[Kettenbeiträge zusammengefasst, mfg [55555]]
„Siehst du nicht? Ich bin Autist, ich darf das.“ Und das versteh ich bei weitem nicht und werde ich auch nicht!
So solltest du das nicht auffassen. Bei mir kommt von dir an: „Ich bin normal, richte dich nach mir.” Du erwartest, dass dein Freund sich nach deinen Bedürfnissen richtet. Doch wir wollen dir vermitteln, dass sein Blick auf die Welt genauso richtig wie deiner ist, nur ganz anders. Ihr müsst euch beide einander annähern und die Fremdheit des Anderen akzeptieren. Dein Freund weiß, dass du völlig anders reagierst, auch wenn er damit nur schwer umgehen kann, weil er als Minderheit das so gelernt hat. Du hast allerdings noch Probleme es zu verinnerlichen, weil dir dieser Schritt noch bevorsteht.
Zitat:
Kann man nicht verlangen, in einer Beziehungen auf Gegenseitigkeit hinzuarbeiten?
Ja. Doch scheint mir, dass du diesen Schritt nicht wirklich tust. Deine Beschreibungen enthalten immer wieder dich als Maßstab. Es ist halt nicht einfach.
Zitat:
Das muss doch möglich sein, denn es kann doch nicht immer heißen: „Hey, pass auf, ich bin Autist“, ich denke mal, das darf auf keinen Fall jedes mal und immer eine Entschuldigung sein.
Es ist eine Erklärung, keine Entschuldigung. Ich denke, er tut es auch nicht. Er hätte sich schon lange zurückziehen können. Ich glaube, er versucht immer noch vorsichtig, sich die Regeln zu erarbeiten, nach denen du funktionierst. Vorsichtig deshalb, weil er dich liebt und nicht verlieren will.
Deine Aufgabe ist es, ihm ein Standardverhalten zu ermöglichen, also einen Satz Regeln, der zum Erfolg führt. Das gibt ihm Sicherheit. Wenn du von ihm intuitives Erfassen von Gefühlen erwartest: vergiss es. Dazu ist er, wenn überhaupt, erst nach sehr langer Zeit fähig.
Diese Sicherheit wird es ihm ermöglichen, neue Regeln auszuprobieren und eure Beziehung auszubauen. Wenn dir das mit den Regeln merkwürdig erscheint: Es ist unsere Art, die Welt zu erfassen und mit ihr umzugehen.
Zitat:
Ich denke mal dadurch, dass wir jetzt so offen darüber reden können und dass wir jetzt endlich diese „Überschrift“ für alle unsere überflüssig bestrittenen Probleme haben, wird es in nächster Zeit einfacher sein, sie zu lösen oder einfach damit besser umgehen zu können.
Prima. Das scheint mir ein erster, großer Schritt in die Zukunft zu sein.
Zitat:
Ich finde Uppsdaneben beschreibt alles sehr gut und macht den Autismus für mich sehr zugänglich und verständlich.
Danke
Zitat:
Alles in allem hilft mir das Forum sehr
Das ist eine seiner Funktionen.
55555, so, da haben wir's. Ich finde, du bist die ganze Zeit gegen mich.
Sicher nicht. Wir Autisten haben hier ein Problem. Wir Autisten fühlen uns etwa genauso abnorm wie Homosexuelle, wobei uns ständig gesagt wird, dass wir einfach nur mal richtigen Heterosex haben müssten, um normal zu werden, oder anderweitig für Geisteskrank erklärt werden.
Wir sind weder neurologisch typisch noch geistig behindert und werden dennoch mit allen Konsequenzen in eine der beiden Schubladen gesteckt. Dabei werben wir für die Akzeptanz unserer Andersartigkeit und fordern das Recht auf Andersartigkeit. 55555 tritt dabei sehr schnell und sehr heftig für das Recht ein.
Zitat:
dabei willst du mir wahrscheinlich einfach nur helfen und vorallem auch meinem Freund.
Ja. Denn für uns Autisten ist es dann ein Erfolg. Wir wollen keinen Sonderstatus, aber gleiche Rechte.
Zitat:
Oh mann ... es is gerade wirklich nich so einfach ... und so kommt es jedes Mal zum Streit. Er sagt etwas, ich fasse es falsch auf, obwohl er es ganz anders meint. Ich bin traurig oder wütend und weil er denkt, er macht was falsch, sagt er dann gar nichts mehr und mich nervt's nur noch mehr, weil er nichts sagt.
Eine gute Beziehung muss immer hart erarbeitet werden.
Man darf einfach NIX erwarten. Wenn man auch noch so gering einen anderen Eindruck erweckt, fühlt der andere sich unter Druck und hat Angst, etwas falsch zu machen. Also sagt und macht er erstmal nichts.
Wenn du die Lebenserfahrung eines Autisten im Zeitraffer machen willst, dann hilft folgendes Experiment:
Gehe mit einem guten Freund in ein Museum mit Gemälden. Lasse dir die Augen verbinden. Lasse dich zu einem Gemälde führen. Beschreibe das Bild. Wenn du richtig liegst, dann wirst du gestreichelt. Wenn du falsch liegst, bekommst du eine Ohrfeige. Wenn du nichts sagst, passiert nichts. Lasse dich vor 50 Gemälde stellen.
Was wird wohl am Ende passiert sein?