Forum für Autisten und interessierte Zeitgenossen (http://autismus.ra.unen.de.auties.net/index.php)
-- Offenes Forum (Schreibrecht auch für unter User=Gast; Pass=Gast eingeloggte Gäste) (http://autismus.ra.unen.de.auties.net/board.php?id=3)
---- Angehörige und weitere Mitmenschen (http://autismus.ra.unen.de.auties.net/board.php?id=23)
Thema: Handlungsunfähigkeit = Blockaden? (http://autismus.ra.unen.de.auties.net/topic.php?id=4791)


Geschrieben von: monica62 am: 02.05.11, 11:11:49
Hallo zusammen

Ich weiss nicht, ob ich mit meiner Frage hier am richtigen Ort bin. Wenn nicht bitte ich darum, meine Frage umzuposten.

Wir stellen bei unserem jüngsten Sohn immer wieder Handlungsblockaden fest. Er bleibt dann regungslos stehen oder sitzen und macht gar nichts mehr. Diese Blockaden begleiten ihn bereits seit er ein Kleinkind ist.

Damit man sich dies besser vorstellen kann, gebe ich mal ein paar Beispiele. Ich holte meinen Sohn im Karate-Training ab, auf dem Nachhauseweg wollte ich noch schnell einkaufen. Er wollte nicht mit in den Laden, also gab ich ihm in der Zwischenzeit den Auftrag, 3 Briefe in den Briefkasten der Post zu werfen. An und für sich keine schwierige Aufgabe. Als ich ca. 10 Min. später aus dem Laden kam, stand mein Sohn immer noch stocksteif am gleichen Ort, wie ich ihn verlassen hatte. Ich blieb dann ca. 20 m von ihm entfernt stehen und wies ihn mündlich an, seinen Auftrag zu erledigen. Er machte es dann auch widerwillig, warum es ihm so schwer fiel, konnte er mir im nachhinein nicht erklären.
Ein anderes Beispiel, war während dem Karate-Training. Ein Ersatzlehrer war dort. Auch dies führte bei ihm zu einer Blockade von ca. 20 Minuten. Er blieb regungslos, wie eine Statue stehen. Ein anderes Beispiel ist das Velo fahren. Wenn er mit dem Velo in die Schule soll (er kann Velo fahren), kann es sein, dass er entweder sich nicht auf den Schulweg macht oder das Velo in die Schule stösst. Er sieht dann einen Film vor sich ablaufen, welche Unfälle ihm möglicherweise mit dem Velo (Fahrrad) unterwegs zustossen könnten. Aus diesem Grund sagt er, wehrt er sich gegen das Velofahren.
In diesen Momenten, tut mir mein Sohn sehr leid. Es macht weh, ihn in diesem Zustand zu beobachten. Mir ist dann auch nicht klar, ob es besser wäre, ihn aus der Situation hinauszunehmen oder einfach abzuwarten, bis sich seine Starre löst.

Wir kennen diese Blockaden nicht, weder beim älteren Sohn, der ja auch HFA ist noch bei uns Eltern. Wir sind aber der Meinung, dass es wichtig ist, ihm solche Wege (wie Einkaufen, Wege zu Post und Behörden, Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel, etc.) beizubringen.

Kennt ihr solche Blockaden an euch oder an euren Kindern auch? Wie geht ihr damit um? Was hat euch geholfen?

Liebe Grüsse, monica


Geschrieben von: 55555 am: 02.05.11, 11:34:14
Diese Blockaden sind wohl Überforderung und zwar Überforderung nicht wegen der Sache, die du ihm aufträgst, die wird eher der Tropfen sein, der das Faß zum Überlaufen bringt. In welchem Umfang treibst du ihn denn zu diesem und jenem an?


Geschrieben von: Schneekugel am: 02.05.11, 11:45:55
Ich vermute mal er handelt in der Situation nicht, da er noch nicht durchüberlegt hat WIE er handeln möchte bzw. er grade an was anderes denkt. So frei nach "Aha, da ist ein neuer Karatelehrer usw...." und solange er das nicht durchgedacht hat, kommt entsprechend natürlich auch keine Handlung.

Ansonsten akzeptiere ich einfach wenn ich mich noch mit irgendetwas länger beschäftigen möchte, da ein "Abbruch" in dem Fall meist zur Folge hat, dass ein Teil meiner Konzentration dann weiterhin auf diesem "unvollendetem" haftet und ich den ganzen Tag fahrig und unkonzentriert bin.

