[Kettenbeiträge zusammengefasst. Siehe auch hier, mfg [55555]]
Isabella, bist Du der Meinung, daß es ohne die Religionen anders wäre, gewesen wäre?
Ja, das meine ich. Der Unterschied ist der, daß sich Menschen mit unterschiedlichem Glauben selten untereinander vertragen. Jede Seite gibt sich durch ihren Gott oder Glauben viel leichter die Legitimation für Genozid, Mordanschläge, Unterdrückung und Ausgrenzung, als ohne. Gläubige Menschen glauben wirklich, ohne wenn und aber. Unter denen gibt es immer welche, die, wie bereits erwähnt dieses Spiel von "Mein Gott ist der Richtige - Nein, meiner!" ernsthaft ausleben.
Warum hat denn Lessing den Nathan mit seiner Ringparabel geschrieben? genau aus diesem Grund. Wertest Du die Zeit der Aufklärung als Rückschritt oder Fortschritt?
Da prangt nicht nur Religiöses. Zur Zeit stören mich die nichtssagenden Sprüche der Wahlkandidaten mehr.
Mich erreicht keine Art von Werbung. Auch mich nerven die Sprüche der Wahlkandidaten. Aber auch hier gibt es für mich wieder einen Unterschied: Während ich über "normale" Werbestrategien noch hinwegsehen kann - die wollen, daß ich etwas kaufe oder jemanden wähle - empfinde ich die Werbung mit Bibelsprüchen als Drohung auf Ausgrenzung. Das ist missionarische Arbeit. Religionen sind mit Dogmen verbunden. So wird auch dem nichtmissionierbaren Mitmenschen stets vermittelt, daß er mit Strafen rechnen muß. Die Missionierung von Heiden, obwohl ehemals noch drastischer betrieben, ist Tradition geblieben. Nicht zu vergessen sei beim Thema Wahlen der Umstand, daß jeder Einzelne in einer Demokratie wählen kann, was er will und somit Politik mitbestimmen kann. Das kannst Du in einer Religionsgemeinschaft nicht, da gibt es nur einen Gott und eine Bibel oder einen Koran und wehe, wenn daran gerüttelt wird.
Die polytheistischen Religionen und atheistischen Bewegungen waren ähnlich.
Soviel ich weiß, gab es in polytheistischen Religionen keine Dogmen. Da standen die Tempel der angebeteten Götter nebeneinander. Lediglich Städte und Gemeinden hatten einen direkten Schutzpatron oder eine Schutzpatronin. Wissenschaft und Technik wurden dadurch nicht behindert. Auf Kreta gab es sogar ein Matriachat. In der arabischen Kultur wäre dies nie denkbar gewesen. Allerdings gelangte sie im Mittelalter in Wissenschaft und Technik zur Hochblüte. Im Gegensatz zu Christen haben muslimische Eroberer Andersgläubige nicht abgeschlachtet oder missioniert, sondern lediglich zur Kasse gebeten. Erst mit der Unterdrückung durch die westliche Welt rückte der Glaube politisch immer mehr in den Vordergrund, mit fatalen Folgen. Aus diesem Grund hat sich Ata Türk von der arabischen Welt getrennt und in der Türkei die Trennung von Staat (Politik) und Kirche (Glaube) durchgesetzt. Muslime haben sich über Jahrzehnte hinweg mit der Unterdrückung der Frauen selbst geschadet und berufen sich heute noch bezüglich der Behandlung von Frauen (was sie selbst nicht Unterdrückung nennen) auf den Koran - weil es nach ihrer Auslegung so da drin steht, und die glauben das wirklich. Hier wieder zu Deiner ersten o.g. Frage: Ja,ich meine, es wäre ohne Religion anders gekommen.
Nehmen wir mal Buddhisten: Die haben für jede Sache, für jede Stimmung einen anderen Buddha, den sie je nach Tagesform ansprechen. Die wären nie auf die Idee gekommen, Christen, Juden oder Muslime wegen des Glaubens zu traktieren, da es für sie nicht ins Lebenskonzept oder zur Weltanschauung passt, da eben akzeptiert ist, daß sich jeder Mensch individuell und je nach Tagesform um seinen Glauben kümmert. Atheisten: Hast Du den Eindruck, daß sie morden und abschlachten, weil andere Menschen gläubig sind? Ich nicht. Atheisten sehen hinter dem Weltall und hinter allem, was entstanden ist, keine höhere Macht, die alles lenkt. Da sie nicht glauben, haben sie auch keinen Grund, so fanatisch vorzugehen, wie es Menschen unterschiedlicher Religionsgemeinschaften untereinander tun.
Diese Ansicht ist älter als die monotheistischen Religionen. Berühmte griechische Wissenschaftler (z.B. Aristoteles und Ptolemäus) hatten das 'bewiesen'.
Es gab aber auch Platon. Du kennst doch von Raffael "Die Schule Athens". Im Mittelpunkt gehen Aristoteles und Platon. Aristoteles hebt die Hand nach oben, deutet auf das Jenseits und Platon zeigt mit seinem Gestus auf das Diesseits, während sich alle zu dieser Zeit berühmten Wissenschaftler um die beiden gruppieren. Die Diskussion um Glaube und Wissen war damals und immer wieder präsent. Damals gab es noch kein Fernrohr oder die technische Errungenschaft, Glas bei hohen Temperaturen Schlieren- und Blasenfrei zu schmelzen, so daß man Linsen für ein Fernrohr herstellen konnte. Als dies dann möglich war, wurde dies von den Kirchenvätern als Delikt des Teufels bezeichnet.
