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Thema: Negative Reaktionen der Umgebung (http://autismus.ra.unen.de.auties.net/topic.php?id=3411)


Geschrieben von: Kasei am: 21.11.09, 08:39:11
Ich würde nie meiner Umgebung gegenüber aggressiv werden. Ich erwarte ebenso unbehelligt zu bleiben.

Dennoch nehmen sich andere Menschen wie selbstverständlich heraus, ausfallend zu werden. Ich führe dies darauf zurück, dass ich ihnen nicht "nett" genug bin. Ich bin höflich und beantworte Fragen, darüber hinaus fällt es mir schwer, Erwartungen zu erfüllen, von denen ich kaum weiß, wie sie aussehen. Immer wenn ich das versuche, werde ich durchschaut, d. h. ich habe auch damit schlechte Erfahrungen gemacht.

Ich verstehe nicht, das ist der Anlass für diesen Beitrag, inwiefern sich jemand das Recht nehmen kann, mir gegenüber aggressiv aufzutreten. Ich kann dieses Verhalten schlecht einschätzen und empfinde es als eine Bedrohung, obwohl es vermutlich nur eine Demonstration von Unzufriedenheit ist.

Kann mir jemand erklären, was in einem Menschen vorgeht, dessen Erwartungshaltung in menschlicher Hinsicht nicht zufrieden gestellt wird? Womit nehmen sich andere das Recht, mich zu schmähen? Ich bin versucht mit diesen Menschen kein einziges Wort mehr zu wechseln, was aber meine Situation nicht verbessert. Schauspielern und gute Mine zum Bösen Spiel zu machen kann ich aber auch nicht.

Noch einmal: Was geht in diesen Menschen vor? Fühlen DIE sich möglicherweise durch mich bedroht? Oder fühlen sie sich gekränkt? Was ist die gröbste Reaktion, mit der ich rechnen muss? Danke.


Geschrieben von: 55555 am: 21.11.09, 12:30:26
Viele Nichtautisten sind wohl von ihrer Veranlagung her gewissermaßen minderbemittelt. Da sie zu viele sind werden sie aber offiziell nicht als psychisch abnormal eingestuft, obwohl das eigentlich ziemlich offensichtlich ist. Es gibt ja auch einige Literatur dazu, die wie selbstverständlich davon ausgeht, daß alle Menschen noch veranlagungsgemäß mindestens zur Hälfte in der Urzeit verhaftet sind.


Geschrieben von: Kasei am: 21.11.09, 12:39:23
Danke für die Antwort. Ja, den Eindruck habe ich auch. Vor allem kann ich beobachten, wie man völlig grundlos zur Zielscheibe von Spott und sogar Hass werden kann.

Ich fühle mich an Walter Burkert erinnert, der postulierte, dass es in jeder Gesellschaft, der steinzeitlichen wie der Modernen, ein gewisses Maß an Aggression gibt, die man letztlich nicht los wird, die man aber nach einem Sündenbockprinzip kanalisieren kann. Diese Projektion hat viele Vorteile, weil sie die Gewaltspirale innerhalb der eigenen Gemeinschaft unterbricht, bzw. gar nicht erst entstehen lässt und der gemeinsame ausgeübte Akt der Gewalt gegen den Sündenbock das Gemeinschaftsgefühl stärkt.

Ich fühle mich auch versucht, diese Menschen als "primitiv" zu betrachten, will mich aber auch nicht im Umkehrschluss als überlegen betrachten, weil diese Sichtweise von Arroganz zeugt. Zudem hilft mir das nicht, wenn ich von solchen Menschen umgeben bin und diese nicht die Ausnahme darstellen.

Ich habe keine Ahnung, was ich machen soll. Es gibt wohl kein Erfolgsrezept.


Geschrieben von: 55555 am: 21.11.09, 12:42:20
Was soll man auch machen bei dieser Menge? zwinkern Gut ist es wohl Halt zu suchen bei Menschen, mit denen man halbwegs was anfangen kann.


Geschrieben von: blue_eye am: 21.11.09, 14:14:19
Zitat von Kasei:
...Ich fühle mich auch versucht, diese Menschen als "primitiv" zu betrachten, will mich aber auch nicht im Umkehrschluss als überlegen betrachten, weil diese Sichtweise von Arroganz zeugt.

Schlussendlich ist es dann doch auch eine Arroganz. Oder?
Vielleicht gibt es aber ein positiv besetztes Wort für diese Sichtweise.


Geschrieben von: 55555 am: 21.11.09, 16:44:02
Oder es ist eine Haltung, die bestimmte Werte vertritt? Werte, die erstaunlich allgemein gut geheißen werden, aber von den meisten Menschen auch erstaunlich wenig umgesetzt werden.


Geschrieben von: blue_eye am: 21.11.09, 19:02:44
So wird es sein.
Der Mensch ist des Menschen Wolf. Das liegt im Naturell.
Man darf nicht schwächeln. Schon ist es passiert.
Und dann 'Alle drauf!'
Irgendwie ein Urinstinkt, den die meisten noch 'drin' haben.
Ich hab jedoch die Erfahrung gemacht, dass der Anteil der Menschen, die das nicht so handhaben, größer wird.
Ist das nicht eine Frage der Aufklärung bzw. Information?
Allerdings die Rohheit und Rücksichtslosikeit vieler heutiger Jugendlicher gibt mir da wiederum zu denken...