Betreffend dieses Velo Fahrrads: Klar wäre es wünschenswert, wenn ER für SICH eine zuverlässige Art des Reisens und Transportierens findet, aber dann lasst ihn doch eine finden und zwingt ihm nicht die auf, die ihr wollt. Bevor er da händisch ein Rad schiebt, ist es doch gleich gescheiter zu Fuß zu gehen? O_o Gerade wenn er Angst davor hat.

Ich bin leidenschaftlicher Höhenjunkie, war Fallschirmspringen, Bungee jumpen, Berg klettern usw... und ich kann in keinster Weise nachvollziehen wie sich die Höhenangst meines Freundes für ihn anfühlt. Aber Fakt ist, er hat Höhenangst und entsprechend respektiere ich das und dränge ihn nicht ständig mir zu Liebe da jetzt Klettertouren zu unternehmen oder in irgendwelche Überkopfrummelplatzfahrgeschäfte einzusteigen, wenn er dabei tatsächliche Todesangst empfindet.


Geschrieben von: monica62 am: 02.05.11, 11:52:12
Wir möchten gerne die Selbständigkeit und die Selbstsicherheit unseres Jüngsten stärken und vergrössern. So sind wir auf die Idee gekommen, dass er einmal in der Woche in der Bäckerei Brot holen soll und von Zeit zu Zeit die Briefe bei der Post einwerfen solle. Einerseits werden diese kleinen Hausaufgaben während der Woche thematisiert, andererseits wird ihm ein bis zwei Tage vorher gesagt: "morgen ist es deine Aufgabe, das Brot zu holen". Er hätte auch die Wahl etwas anderes zu machen. Seine Aufgabe besteht darin selbständig, d.h. ohne Begleitung, aus dem Haus zu gehen und irgendetwas Kleines am Punkt B zu erledigen (Pet entsorgen etc.).

Trotzdem wenn dann der Tag X da ist, kommt er nîcht weiter als bis zu unserem Briefkasten. Wenn ihn jemand begleitet geht es problemlos. Erstaunlicherweise macht er den Schulweg alleine. Und so gross unterscheiden sich die Aufgaben "kleine Besorgung" und "Schulweg" ja nicht.

Liebe Grüsse, monica


Geschrieben von: haggard am: 02.05.11, 12:04:40
es gibt da schon einen unterschied. den schulweg hatte ich selbst irgendwann auch "allein" bewältigt. es waren immer andere kinder dabei. waren sie es nicht, hatte ich panikattacken. außerdem könnte er *schnell-schnell* zur schule gehen und wäre dort wieder in einem "sicheren rahmen". wenn er zum briefkasten soll, öffentlich, chaos drumherum, das nicht halbwegs so bekannt und einigermaßen berechenbar wäre wie das in der schule, muss er aus diesen schlechten umständen wieder den rückweg antreten. da ist es für mich verständlich, dass er schon zu beginn überfordert zu sein scheint.

während der schuljahre besaß ich null freie kapazitäten für derartige "extrawünsche" meiner eltern. alles muss aktiv verarbeitet werden. bleibt einem dazu keine zeit, staut sich unruhe an - und diese ist für alles kontraproduktiv.

bei mir glauben es andere kaum, doch ist regelmäßig der weg an sich das größte hindernis. wenn dann noch der zielort chaos ist, ist alles schlecht.


Geschrieben von: 55555 am: 02.05.11, 12:04:59
Ich vermute mal, daß ihm im Alltag schon viel begegnet was ihn belastet und er verarbeiten muß. Ihm dann noch zusätzlich durch solche gut gemeinten Aufgaben Druck zu machen wird aus meiner Sicht diese Situation eher verschärfen (inwieweit es bei ihm als Druck ankommt weiß ich nicht). Sinnvoller wäre aus meiner Sicht zu überlegen wo im Alltag bisher noch Situationen vorhanden sind, die Autisten belasten. Solche Situationen werden oft nicht erkannt. Wir könnten hier versuchen aus möglichst detaillierten Schilderungen alltäglicher Situationen solche vermeidbaren Reibungspunkte zu erkennen und Ratschläge für ihre Überwindung zu geben.


Geschrieben von: Mama am: 02.05.11, 12:58:08
@monica62
Aus meiner Sicht verhältst Du Dich ganz richtig. Ihm kleine Aufgaben zu geben und diese auch anzukündigen finde ich geradezu perfekt.
Bei Deinen Beispielen fiel mir sofort auf das Veränderungen stattfanden:
Der Einkauf nach dem Training, obwohl es sonst immer nach Hause geht; der neue Lehrer beim Training.
Das sind Ereignisse, die Dich vielleicht auch erstmal verwirren. Aber nur kurz.....
Stelle Dir vor ein Zahnarzt sagt zu Dir er müsse leider einen Zahn ziehen, obwohl Du schon tagelang zur Behandlung des Zahnes bei ihm warst. Er konnte ihn aber nicht retten, muss ihn leider doch ziehen.
Für Dich ein Schock.....aber Du bist tapfer. Stelle Dir nun vor der Zahnarzt sagt dann noch er könne keine Betäubung setzen....
So ähnlich fühlte sich vielleicht Dein Sohn vor dem Supermarkt, als Du ihm noch die Aufgabe mit den Briefen gabst.


