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Ich stehe der Festhaltetherapie...
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Autor Nachricht
Bijoux
(Standard)

geändert von: Bijoux - 12.05.10, 18:42:52

Guten Tag,
ich schreibe zur Zeit an meiner Facharbeit, welche im 2. Halbjahr der 12. Klasse Pflicht ist. Dazu durften wir die Themen frei wählen, ich entschied mich für Folgendes:

"Kritische Analyse der Festhaltetherapie beim frühkindlichen Autismus"

Nun wollte ich mich erkundigen ob es hier User gibt, die bereits Erfahrungen mit dieser Therapieform gemacht haben und sich bereit erklären würden, mir diese zu schildern, damit ich sie auch in meine Facharbeit einbringen könnte. Falls dies nicht der Fall ist würde ich mich auch (von Autisten) über Rückmeldungen auf Fragen wie z.B.:

- Wie würde ich mich fühlen über mehrere Stunden festgehalten zu werden ohne mich befreien zu können?
- Habe ich ein eigentliches Bedürfnis nach Geborgenheit, Nähe etc., weswegen ein solches Festhalten vielleicht auf Dauer positiv sein würde?
- Fühle ich mich meiner eigenen Freiheiten beraubt, unmenschlich behandelt, diskriminiert, wenn ich auf derartige Weise "therapiert" werden würde?
- Ist es überhaupt notwendig "Heilung" für frühkindlichen Autismus zu finden?

freuen.
Regliche weitere Meinungen und Erfahrungen das Thema betreffend sind natürlich ebenfalls erwünscht.

Danke schon mal im vorraus!
12.05.10, 18:40:07
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HundundKatz
(Angehörigenbereich)

Hallo,
ich bin zutiefst entsetzt darüber zu hören, dass es so etwas gibt, wie Festhaltetherapie. Das hört sich für mich furchtbar
an. Könntest du dir vorstellen, du wirst fest gehalten.

Ich möchte hier erwähnen, dass ich in eurem Forum und zeitgleich in einem Forum für Linkshäder aktiv bin.
Ich bin umgeschulte Linkshänderin und habe gerade dort auch gelesen,
"Linkshänder und Schwule wurden als krankes Gesindel geächtet. Aber nicht nur in der Nazizeit, sondern lange davor und teils auch danach wurde Linkshändigkeit oder die linke Seite als negativ oder minderwertig gesehen".
Ich möchte hier nicht diese Welten mischen, es sind nur beides Themen, die JETZT in meine Leben getreten sind und ich hoffe, dass ihr mir verzeiht, dass mich beides sehr bewegt. Was ist das für eine Gesellschaft ?????
Soviel Potenzial, soviel Schönes, soviel wo wir ergänzen.
Was macht das für einen Sinn, es zu zerstören. Ich glaube fast, das diese Gesellschaft Angst hat...






12.05.10, 19:03:11
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Bijoux
(Standard)

Ich kann an dieser Stelle ja mal erwähnen, dass selbst wenn ich die Facharbeit von einem neutralen Standpunkt aus schreiben muss und ich natürlich auch positiven Meinungen gegenüber offen bin, ich diese Therapieform selbst stark kritisiere.

Zur Erklärung für all diejenigen die über die Festhaltetherapie nicht bescheid wissen, damit sie vielleicht trotzdem mitreden können.

-bei der Festhaltetherapie wird fälschlicher Weise eine gescheiterte Mutter-Kind-Bindung als Auslöser für den Autismus gesehen.
-sie soll beiden Parteien helfen, den Eltern, in dem die Kinder besser "händelbar" werden, und den Kindern, in dem sie ihr verborgenes Bedürfnis nach Geborgenheit stillen können. In manchen Fällen soll sogar eine "Heilung" des Autismus folgen.
-es soll weder zur Folter, Züchtigung oder Bestrafung benutzt werden.
-nach einer bis zu mehrere Stunden andauernden Umarmung durch eine enge Bezugsperson (meist die Mutter aber auch von [mehreren] Therapeuten), bei der die Bewegungsfreiheit komplett eingeschränkt wird, der Patient durch Kitzeln und ähnliches (auch durch Mund offenhalten bzw. gewaltsam schließen des Mundes in extremen Formen) stimuliert werden soll, soll schließlich der Wiederstand (oder der Wille?) des Kindes gebrochen werden, damit es sich dem Blickkontakt hingeben kann, ruhig wird und "die Liebe fließen kann".

