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Autor Nachricht
55555
(Fettnäpfchendetektor)

Es ist offensichtlich, daß es viele Übergriffe auf Autisten im Alltag gibt. Meist lassen Autisten dies ohne Gegenwehr zu. Weil sie unsicher sind was die rechtlichen und alltäglichen (oft geht es um Personen mit denen man im Alltag zu tun hat, auf die man sich vielleicht sogar angewiesen fühlt) Folgen sein können. Vor allem insgesamt ist das aus meiner Sicht schädlich für die Interessen von Autisten, weil durch diese Passivität vielerorts wohl auch kein entsprechendes Bewußtsein für Grenzen gebildet wird. Das kann auch durch Strafanzeigen geschehen, die letztlich nicht zu einer Verurteilung führen. Die wenigen Ermittlungen, die es bisher gab (Beispiel) wurden oft durch NA angestoßen.

Ein aktuelles Beispiel:
Zitat:
Heinz Uthmann ist empört. Und zwar seit Tagen. Der 54-Jährige hat schon viel gehört und gesehen in seinem Leben, seit 31 Jahren ist er Jurist, seit 24 Jahren Richter, erst für Wirtschaftsstrafrecht, dann für Arbeitsrecht. "Lügen habe ich schon viele gehört", echauffiert sich der Hamburger, im Stakkato schießen die Sätze aus seinem Mund, "aber das muss ich mir als Steuerzahler nicht bieten lassen".

Was Uthmann so aufregt, ist ein einziger Satz. Ein Satz von Angela Merkel, den die Bundeskanzlerin als Reaktion auf die Tötung Osama Bin Ladens äußerte: "Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten", sagte die CDU-Politikerin am Montag.

Die Reaktion wird seither heiß diskutiert - politisch, völkerrechtlich, ethisch, moralisch. Heinz Uthmann hat die öffentliche Debatte nun neu befeuert, auf seine ganz persönliche Art: Er hat die Bundeskanzlerin angezeigt. Wegen öffentlicher Billigung eines vorsätzlichen Tötungsdelikts, strafbar gemäß Paragraf 140 des Strafgesetzbuches (StGB).

Darin heißt es im Kern: Wer eine rechtswidrige Tat öffentlich billigt, kann mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe bestraft werden. Merkels Äußerung begründe "den Anfangsverdacht einer Straftat nach § 140 StGB", schreibt Uthmann in seiner zweiseitigen Anzeige, die er am Mittwochabend bei der Hamburger Staatsanwaltschaft in den Briefkasten geworfen hat und die SPIEGEL ONLINE im Wortlaut vorliegt.

[...]

Uthmann selbst stuft die juristischen Erfolgschancen seiner Strafanzeige gering ein. "Kein deutscher Staatsanwalt wird den Mut haben, Frau Merkel deswegen anzuklagen", so der 54-Jährige. Er rechnet damit, dass seine Anzeige versandet: "Die Hamburger Behörden werden sie nach Berlin weiterleiten, da wird sie dann noch mal eine Weile liegen und dann in den Papierkorb wandern."

Quelle

Ich möchte Mut machen nicht mehr nur im Stillen zu leiden, zumindest im Interesse anderer Menschen, auf die Übergriffe durch eine Bewußtseinsbildung auch durch Strafanzeigen dann vielleicht nicht mehr so unverfroren verübt werden.

Die ESH hilft gerne bei der Einschätzung von entsprechenden erlebten Situationen und der Formulierung rechtlicher Schritte.

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
07.05.11, 10:51:45
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wolfskind
(stillgelegt)

könntest du mal den ablauf einer anzeige deutlich machen? wer also wann wo etwas vortragen muss und was die eventuellen konsequenzen sind?

"Freilich ist die Welt voller Fährnisse und düsterer Orte; doch noch immer ist viel Schönes lebendig, und wenn auch die Liebe in allen Landen nun mit Leid vermengt ist, wird sie deshalb vielleicht um so größer."
"Derjenige, der etwas zerbricht, um herauszufinden, was es ist, hat den Pfad der Weisheit verlassen."

(Herr der Ringe)
07.05.11, 11:39:52
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Es kommt auf die angenommene Straftat an. Wikipedia dürfte einen ersten allgemeinen Einblick geben. Die Konsequenzen sind nicht immer klar einzuschätzen, manchmal kann es sinnvoll sein keine Anzeige erstatten.