Geschrieben von: PvdL am: 02.05.11, 15:30:14
Ich hatte auch mal eine solche "Blockade". Ich kam eine Woche auf eine offene Station. Die Diagnose lautete "Stupor". Sollte dieses der Fall sein, ließe sich das jeweils mit einem Notfallmedikament (z.B. Lorazepam) behandeln. Darüberhinaus sollte aber auf jeden Fall auf die auslösenden Ursachen eingegangen werden. Ein Psychiater sollte helfen können.


Geschrieben von: 55555 am: 02.05.11, 17:47:18
Hilfe!


Geschrieben von: monica62 am: 02.05.11, 20:35:35
@Schneekugel
Das Velofahren ist für unseren Sohn nicht in jeder Situation schlimm. Wir haben ihn auch schon juchzend und summend darauf erlebt. Er braucht aber immer wieder eine relativ lange Eingewöhnungszeit, bis er sich wieder an sein Fahrzeug gewöhnt. Während der Winterzeit blieb das Velo im unbenützt in der Garage. Nun steht aber bald die Schulreise im Raum und diese findet voraussichtlich auf dem Velo statt. Aus diesem Grund machen wir ihm momentan etwas mehr Druck, als er es sich von uns gewöhnt ist. Damit das Velofahren für ihn normal wird, soll er jetzt den Schulweg mit dem Velo machen. Da dies für ihn, wegen verschiedensten Problemen, noch schwierig ist (wie verhalte ich mich auf dem Strässchen, wenn es mit den kleineren Schulkindern verstopft ist. Was mache ich, wenn die Velos umgefallen sind, wo ist der Platz für mein Velo, mein Fahrradhelm, etc.), wird er jetzt 2 Mal pro Woche von seiner Heilpädagogin auf dem Schulweg begleitet.

@PvdL
Von Stupor habe ich noch nie gehört, es liest sich aber erschreckend. Als so schlimm, würde ich jetzt das Erstarren unseres Sohnes nicht einschätzen. Ich kann mich mit ihm, auch wenn er in diesem Zustand ist, unterhalten. Er reagiert. Ein Beispiel: Im Karatetraining, er steht völlig bewegungslos, die anderen Kinder machen ihre Katas. Unser Sohn bleibt stehen, auch wenn die Kinder sitzen. Er wird angesprochen vom KaratelehrerIn, es passiert nichts. Nach vielleicht langen 10 Minuten gehe ich in den Raum, ich gehe nur dann in den Trainingsraum, wenn ich das Gefühl habe, er schafft es diesmal nicht alleine sich aus dieser Starre zu befreien. Ich spreche ihn an und frage ihn, ob ich ihn berühren darf, dann vielleicht 1 bis 2 Min. später frage ich ihn, ob ich ihn zur Treppe führen darf. Dann sitzen wir dort ab. Wenn seine Körperhaltung wieder lockerer scheint, frage ich ihn, ob er jetzt wieder weitermachen kann. Wenn er bejaht, führe ich ihn in die Reihe und verlasse den Raum. Meistens kann er dann die Lektion mit den anderen Kindern fertig machen.

@55555
Was meinst du mit Hilfe? Worauf bezieht sich diese Aussage? Ich verstehe momentan gar nichts!


Geschrieben von: 55555 am: 02.05.11, 20:46:35
Bei solchen ziemlich verbreiteten Erscheinungen in einem Thread in welchem es um ein Kind geht auf Psychosubstanzen zu kommen finde ich ziemlich verfehlt und gefährlich.


Geschrieben von: Quadriga am: 02.05.11, 22:18:52
Das könnten evtl auch Folgen von einer Chronischen Überlastung sein, die dann in einer Extremsituation dazu führen, dass dein Kind eben regungslos stehen bleibt, auch wenn es das gar nicht will. Das ist dann so eine Art Bewusstseinsabschaltung mit einem akuten Kontrollverlust des Körpers. Selbiges kenne ich zumindest, auch wenn ich meistens dazu in der Lage bin, diesen regungslosen Zustand mit etwas Mühe kurzfristig oder auch dauerhaft wieder zu beenden.