Coyote
(Autistenbereich)
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geändert von: Coyote - 27.06.09, 19:45:09
Dies ist mit einigen Vorurteilen behaftet. Natürlich haben wir Menschen Emotionen. Die Smilys wissen aber nicht viel von ihnen. (Ich hoffe, die Schrift ist nicht zu hell)
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Es war einmal ein kleiner Smily …
Es war kurz vor Feierabend, gegen 17:00 Uhr und alle Angestellten konzentrierten sich auf die Abrechnung, nahmen die letzten Einträge vor und stellten die Ordner ins Regal.
Die Vermittlungsagentur hatte den ganzen Tag regen Zulauf gehabt. Endlich war Ruhe eingekehrt und während die Mitarbeiter schon in Gedanken bei ihren Familien waren, sprang plötzlich die Pendeltür auf und ein kleiner Smily trat ein.
Die Kollegen nahmen gegenseitigen Blickkontakt auf. Eine zuckte mit den Achseln, die andere schüttelte mit dem Kopf und so signalisierte jeder, diesen Smily jetzt nicht mehr bedienen zu wollen.
Auf Shany aber wartete niemand zu Hause. Sie bediente den kleinen Kerl.
„Guten Abend. Was kann ich für Sie tun?“
Der Smily wollte nett sein und machte eine Verbeugung. Alle runzelten die Stirn. Sehr seltsam, dieser Smily.
„Ich möchte gerne einen Smily aus ihrem Sortiment“, verkündete er.
„Nun, an welchen hatten Sie denn gedacht?“
„Einen Liebesmily, einen für Harmonie und Geborgenheit.“
Shany staunte. Gleich drei? Hatte er nicht eben gesagt, dass er einen wolle?
„Das ist aber nicht so einfach“, klärte Shany auf.
„Warum nicht?“
„Um ehrlich zu sein, Sie sind nicht besonders attraktiv. Da etwas Passendes zu finden, ist nicht einfach.“
Der Smily wurde nervös. „Wie muss ich denn sein?“
Shany schlug einen Katalog auf und begann mit einem kleinen Seufzer darin herumzublättern. Der Smily vor ihr wurde ungeduldig, wartete aber dennoch auf die nächste Reaktion der Dame.
„Nichts dabei?“ fragte er schließlich mit tonloser Stimme.
"Mmmm … ich will ehrlich zu Ihnen sein. Nun …“ sie räusperte sich. Dann nahm sie ihre Brille ab, legte in Gedanken den Bügel an den Mund und berührte damit immer wieder ihre Lippen.
So sieht es also aus, wenn man überlegt oder nachdenkt, entnahm der Smily aus dieser Geste.
„Sie sind ein neutraler Smily“, platzte sie schließlich heraus.
„Na und?“
„Da passt nichts anders zu.“
„Sie verstehen mich nicht. Ich möchte die Smilys nicht für meine Gesellschaft. Ich möchte sie benutzen, studieren und von ihnen lernen.“
Shany sah ihn entsetzt an.
Und der kleine Smily begriff. Er war hier unerwünscht.
„Ich habe viel Geld“, murmelte der kleine Kerl und schaute auf das große Poster, mit dem Foto einer lächelnden Smilydame, die einen Blumenstrauß in der Hand hielt.
„Würden Sie mir mal kurz ihre Brille geben?“
Shany dachte, er wolle sich auch die kleineren Bilder neben dem Poster ansehen und gab sie ihm.
Doch der neutrale Smily nahm den Bügel der Brille und legte das Ende davon an seine Lippen, um dann daran hin und her zu streichen, wie die Frau es gemacht hatte.
„Was machen Sie denn da?“ fragte Shany verdutzt.
„Na, ich überlege. Sehen Sie das denn nicht?“
„Oh … mit meiner Brille? Geben Sie die schnell wieder her. Die brauche ich, damit ich besser lesen kann. So etwas macht man damit nicht!“ Dann wischte sie das Ende des Bügels mit einem Tuch ab.
„Aber …“ Der Smily merkte, dass es wohl nicht angebracht war.
Wieder ein Seufzer von Shany. „Lassen sie mich überlegen“, sagte sie dann.
Warum musste ausgerechnet sie sich jetzt kurz vor Feierabend mit diesem Kunden abgeben?
„Sie haben vergessen, ihre Brille zu benutzen“, wollte der neutrale Smily sie erinnern.