Ersteinmal prüft die Staatsanwaltschaft den Fall. Wenn es zu einem Verfahren käme würde man wohl als Zeuge gehört und üblicherweise versucht der Anwalt der Gegenseite dann erstmal im Rahmen seiner Aufgabe alles anzuzweifeln, das kann psychisch manchmal nervig sein. Wer mit dem Gericht barrierefrei kommunizieren will muß auch dies gelegentlich erst durchsetzen, was ein Problem werden kann, wenn man keinen Arzt hat, der entsprechend hinter einem steht. Denn bisher sind Nachteilsausgleiche aufgrund der sehr mangelhaften Umsetzung Universellen Designs noch antrags- und belegpflichtig. Die im Rahmen des Belegs übermittelten Angaben können dann jedoch Ansatzpunkt für folgende schwere und dauerhafte Diskriminierungen sein. So werden Autisten bis heute faktisch kalt entrechtet, indem sie nur mit erheblichen Risiken überhaupt Barrierefreiheit erreichen können.

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
07.05.11, 11:58:56
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wolfskind
(stillgelegt)

außerdem können sich NA auch meist nicht vorstellen was von A alles als schlimm erlebt wird und damit gegen das recht auf unversehrheit verstößt. so wird wohl auch bei gericht / bei anzeigen der Maßstab der NA angelegt werden und dementsprechend ausgesiebt?

"Freilich ist die Welt voller Fährnisse und düsterer Orte; doch noch immer ist viel Schönes lebendig, und wenn auch die Liebe in allen Landen nun mit Leid vermengt ist, wird sie deshalb vielleicht um so größer."
"Derjenige, der etwas zerbricht, um herauszufinden, was es ist, hat den Pfad der Weisheit verlassen."

(Herr der Ringe)
07.05.11, 14:27:49
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Da könnte gerade durch eine wiederholte Verfolgung von Sachverhalten ein entsprechendes Bewußtsein geschaffen und somit die rechtliche Lage verbessert werden. Nicht jeder Richter ist ignorant.

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
07.05.11, 16:40:02
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Hans
(Autistenbereich)

Ich habe das schon mal vor Gericht erlebt, ich als Zeuge.
Da war ein Mann, vermutlich Autist, aber auch, wenn er keiner war, ist es interessant.
Dieser Mann, der Lehramt studiert hat und beim ersten Examen sehr gut durch kam,
aber beim zweiten Examen vor der Klasse versagte,
hat bereits einige Jahre in geschlossenen und offenen Heimen verbracht.
Vom Heimpersonal wurde er als angenehmer Insasse gelobt,
hat immer sein Bett selbst und ordentlich gemacht und war immer zu den Mahlzeiten pünktlich.
Vor Gericht wurde er mit Fuß- und Hand-Ketten gefesselt von zwei Polizisten herein geschleift.
Der Richter hatte, im Verhältnis zu meinen persönlichen Erfahrungen als Angeklagter,
sehr, sehr viel Geduld mit dem Mann.
Es war aber aus ihm keine verwertbare Antwort heraus zu bekommen. Er konnte nichts artikulieren.
Er saß nur da und rollte mit den Augen, wie ein verschüchtert wirkendes Rhesusäffchen im Zoo.
Ein halbes Jahr vorher hat er sich direkt nach der Tat ein drei viertel Stunde auf der Toilette des "offenen" Heimes zurück ziehen können, .
Da heraus gekommen schauspielerte er perfekt den "Unbekümmerten" der ein Wenig ungeschickt Small-Talk macht.
Er hat uns quasi angelogen, der Polizist und ich waren aufgeregt bis wütend, konnten aber nichts machen.
Etwas später hat er dann etwas Anderes angestellt, im Heustadel Feuer gelegt, so wurde er dann doch noch eingesperrt.
Es geht jetzt nicht darum was und warum das passiert ist,
es geht mir darum auf zu zeigen, wie ein scheinbar gebildeter Mensch unter bestimmten ungünstigen Umständen,
wie die Unterbringung in einem deutschen Gefängnis, zum völligen Verlust der Muttersprache kommen kann.
Da hilft es auch nichts, wenn der Richter so viel Geduld hat, wie der, den ich da erlebte.
Ich habe so was gesehen, ich kann mir das vorstellen,
ich kann mich in ihn hineinversetzen.
Ich hätte in seiner Situation wahrscheinlich nicht mal mehr grunzen können.
08.05.11, 21:59:52
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Hier geht es ja eher um Anzeigen von Autisten, nicht Anzeigen gegen Straftäter, die vielleicht auch Autist sind oder auch nicht. Der Abriß wirkt auf mich auch etwas fragmentarisch.

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
08.05.11, 22:11:03
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Hans
(Autistenbereich)

geändert von: Hans - 08.05.11, 22:25:05

Ja, und jetzt stell Dir vor, Du stehst als Opfer und Zeuge vor Gericht,
sollst aussagen und dann kannst nicht mal mehr grunzen,
weil irgendwas in den Umständen nicht passt.
Du hast Dich vielleicht sogar mental darauf vorbereitet, wie auf ein Referat
und dann kommt der Verteidiger und zerrupft Deine eben gesprochenen
Texte und interpretiert etwas hinein, das ihm besser passt.
Lässt Dich aber nicht richtig stellen, sondern geht aufgrund dieser Annahme gleich zur nächsten unterstellenden Frage über.
Am Ende stehst Du als der "böse" da, das ist sein Job.
Daß man aber vor Gericht zumeißt persönlich erscheinen muß und nicht leicht schriftlich kommunizieren kann,
macht es eigentlich notwendig, daß man sich dem aussetzt.
08.05.11, 22:24:06
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Also die Rollen Zeuge und Angeklagter halte ich schon noch für ziemlich verschieden. Aber sicherlich gibt es allgemeine Probleme für Autisten. Eine Anzeige kann ersteinmal problemlos schriftlich eingelegt werden, ein Angeklagter hingegen wird viel eher bei physischer Präsenz befragt.