Dies umschreibt denke ich im groben das Verfahren der Festhaltetherapie.

@HundundKatz: Ja, ich kann dein Entsetzen verstehen, mir geht es ähnlich, vorallem nach lesen einiger Fachliteratur zu der Thematik...
12.05.10, 19:17:04
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HundundKatz
(Angehörigenbereich)

Hallo Bijoux
was du erzählst erinnert mich daran wie meine Schwester mich
als ich ein kleines Kind war immer festhielt und kitzelte.
Es war eine Tortour. Es ging bis ich aufgab, ich gebrochen wurde und ja, dann war ich still und ruhig. Aber es war keine
innere Ruhe, es war wie erstarrt, ein kleiner Tod.
12.05.10, 19:30:14
Link
Löwenmama
(Autistenbereich)

Für mich gleicht Festhaltetherapie einer Vergewaltigung,körperlichem Missbrauch,psychischem Missbrauch und zieht posttraumatische Störungen nach sich.Ich fühle körperlichen Schmerz,wenn mich jemand ungefragt oder in Stresssituationen anfasst.Autistische Kinder werden bei einer solchen Folter keine Geborgenheit erlernen oder erfahren, sondern nur Angst,Panik und noch mehr Abscheu vor körperlichen Berührungen bis hin zu tiefer Depression und traumatischen Störungen.
Lass dich mal fesseln,fremde Meschen schlagen auf dich ein (so kann sich Berührung anfühlen),schreien dich an,vielleicht kannst du nicht sprechen,entweder vor Schock oder weil du nicht über verbale Sprache verfügst,du kannst also nicht SAGEN:Nein,aufhören,es tut weh,ich habe Angst!!! Hat das noch etwas mit Geborgenheit zu tun???

Die Hoffnung ist der Regenbogen
über den herabstürzenden Bach
des Lebens.
Friedrich Wilhelm Nietzsche
12.05.10, 19:53:04
Link
55555
(Fettnäpfchendetektor)


Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
12.05.10, 20:23:59
Link
Bijoux
(Standard)

geändert von: Bijoux - 12.05.10, 20:49:35

Danke schon mal für die Rückmeldungen, mich freut es (auch wenn es auf einer anderen Seite auch traurig ist), dass es hier eine solch rege Beteiligung zu diesem Thema gibt.
Da ich (als nicht Autistin) mir nicht vorstellen kann, wie sich ein solches Festhalten anfühlen muss, sind eure Beschreibungen sehr hilfreich. Ich fände es als "Normalo" (ich hoffe dieser Begriff wird von Keinem als diskriminierend wahrgenommen, aber habe ihn in anderen Autismus-Foren bereits vorgefunden) bereits schrecklich so gezwungen festgehalten zu werden und kann mir vorstellen, dass es für einen Autisten noch schlimmer sein muss (auf Grund der Überempfindlichkeit).

Danke 55555, habe den Thread schnell überflogen und werde mir ihn sofort genauer durchlesen.

Alleine aus rechtlichen Gründen habe ich noch eine Frage. Hätte irgendwer ein Problem damit wenn die in diesem Thread geposteten Antworten in meine Facharbeit mit einfließen bzw. zitiert würden? Wenn ja sollen die entsprechenden Personen dies am besten an das Ende ihres Posts schreiben. Diese Frage richtet sich auch an die Administratoren. Wie steht es mit der Umfrage, darf sie kopiert werden?

An dieser Stelle auch eine Entschuldigung: Ich war mir nicht sicher gewesen, in welches Unterforum ich diesen Thread stellen sollte, deswegen danke für die Verschiebung!

