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Autor Nachricht
55555
(Fettnäpfchendetektor)

Bin mal wieder auf das Thema gestoßen und stellte mal wieder verblüfft fest, daß es Menschen gibt, die tatsächlich ihren Körper als "Ich" betrachten. Könnte das Berührungspunkte mit der mangelnden Fähigkeit vieler NA besitzen zwischen Sachaussagen und Aussagen über Personen in sinnvoller Weise zu trennen?

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
14.03.10, 19:37:02
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starke Dame
(Angehörigenbereich)

Ich betrachte meinen Körper als ich, den letzten Satz verstehe ich nicht.

Ich sehe mich, meine Gedanken, Gefühle und meinen Körper als eins an und das bin ich.
14.03.10, 21:13:10
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Fundevogel
(Angehörigenbereich)

Ich glaube, dass es getrennte Anlagen gibt, die bei dem einen mehr und dem anderen weniger zusammengeführt sind und auch maßgeblich das "Ich-Bild" und das "Sach-Bild" beeinflussen.

In der Sprache finden sich zahlreiche Bezeichnungen für Zustände vorübergehender Trennungen von sich selbst: "Neben sich stehen", "Außer sich sein", "Einen neben sich gehen haben", "Nicht mehr alle beisammen haben", "Sich spiegeln", "Über seinen Schatten springen", "Außer Stande sein", "sich mit Abstand betrachten", "über sich nachdenken".

Selbst "Ich bin eins mit mir" stammt von einem imaginären Betrachter;)

Diese Formulierungen werden sowohl zur Beschreibung von Defiziten in Belastungssituationen als auch bei der Klärung innerpersönlicher Verwirrungen verwendet.

Es scheint mir natürlich, diese "zwiespältigen" Fähigkeiten zu Kontrolle, Schutz oder doppelbödigem Empfinden zu akzeptieren und zu nutzen.

Mich würde auf deiner Frage aufbauend interessieren, ob in diesen Spaltungssituationen eine klarere Sicht auf Person oder Sache herrscht als im "Normalzustand" von NA.

Forthebeautyoftheearth

Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. (Johannes 8.12).
Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind. (Markus 4.21) (Lukas 8.16)
15.03.10, 02:59:04
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wolke7?
(Standard)



Wie wärs mit einem Beispiel ?



"Die Zeit schreitet voran. Und du, Mensch?"
"Die Wirklichkeit kann man ändern, eine Fiktion muß man aufs neue ersinnen."
Stanislaw Jerzy Lec, poln. Lyriker und Aphoristiker


15.03.10, 20:29:28
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Fundevogel
(Angehörigenbereich)

Mit "Außer sich sein" wird allgemein ein Zustand beschrieben, wenn jemand z.B. aus fürchterlicher Wut die Fähigkeit zur Selbstkontrolle vorübergehend verloren hat.
Das könnte man als interne Trennung bezeichnen.

Ich habe bei einem extremen Ereignis, wo ich gleichzeitig fürchterliches Leid erfuhr und konzentriert Fragen einer Kommission beantworten musste erlebt, dass ich mich von mir löste und mich extern von der Seite anschaute, staunend darüber, dass ich verstummt vor Leid so routiniert antwortete.

Bei einer Nahtoderfahrung ist mir ähnliches geschehen.
Alte Soldaten erzählen ebenfalls von solchen Loslösungsprozessen in unerträglichen Situationen.

Interessant war, dass dieses "Betrachten seiner selbst" mit analytischer Wachheit und enormer Sinnesempfindsamkeit einher ging. Dieses zweite "Ich" protokollierte alles was geschah, während der Körper bedeutungslos funktionierte wie der einer Sprechpuppe.

Es ist nicht mehr wieder vorgekommen, aber ich denke seither wehmütig an den reinen Frieden dieser Situationen und grübele bei den Gesprächen, die hier im Ratgeberforum über die Loslösung und Distanz zum Körper geführt werden, ob manche Autisten diese Situationen ähnlich erleben.

Forthebeautyoftheearth

Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. (Johannes 8.12).
Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind. (Markus 4.21) (Lukas 8.16)
15.03.10, 23:04:37
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Ich habe überlegt inwieweit das auch etwas damit zu tun haben könnte, wieviel jemand mit seinem Körper hantiert oder eher geistig beschäftigt ist.

Aber es geht hier ja vor allem um die Wirkung, hast du in dieser geschilderten Dissoziationssituation Sprache vielleicht eher auf der Sachebene verstanden und nicht so sehr auch auf der Ebene von Ablehung oder Zustimmung auf Personenebene? Oder bleib das gleich? Aber ich weiß nicht, ob du diese Ebenen überhaupt so sehr vermischst wie viele NA offenbar.

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
16.03.10, 00:19:29
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Fundevogel
(Angehörigenbereich)

55555: Ich benutze im Alltag Sprache als etwas selbstverständlich aus mir Herauskommendes, Gestaltendes und zu mir Gehörendes, ohne groß darüber nachzudenken. Ich vermische die Ebenen wie alle NA, bin aber in Gesprächen hellhörig, wenn diese Vermischungen zu Konflikten oder Rückzügen führen und versuche dann zu "entwuseln".

In den geschilderten Dissoziationssituationen war die Sprache des Protokollanten sachlich Gedachtes und völlig losgelöst von der Personenebene, vom funktionierenden Körper war sie eine Handlung wie das Anheben einer Tasse.

Forthebeautyoftheearth

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16.03.10, 10:17:46
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Gibt es diesbezüglich weitere Erinnerungen von NA an dissoziative Zustände (sind ganz normal und hat jeder wohl schonmal erlebt)?