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
08.05.11, 22:32:13
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drvaust
(stillgelegt)

Es ist ein Unterschied, ob man Zeuge in eigener Sache und der Hauptgeschädigte ist (Ankläger in Strafsachen ist der Staatsanwalt), oder nur ein kaum betroffener Zeuge zur Sache.
Wenn es keine offensichtlichen eindeutigen Beweise gibt, was bei Übergriffen und Mißhandlungen ohne deutliche Körperschäden meistens so ist, ist die Aussage des Geschädigten sehr wichtig. Dann wird der Geschädigte meistens so wie der Angeklagte hart befragt (verhört). Wenn man der Befragung durch den Verteidiger, der dafür geschult ist, nicht standhalten kann, kann man nur auf ein Eingreifen und Entgegenkommen des Richters hoffen.
Eine Anzeige in eigener Sache kann also zu einer sehr belastenden Verhandlung führen. Wenn die Beweise und anderen Zeugenaussagen deutlich sind, kann man evtl. aus gesundheitlichen Gründen nicht, oder nur kurz, aussagen.

In Zivilprozessen sieht das anders aus, da verhandeln manchmal nur die Rechtsanwälte miteinander.
09.05.11, 05:51:50
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monica62
(Standard)

geändert von: monica62 - 09.05.11, 11:48:24

Mit dem Gedanken, dass meine Kinder vor Gericht einmal aussagen müssten, habe ich mich noch nie auseinander gesetzt. Ich musste einmal bei einem Zivilprozess gegen meinen Vater, als Zeugin (für meinen Vater) aussagen, damals war ich noch sehr jung. Ich habe grosse Angst davor gehabt und habe befürchtet, dass niemand verstehen wird, was ich sage. Ich galt damals als ungewöhnlich schüchtern und still. Ich wurde damals nur von der Anwältin meines Vaters befragt, sämtliche Fragen hat sie zuvor schon mit mir besprochen gehabt. Ich war erleichtert, als es vorbei war.

Hat ein Autist vor Gericht, das Recht, die Fragen vorgängig in schriftlicher Form vorgelegt zu bekommen? Eine Begleitperson mitzunehmen, die teilweise übersetzen und zwischen den Zeilen lesen kann, worauf die Befrager hinauswollen? Kann die Befragung, anstatt im Verhandlungssaal, in einem ruhigen Nebenraum erfolgen? Ist es überhaupt erlaubt einen autistischen Zeugen einem Kreuzverhör zu unterziehen? Was geschieht, wenn der Autist in diesem Szenario "stumm" wird, er sich nicht mehr artikulieren kann?

Je mehr ich mich mit diesem Gedanken auseinandersetze, desto wahrscheinlicher wird für mich, dass auch wir, aus Angst vor einem Prozess, darauf verzichten würden, für die eigenen Rechte vor Gericht zu streiten. Anders sieht es bei den Rechten unserer Kinder aus, für sie würden wir Rechtshilfe holen. Gibt es im Forum, jemanden der juristische Kenntnisse hat, und gegebenfalls über die Rechte (bei einem Rechtsstreit und vor Gericht) von Autisten berichten kann?
09.05.11, 11:46:28
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Antika
(Autistenbereich)

Hat denn nicht jeder das Recht die Aussage bei/vor Gericht zu verweigern, wenn er sich oder Familienmitglieder belasten würde?

Ich habe mal gegen die BRD geklagt, aber als Zeuge musste ich noch nie vor Gericht aussagen. Aber ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich nur einmal von der Richterin in der Sache befragt wurde. Ansonsten hat nur mein Rechtsanwalt gesprochen. Als ich dann die zweite Frage der Richterin nicht beantworten konnte, durfte ich mit meinem Rechtsanwalt für kurze Zeit den Gerichtssaal verlassen, und mich mit ihm draußen auf den Flur beraten.

Aber ansonsten kenne ich mich da nicht wirklich aus.

"Das, was du tust, schreit so laut, dass ich nicht hören kann, was du sagst."

(Sprichwort aus Mosambik)
--------------------------------

"Die Erinnerungen verschönern das Leben, aber das Vergessen allein macht es erträglich."
(Zitat von Honoré de Balzac)
09.05.11, 12:02:57
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