Außerdem ist mir noch immer nicht klar, was hier anders sein sollte als bei anderen Weltanschauungsströmungen.
Aber Du kennst doch die Bezeichnungen "Religionskriege", "Reformationszeit" und "Missionierung". Bush hat z.B. wortwörtlich gesagt: "I belive in god and god belives in me" und zettelte mit Hilfe seines Gottes einen weltweiten Krieg gegen Muslime an. Wenn es unter allen Menschen nur eine Weltanschauung gäbe, dann gäbe es auch keine religiös geprägten Auseinandersetzungen und Kriege.
Dein für mich in seinem Grund hier noch immer nicht systematisch nachvollziehbares Wettern gegen Religion dann gleichermaßen? Was machst du anders als diejenigen, die du gleichzeitig kritisierst und wohl als Beispiele für alle religiösen Menschen anführen willst?
Ich habe zu Anfang und immer wieder darauf aufmerksam gemacht, daß Menschen unterschiedlicher Religionsgemeinschaften es scheinbar nicht schaffen, friedlich nebeneinander zu leben, ohne sich ständig gegenseitig zu attakieren. Das ist natürlich auch Platzhirsch- und Reviergehabe, wenn es da nicht den Umstand gäbe, daß diverse einflussreiche Kirchenvertreter tatsächlich an das glauben, was sie bewirken. Nicht allein wegen der Politik oder unter dem "Deckmantel" der Bibel oder des Glaubens, um etwas zu erreichen, sondern aus gläubiger Überzeugung. Warum? Warum so absolut? Natürlich sind die Macher immer nur einzelne. Bei dieser Diskussion geht es doch nicht um mich oder um Dich. Es geht doch um Weltgeschichte, die Erfahrungen daraus und darum, wie es weiter gehen kann.
Hier wird es für mich schon fast wirr. Ich bekomme den Eindruck, daß du deinen Beitrag in erregtem Zustand verfasst hattest. Kirchensteuern?
Nein, nicht erregt, aber zugegeben, hatte ich mir gerade ganz lasterhaft ein drittes Bier aufgemacht. Wegen Deines Ausdrucks "wettern" - Ich bin durch und durch pazifistisch eingestellt. Alles weitere dazu kannst Du Dir sicher denken.
Ich wandle deinen Text wieder ab:
Der Mensch hat in Gesellschaft über Jahrhunderte hinweg bewiesen, daß er mit Meinungen (Weltbildern) nicht umgehen kann, das doch so trügerisch "Richtige" stets als Mittel zum Zweck eingesetzt hat; das ging, weil es immer genug "Schafe" gab, die ihrem "Hirten" gefolgt sind. Und das ist und bleibt gefährlich, wie es das Weltgeschehen immer wieder bewies und aktuell signifikant ist.
Hervorragend abgeleitet. So wie Du das schreibst, stimmt das natürlich auf seine Weise. Es dürfte dann völlig gleichgültig sein, ob auf Grund von Religionen motiviert oder nicht, ist es aber nicht. Religiös motivierte Auseinandersetzungen sollten wie alle anderen überflüssig sein, geht aber nicht. Während es Lösungen gibt wie, mal ganz naiv ausgedrückt: o.k. du kriegst dieses Weideland, dieses Patent und das Mondauto, dafür bekomme ich den Fluß, die drei Berge und Gastarbeiter, und damit ist unser Krieg beendet - ist es bei religiös motivierten Auseinandersetzungen nicht so bestellt. Glauben kann man nicht austauschen, beanspruchen oder befehlen, sondern nur teilen und gegenseitig gut heissen. Und das haben die Menschen global gesehen, noch nicht begriffen.
Als Beispiel nehme ich jetzt nur mal den Satz:
"Der Mensch hat Gott ersonnen,nicht Gott den Menschen"
Unter Dogmen verstehe ich das, was z.B. Bibel oder Koran den Menschen vorschreiben, wie alles zu leben und zu glauben sei. Es ist für mich plausibel, daß ein Mensch, der an die "göttliche Allmacht" glaubt, nichts damit anfangen kann, wenn ein anderer sagt, daß der Mensch sich selbst diesen Gott ausgedacht hat. Das geht auch nur, wenn man nicht gläubig ist. Von aussen betrachtet: Seit Menschen Gedenken galt es zunächst den Göttern der Jagd, des Wetters, der Fruchtbarkeit, des Waldes usw. zu huldigen. Die Ägypter hatten dann mal den Gott der Sonne (Atoskult) als den einzig wahren in die Mitte des Glaubens gerückt. Just zu diesem Zeitpunkt befanden sich dort Semiten aus Vorderasien in ägyptischer Gefangenschaft, brachten die Idee von nur einem Gott mit nach Hause und begründeten das Judentum. Als in Rom immer mehr Juden siedelten und unzählige Prediger verschiedenster Glaubensrichtungen an allen Ecken auf die Massen einquasselten (in "Leben des Brain" gut nachgestellt), entschied sich Kaiser Konstantin noch im Sterbebett unter den vielen Sekten für die kleine Sekte des Christentums. Er wollte nicht, daß Rom jüdisch wird, hatte aber eine Sympathie für den Jesuskult und seiner Volksnähe - also Christentum (es gab noch ein paar andere Beweggründe mehr; Konstantin hatte z.B. eine Erscheinung, usw.). Den weiteren Werdegang der drei monotheistischen Religionen kennen wir ja.
Von Anfang an hat sich der Mensch Götter oder von mir aus später dann nur noch einen Gott ausgedacht. Wenn Du das anders siehst, dann sei Dir das beschert und gegönnt. Ich aber sehe an meiner Darlegung nichts unlogisches.