Hallo!
Zitat:
durch deine äußerungen habe ich den eindruck erhalten, dass du deinen eigenen sohn nicht verstehst und auch nicht gewillt wärst, dieses zu versuchen. anderenorts schriebst du, dass du es als respektlosigkeit deinem sohn gegenüber empfinden würdest, "hinter" sein verhalten zu blicken. aber genau das ist notwendig. wie willst du ihn denn sonst verstehen können?
Ich kann Norberts Haltung verstehen. Ich meine, wie kann man wissen, was ein Mensch denkt, wenn er sich nicht äußern kann? Wenn wir uns sein Verhalten fremd vorkommt? Angenommen, ein Autist hat „Wutanfälle“, beißt sich selbst in die Hand etc. Okay, natürlich kann das daran liegen, dass er durch das laufende Radio reizüberflutet ist, aber kann auch tausend andere Ursachen haben. Woher sollen wir dann wissen, welche von diesen tausend möglichen Dingen das ist, was diesen „Wutanfall“ ausgelöst hat? Natürlich versuche ich dann, das störende zu finden und abzustellen, wenn das möglich ist, aber das wird eben schwieriger, wenn sich ein Mensch nicht gut äußern kann. Dann bleibt eben nur Rätselraten, und das ist eben für beide Seiten unbefriedigend, aber nicht zu ändern. Und es gibt eben auch Störfaktoren, die ich nicht abstellen kann.
Eine gewisse Anpassung ist auf beiden Seiten nötig. Das heißt nicht, dass der Autist seine gesamte Persönlichkeit ändern muss, um den Nichtautisten zu gefallen, was ja auch gar nicht funktionieren würde. Es geht dabei gar nicht darum, dass der Autist nicht mehr mit den Händeln wedeln soll usw. Dinge wie Händewedeln usw. sind ja Dinge, die niemanden stören sollten. Aber es gibt einen Satz der besagt, die Freiheit des Einzelnen hört da auf, wo die Freiheit des anderen einschränkt wird. Und das gilt eben auch für Autisten, genauso wie für Nichtautisten.
Ein kleines Beispiel zur Veranschaulichung: Ich betreue einen Autisten. Wenn mein gleichaltriger Bruder weint, und das autistische Kind auf ihn losgeht und ihn kneifen will, weil er eben mit weinenden Menschen überfordert ist, dann muss ich ihn festhalten, damit er meinem Bruder nicht weh tut. So einfach ist das. Da muss sich der autistische Junge anpassen, kann ihm zwar immer wieder erklären, warum mein Bruder geweint hat, aber weh tun darf er ihm nicht. Genauso wie wenn er unsere Katze treten will.
Wenn er ständig mit Gegenständen herumwirft, versuche ich auch, das abzustellen, weil es mich eben stört. Denn schließlich bin ich es ja, der alles wieder aufräumt und der die Gegenstände ersetzt, wenn etwas kaputt geht. Ich kann aber mit ihm mit einem Ball auf den Sportplatz gehen, wo er dann so viel werfen kann wie er will.
Das sind eben alles Dinge, wo sich Autisten anpassen müssen, anders geht es nicht. Oder kann mir jemand von euch sagen, wie es anders gehen soll.
Auch Menschen, die mit Autisten zu tun haben, müssen sich anpassen, und das tun sie auch, auch, wenn ihr das vielleicht nicht seht. Wenn ich mit einem Autist zu tun habe, von dem ich weiß, dass er sehr lärmempfindlich ist, dann drehe ich nicht das Radio laut auf, sondern höre in einem anderen Zimmer Radio, sodass er sich nicht davon gestört fühlt. Das geht eben in der Familie so. Aber wenn ich mit einem lärmempfindlich Autisten in einem Geschäft bin, wo aus den Lautsprechern Musik dudelt, dann kann ich dagegen nichts machen. Dann ist das eben so. Da kann man sich nicht nach einem einzigen Menschen richten, so weh das vielleicht tut.
Ich finde es schade, wenn hier die Meinung vertreten wird, dass die Eltern immer die sind, die Schuld sind und keine Rücksicht nehmen. Mit gegenseitigen Anfeindungen wird wohl niemanden geholfen. Die Last, die Eltern von schwer autistischen Kindern zu tragen haben, ist nicht zu unterschätzen. Das Kind trägt keine Schuld an dieser Last, und das behauptet hier ja auch niemand. Trotzdem ist diese Last da, und ein bisschen Respekt gegenüber Eltern wäre schon schön.
Und was mir hier auch auffällt, dass hier das Bild von „dem einen Autisten“ vertreten wird. Ihr müsstet ja eigentlich am besten wissen, dass Autisten sehr unterschiedlich sind. Wenn der eine etwas kann, kann der andere noch lange nicht. Was den anderen stört, ist für einen anderen kein Problem. Zum Beispiel kann der Autist, den ich betreue, keinen Stift halten, und andere Autisten, wie der Sohn der „starken dame“ malen Kunstwerke, obwohl sie erst halb so alt sind. Dagegen liebt der Autist, den ich betreue, Geräusche aller art, wo sich andere die Ohren zuhalten oder ausflippen.
Zitat:
Also ich verstehe unter eine Win-Win-Situation einen Ablauf zwischen Parteien, bei denen unterm Strich alle Parteien gewonnen haben. Das kann eine Tausch sein. A gibt Gegenstand X an B und bekommt dafür Gegenstand Y. Beide empfinden den jeweils neu erhaltenen Gegenstand für sich selbst als wertvoller. Entscheidend ist für mich dabei nicht, ob A Gegenstand Y am liebsten geschenkt bekommen hätte und ihm an Gegenstand X z.B. wegen dessen Tauschwert durchaus auch ein wenig lag. Du scheinst mir jedoch davon auszugehen, daß Win-Win bedeuten müsse, daß niemand der Beteiligten "Mühe" investieren müsse.
Ich glaube, damit hast du erfasst, was Norbert sagen wollte, jedenfalls habe ich ihn so verstanden. Damit beide Parteien gut leben können, müssen sich beide ein Stück weit anpassen.
LG Claudia