Liebe Grüße
12.05.10, 20:45:56
Link
[55555]
(Administrator)

Ich sehe da allgemein erstmal keine rechtlichen Probleme.
12.05.10, 21:44:04
Link
drvaust
(stillgelegt)

Ich habe keine praktische Erfahrung mit Festhalte-'Therapie'.
Aber einfaches Festhalten, manchmal sogar Berühren, kann bei mir eine panische Reaktion auslösen. Das ist ein überwältigendes unangenehmes Gefühl.
Wenn das dann noch ein völliges Festhalten ohne Ausweich-Möglichkeit ist, dazu noch Manipulation an meinem Körper, grauenhaft.
Meistens erfolgt das zudem durch eine wichtige Bezugsperson. Das muß für das Kind schlimm sein. Nichteinmal dieser wichtigen Bezugsperson kann es vertrauen. Das Kind verliert evtl. den Bezug zur wichtigsten Person.
Ich vermute, das Kind wird dadurch psychisch gebrochen und verliert den persönlichen Halt.
traurig Danach ist das Kind evtl. nicht mehr richtig lebensfähig, kann nur noch als Pflegefall betreut werden.

Vielleicht hilft Festhalte-'Therapie' bei bestimmten Problemen von NA-Kindern (kann ich mir kaum vorstellen), für Autisten wird das die Hölle sein.

12.05.10, 23:18:40
Link
Fundevogel
(Angehörigenbereich)

Es sollte sich jeder die Frage stellen, ob er festgehalten werden möchte, um "in Liebe" "eingeritten" zu werden.

Alles was gebrochen wurde ist zerbrochen.

Mit Züchtigung züchtete man in früheren Jahren widerspruchslose Untertanen.

Welches Interesse haben Therapie und Erziehung heute, "Nickneger" heran zu ziehen?

Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. (Johannes 8.12).
Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind. (Markus 4.21) (Lukas 8.16)
12.05.10, 23:41:46
Link
Mama
(stillgelegt)

Bijoux, stell Dir vor eine Dir sehr wichtige Person hält Dich einfach fest, ohne etwas zu sagen. Mit ihrer ganzen Kraft hält sie Dich fest.
Du versuchst Dich zu wehren, doch Du schaffst es nicht. Du verstehst nicht, warum diese wichtige Person dies tut....Du kommst nicht los.
Du versuchst alles um loszukommen, aber Du schaffst es nicht.
Du wirst immer schwächer und schwächer.....dann auf einmal lässt dieser Mensch Dich los!
Wird sie nun immer noch eine wichtige/ die wichtigste Person für Dich sein? Oder wirst Du Dich vor ihr fürchten?
Aus Furcht wirst Du nichts sagen....und dann am nächsten Tag kommt diese Person wieder und hält Dich wieder fest.....und dann wieder und wieder...
Festhalte-Therapie ist mit die schlimmste Mißhandlung und sie wird noch durch die Medizin gedeckt.

[Wegen diversen Regelverstößen und Vandalismus einschließlich Mißbrauch des Gastzugangs bei bereits früher vorgekommener Sperrung bis auf Weiteres gesperrt, mfg [55555]]
12.05.10, 23:53:13
Link
horrorvren
(Standard)

Hallo, mit mir wurde so etwas gemacht, als ich noch sehr jung war. Ich kann mich nicht mehr an den genauen Ablauf erinnern, nur noch dass ich schreckliche Panik hatte, weil ich mich nicht bewegen konnte. Je mehr ich mich wehrte, desto fester wurde ich gehalten und ich hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen und bekam noch mehr Panik. außerdem haben die Berührungen teilweise sehr wehgetan, aber wenn ich schrie wurde mir einfach der Mund zugehalten.
Ich habe dann gelernt, dass ich weniger schlimm "eingequetscht" wurde, wenn ich mich nicht wehrte und tat, was man von mir wollte.
Mein Vater hat das alles mit mir gemacht. Ich kann es heute noch nicht ertragen, wenn er mich berührt. Wenn ich ihn umarmen muss, empfinde ich Abscheu, aber ich tue es trotzdem weil ich weiß, er hat nicht gewusst was er mir antut. Er hat wirklich gedacht, wenn ich mich beruhige geht es mir gut.
Auch bei Personen, denen ich vertraue und deren Berührungen ich eigentlich genieße, kommt es heute noch vor, dass ich es plötzlich nicht mehr aushalte und Panik, Herzrasen... bekomme.
Für mich hat das nichts mit Therapie zu tun und erst recht nicht mit Liebe.
13.05.10, 01:36:44
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