Hä …? „Nein, die ist doch zum Lesen da - ich habe Feierabend. Wenn Sie noch etwas kaufen wollen, müssen Sie in den Supermarkt gehen. Hier sind Sie falsch!“
Der kleine Smily machte sich auf den Weg in den Supermarkt, wie die Frau es ihm vorgeschlagen hatte. Dabei tauchten Bilder vor seinen inneren Augen auf. Es waren hüpfende Smilys, lustige, und böse.
Vielleicht sollte ich nicht direkt nach Smilys fragen, sondern nach den Emotionen, dachte sich der Kleine und ging frohen Mutes weiter.
Im Supermarkt angekommen, steuerte er direkt auf einen Verkäufer zu.
„Ich habe einen Job, viel Geld.
Jetzt möchte ich mir endlich kaufen ….
Eine Portion Glück
Verbunden mit viel Harmonie
Ein bisschen Liebe und Geborgenheit“
„Tut mir leid – Ausverkauft, die Nachfrage war zu groß.“
Der kleine Smily wurde traurig. Doch man sah es ihm nicht an, er war ja ein neutraler Smily. Als ihm dann eine lächelnde Smilydame entgegenkam, ähnlich wie auf dem Poster in der Vermittlungsagentur, fasste er seinen Mut zusammen und sprach sie an:
„Entschuldigen Sie bitte. Sie lächeln so schön. Sind sie immer fröhlich und stets gut gelaunt?“
Die Dame war sehr freundlich. „Nein, nicht immer. Manchmal bin ich traurig, manchmal wütend. Aber meistens bin ich gut gelaunt. Jedenfalls ein fröhlicher Mensch.“
„Aber …“, überlegte der kleine Smily. „Sie sind auch manchmal traurig? Auch manchmal neutral?“
„Das auch“, entgegnete sie und schlug vor, sich mit ihr auf die Bank zu setzen, damit sie sich besser darüber unterhalten können. Denn auch sie hatte das Bedürfnis, einen Smily anderer Art kennen zu lernen.
„Aber Sie sehen doch immer gleich aus“, erklärte der kleine Smily.
„Schon“, lächelt sie. Aber ganz tief in unserem Herzen haben wir alle diese Smilys in uns. Und auch du hast Sonne und Glück in deinem Inneren. Du musst es nur finden.“
„Auch Liebe und Harmonie?“
„Auch das.“
Der kleine Smily musste nachdenken, doch diesmal ohne eine Brille an seine Lippen zu berühren.
„Wenn Du möchtest, gehen wir beide auf die Suche, unsere Smilys in uns zu finden.“
Der kleine Smily war auf einmal sehr glücklich. „Ja, das werden wir machen.“
Dann stand er auf und nahm zögernd ihre Hand.
„Ich bin sehr froh, dass ich dich gefunden habe. Dabei war ich heute schon in einer Vermittlungsagentur, aber die konnten mir auch nicht helfen.“
„Oje, du armer Smily. Da würde ich niemals hingehen. Da sind nur Menschen. Weißt Du, die nutzen uns nur aus.“
„Ja? Wirklich? Wofür?“ wollte der kleine neutrale Smily wissen.
„In einem Forum zum Beispiel. Da schmeißen die nur so mit Smilys um sich. Anscheinend sind wir nur dafür da.
Und weißt du auch warum? Weil die nämlich keine Emotionen haben. Deshalb haben sie uns erfunden.“
Der neutrale Smily überlegt. „Du meinst, sie haben uns erschaffen, um uns zu benutzen?“
„Ja, genau. Das tun nur die Menschen. Wir benutzen uns nicht gegenseitig. Wir lernen voneinander.“
„Und warum tun die Menschen das mit uns?“
„Weil wir für sie mehr wert sind, als die Buchstaben, die sie verwenden.“
So reden der neutrale Smily und die lächelnde Smilydame noch lange und schreiten Hand in Hand in die Abenddämmerung hinein, wobei sie das Gefühl haben, tief im Herzen ihr Glück gefunden zu haben.
Und ganz, ganz oben am Himmel, schaut die Sichel des Mondes auf sie hinab und zwinkert ihnen zu …
H.M. (Coyote)
Gesellschaftsfähig sein heißt, seine Individualität aufzugeben, um der Herde zu folgen.(H.M.)
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