Geschrieben von: 55555 am: 21.11.09, 20:13:55
Ich bestreite, daß das im Naturell der Menschen liegt. bei NA mag es mehr oder weniger so sein. Die allgemein bekannte Psychologie/Soziologie ist im Grunde keine Lehre vom Menschen sondern von eher durchschnittlichen NA. Das sollte man nicht vergessen, auch wenn diese sich sicher gerne gleich mit Menschen schlechthin gleichsetzen, weil sie oft eh nichts anderes zur Kenntnis nehmen.


Geschrieben von: Gast am: 23.11.09, 22:24:04
Oscar Wilde sagte einmal: „Man muss „Frauen“ nicht verstehen können, man muss sie lieben.“ Diesen Satz sollte man meines Erachtens auf „Menschen“ ändern.
In vielen Foren ist der Grundtenor der, dass Menschen einander nicht verstehen und sich daraus viele Verletzungen ergeben. Mir scheint dass dieses „Verstehen“ und „Verstanden sein wollen“ unseren Blick und unsere Handlungen einengt. Vielleicht sollten wir uns davon entfernen und zum „Lieben“ hinwenden. Ein Hauptmerkmal des Liebens ist der Respekt, ganz besonders der Respekt vor dem nicht zu Verstehenden und die aus dem Lieben erwachsene Akzeptanz, Gnade und Güte. Das Verstehen wollen scheint mir sehr wortlastig und wird in vielen Fällen einfach auch nicht gekonnt.
Die Lieblingsgeschichten der Menschen sind Geschichten vom Lieben und von Begegnung. Wenn sich auch im Alltag das Versagen als tragisches Element hartnäckig hält, ändert es doch nichts an der vorhandenen Sehnsucht nach diesem Ideal. Die Zärtlichkeit, mit der Menschen in vielen Fällen kleinen Kindern begegnen, die Erfahrung bei meiner täglichen Arbeit, wie viel Erbarmen mit den Kranken und Bedürftigen vorhanden ist…lassen mich spüren, dass mindestens soviel Liebenswertes in den Menschen steckt wie sie abweisend und auch gemein sein können. Es stellt sich die Frage, wie liebenswerte Eigenschaften in dieser Zeit des Egoismus und der Egozentrik populärer gemacht werden können.
Die meisten Menschen lieben es, einem Trend zu folgen. Als hoffnungsvoller Romantiker glaube ich, dass das Reflektieren der fast täglich erfahrenen Verletzungen unser Denken und Handeln stark eingrenzen kann und uns Hoffnungen und damit Recourcen nimmt. Ich versuche bei meiner täglichen Öffentlichkeitsarbeit, Respekt, Offenheit und Verantwortung für das eigene Handeln zum Trend zu machen. Das heißt für mich persönlich, Kontrapunkte zu derzeit vorherrschenden Verhaltensweisen zu setzen durch das Zeigen von Schwächen, das Wagen, sich lächerlich zu machen, das Erdulden von Gespött. Meine Erfahrung ist, dass dieses als ungewöhnlich empfundene Verhalten einem „Gegen-Über“ das Spiegeln der eigenen Unzulänglichkeiten ermöglicht, die Angst vor dem Unnormierten nimmt und sein Selbst-Bewusst-sein stärkt. Auf diese Weise wird mir in sehr vielen Fällen die Begegnung auf einer friedvolleren Ebene ermöglicht.
Es macht mich traurig, dass in Ihrem Forum gegenüber NA’s manchmal ein harrscher Ton angeschlagen wird. Es freut mich aber, dass manche Kommentare im wahrsten Sinne des Wortes „mitleidig“ sind.

Forthebeautyoftheearth


Geschrieben von: haggard am: 24.11.09, 02:49:21
Macht es Sie auch traurig, welch harsche Worte in diesem Forum gegenüber autistischen Menschen erfolgen?

Ist es nicht ein ausgewählter Aspekt, dass die Lieblingsgeschichten der Menschen vom Lieben handeln würden? Die Menschen sind eine sehr große Gruppe.


Geschrieben von: blue_eye am: 24.11.09, 10:32:15
Zitat von azrael:
Macht es Sie auch traurig, welch harsche Worte in diesem Forum gegenüber autistischen Menschen erfolgen?.

Das ist mir z.B. hier noch nirgends aufgefallen. Hast du mal ein Beispiel?
Gegenüber NAs sind jedoch schon einige abwertende Bemerkungen zu lesen, die mich jedesmal als NA (wenn ich denn wirklich nur das bin) ziemlich mitbeleidigen. Z.B. dass 'wir' alle lügen und verdrehen...
Ich fühle mich, wenn ich soetwas lese, absolut ungerecht beurteilt und recht hilflos.
Pauschale Urteile/Beurteilungen treffen auf viele eben nicht zu. Sie bleiben pauschal. Schubladendenken.
Zitat:

Ist es nicht ein ausgewählter Aspekt, dass die Lieblingsgeschichten der Menschen vom Lieben handeln würden?

Warum ist dann fast in jedem Film irgendeine Liebesgeschichte eingebaut? Warum handeln fast alle Lieder von solchen Themen?
In meinem Kopf spielt Liebe, Gemeinsamkeit, Vertrauen, Treue und Harmonie zumindest eine Dauerrolle bzw. Sehnsucht.
Manche Menschen können damit vielleicht nichts anfangen...
Vielfalt.


Geschrieben von: anne1 am: 24.11.09, 12:02:14
Hallo, Azrael,
es tut mir Leid, wenn Du meine Worte als harsch empfindest.
Ich bemühe mich, meine Gedanken so klar und deutlich und eindeutig wie möglich auszudrücken,
um Mißverständnisse zu vermeiden.
Das wirkt wohl schon harsch, es ist aber nicht böse gemeint.
viele Grüße, anne