle Bedrohung für die Vereinigten Staaten von Amerika dar“. Zudem brauche die Nato ausreichend Kapazität, um nötigenfalls die „Festung Kaliningrad“ zu durchbrechen. Schließlich hätte eine Studie der Rand-Corporation, für die Breedlove höchste Töne der Wertschätzung fand, kürzlich herausgefunden, dass die Russen in 60 Stunden das Baltikum einnehmen könnten. So schnell könne die Nato nicht einmal „piep“ sagen, Abschreckung sei daher nötig. Denn das Baltikum sei der verwundbarste Punkt in der Nato.
Da nützt es nichts, dass die Russen behaupten, sie würden die Nato nicht angreifen wollen. General Breedlove will vorsorgen, Kaliningrad notfalls überrennen, und was dann käme, das mag man sich gar nicht vorstellen. Was wir jedoch genau wissen, ist, dass die Russen ausweislich ihrer Sicherheitsstrategie vom 31. Dezember 2015 das Heranrücken der Nato an ihre Grenzen als Bedrohung auffassen. In ihrer Militärdoktrin von 2009 hatten sie sich „besorgt“ darüber gezeigt. Allgemein betrachten die Russen die USA und die Nato als Gefahr, nicht aber als Bedrohung.
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Im Unterschied zu früher finden die Kämpfe allerdings nicht auf dem Lande oder in Grenzregionen statt, sondern in den Städten, in welche die kurdische Landbevölkerung in den neunziger Jahren vor dem damaligen Krieg zwischen der PKK und dem türkischen Staat geflohen ist. Früher verübte die PKK Anschläge auf Militärkonvois mit ferngezündeten Bomben, überfiel Außenposten der türkischen Armee an der Grenze zum Irak oder einzelne Polizisten.
Jetzt trägt eine neue Generation die Gewalt in die Städte, errichtet dort Straßensperren und Sandsackposten, nimmt die bewaffnete Reaktion Ankaras und damit den Tod (kurdischer) Zivilisten bewusst in Kauf. Der türkische Staat muss wie jeder Staat sein Gewaltmonopol wahren, antwortet aber oft mit unverhältnismäßiger Härte, verhängt wochenlange Ausgangssperren, in manchen Orten kommt es zu Straßen- und Häuserkämpfen. Die Fotos manch eines von türkischer Armee und Sonderpolizei „befreiten“ Ortes erinnern an Bilder aus Aleppo oder Homs.
Kürkcü lehnt diese Kämpfe ab, macht aber deutlich, dass er den türkischen Staat für den Hauptschuldigen an dem Blutvergießen hält. „Die Regierung hat viele unschuldige Opfer zu verantworten. Die Menschen in den kurdischen Städten und Landstrichen sind voller Hass und sinnen nach Rache“, stellt er fest und kritisiert die Sicherheitsbehörden: „Früher wurde der Krieg von der Armee geführt, jetzt spielen Sondereinheiten der Polizei eine zentrale Rolle. Diese Einheiten haben eine Lizenz zum Töten. Sie können jederzeit jeden töten, wie es ihnen beliebt.“ Einst habe sich die Gewalt gegen kurdische Kämpfer und deren mutmaßliche Sympathisanten gerichtet.
Kürkcü spricht von einer „neuen Ära der Straflosigkeit“ und warnt vor einem Flächenbrand: „Der Konflikt hat schon auf Orte im Westen der Türkei übergegriffen. Ich mache mir Sorgen, dass es dabei nicht bleiben wird, wenn die türkische Regierung nicht einsieht, dass verhandelt werden muss.“ Eine Rückkehr zum Verhandlungstisch sei für Kurden und Türken der einzige Weg, der blutigen Logik von Gewalt und Gegengewalt zu entrinnen. Gelinge das nicht, könnten die Folgen auch Europa betreffen – in Form einer zusätzlichen Flüchtlingswelle.
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Krieg gebe es schon längst, sagt Abdullah Demirbas, einer der bekanntesten Kurdenpolitiker der Türkei, der von 2004 bis 2014 Bürgermeister des zentralen Stadtteils Sur in der Millionenstadt Diyarbakir war, der inoffiziellen Hauptstadt der türkischen Kurden. Demirbas spricht von einem „riesigen Drama“ in Sur und anderen umkämpften Orten, von Zivilisten, die unter dem Beschuss ihrer Wohnhäuser durch Panzer und Artillerie seit Wochen in Kellern lebten, von Ausgangssperren und abgeriegelten Stadtvierteln, in die selbst Ärzte nicht vorgelassen würden. Mehrere hundert Zivilisten seien bei den Kämpfen schon getötet worden. Genaue Zahlen kenne niemand, da die Kampfgebiete von der Armee abgesperrt werden.
„Wenn der Frühling kommt, könnte die Gewalt sich steigern, und wenn sie auf Istanbul, Ankara und Izmir übergreift, könnte eine neue, diesmal kurdische Flüchtlingswelle entstehen und Millionen umfassen“, so Demirbas.