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
16.03.10, 14:55:54
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PvdL
(Φιλίππος Φιλύρινος)

geändert von: PvdL - 13.04.11, 00:26:30

Es lassen sich mit einem Körper zwar sinnliche Freuden erleben, gleichwohl könnte ich meistens darauf gut verzichten. Die Probleme überwiegen: Ich bin zwar so gut wie nie krank, fühle mich aber selten so alt, wie ich rein körperlich bin; meine Arme und Beine fühlen sich manchmal länger oder kürzer an, als sie sind; ich finde Körperpflege sehr unangenehm und der Harndrang scheint mich auch viel zu oft dann zu packen, wenn es gar nicht passen will. Von der Notwendigkeit zu essen und zu trinken will ich gar nicht erst anfangen. Das Problem des ersten Eindrucks, der meines Erachtens selten repräsentativ ist, wäre auch nicht gegeben, wenn die körperliche Erscheinung nicht immer vorweggenommenerweise für alle möglichen Qualitäten herhalten müßte.

Ich habe ein autistisches Begabungsprofil.
Mein Spezialinteresse ist Linguistik.
Ich bin Germanist, Linguist und Anglist.
Und leider bin ich zur Zeit arbeitslos.
13.04.11, 00:25:44
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anne1
(Standard)

geändert von: anne1 - 13.04.11, 01:43:26

Hallo,
also mein Körper ist schon ein Teil von mir,
und es hängt auch zT von meinem Körper ab, wie andere Menschen auf mich reagieren,
was mich auch etwas einschränkt.
Insofern "benutze" ich meinen Körper auch zur Selbstdarstellung. Ich finde, ich kann das ohnehin nicht vermeiden, also versuche ich doch , das nach meinen Vorstellungen beste draus zu machen.

Ich finde nicht, daß ich die Informationsebene mit den persönlichen Ebenen vermische,
vielmehr finde ich, es sind stets alle vier Ebenen vorhanden.
(Wobei man die Appell-Ebene ja auch als zweite Sachebene einordnen könnte. Hmmm ...)
viele Grüße,
anne
13.04.11, 01:22:59
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Fundevogel
(Angehörigenbereich)

Interessant finde ich immer wieder, dass bei NA der Körper eine ablehnende "Haltung" einnehmen kann, während aus dem Munde dem Gegenüber Zustimmendes mitgeteilt wird.

Man kann also annehmen, dass instinktive Mechanismen von anderen Gehirnteilen gesteuert werden als intellektuelle und dass sie im ICH "widersprüchlich" sind?

Ist diese "Zwiespältigkeit" der NA bei A nicht vorhanden?

Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. (Johannes 8.12).
Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind. (Markus 4.21) (Lukas 8.16)
13.04.11, 04:59:42
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biene63
(Standard)

geändert von: biene63 - 13.04.11, 08:12:40

Hallo,

ich habe viele Jahre gebraucht, um herauszufinden, welche Art von Wunsch wohl konkret mit solcher Aussage verbunden ist: "Gib mir bitte den Tee". Es hat mich immer wieder erstaunt, woher die Leute um mich herum instinktiv wussten, dass offenbar die Bitte des Menschen nicht war, diesen Tee direkt in den Schoß oder über den Kopf gegossen zu bekommen, sondern dass es der Wunsch des Bittenden war, diesen Tee in einem Gefäß gereicht zu erhalten, so dass der Tee noch zum Trinken benutzbar war.

Genauso erstaunt es mich bis heute, dass ein Päckchen stellvertretend für den Inhalt akzeptiert wird. Beispiel: Von der Packung einer Tütensuppe wird nicht erwartet, dass diese Packung die Suppe selbst ist. Auch wird nicht erwartet, dass sie wenigstens das Pulver ist, aus dem die Suppe zubereitet wird. Die Tütensuppenbenutzer um mich herum kommen alle mit dem Aspekt klar, dass die Tüte dieser Instantsuppe lediglich jenes Gefäss ist, welches das Suppenpulver enthält. Weiterhin wird diese Tüte als Fläche für Werbung und Information benutzt.

In mehreren Jahren der Übung konnte ich erlernen, dass mir mein Körper als Transportmittel dient, damit ich physisch dorthin gelange, um z.B. neue Nahrung zu erlangen, welche meine physische Basis aufrecht erhält. Ausserordentlich angenehm find ich, dass ich mittels meines Körpers zu Quellen gelangen kann, die mir neue interessante Informationen ermöglichen - Denkfutter halt!

Meinen Körper auch als Fläche für Werbung und Information zu benutzen, lerne ich nur sehr langsam. Dieser Bereich widerstrebt mir. Um in dieser Gesellschaft halbwegs durchzukommen, ist es aber wohl sinnvoll ein paar dieser Werbetechniken zu beherrschen, zumindest wenn man als weiblich gilt.

Ich habe sehr lange üben müssen, dass um in Sozialer Interaktion irgendwie miteinander verständlich zu sein, bestimmte Formen der Abkürzung abzeptiert werden. Es werden Symbole verabredet, die stellvertretend für den Inhalt stehen....lediglich, um den Alltag jeder für sich und alle miteinander irgendwie geregelt zu kriegen.

Und so ist es wohl Teil dieser Gesellschaft, dass der Name einer Person stellvertretend für jene gemeinte Person ist. Auf der physichen Ebene ist daher offenbar mein Körper ein Gefäss, daher ein Symbol für meine komplette Person - mein Körper ist ein Symbol für den geistig-seelischen Inhalt, der mich ausmacht.

lg biene63
13.04.11, 08:10:56
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