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Wer sich gut in die Psyche anderer Menschen versetzen kann - Forscher sprechen von mentalisieren -, der sei auch eher religiös und empfänglich für die Vorstellung, dass es einen personalisierten Gott gibt. Umgekehrt sei zu vermuten, dass Menschen mit eingeschränkter Empathiefähigkeit weniger religiös seien. Für diese These hat nun ein Forscherteam um die Psychologin Ara Norenzayan von der University of British Columbia neue Belege gefunden (PLoS One, Bd.7, e36880, 2012).
Die Forscher bestätigten in mehreren Befragungen und Untersuchungen, dass Menschen, die gemäß den üblichen Kriterien zu einem mehr oder weniger ausgeprägten autististischen Verhalten neigen, in aller Regel auch signifikant seltener religiös sein. Verschieden starke Fähigkeiten zur Mentalisierung seien auch der Grund, wieso Männer in aller Regel weniger gläubig seien als Frauen.
Allerdings warnen die Studienautoren, dass ihre Ergebnisse "mit etwas Vorsicht" interpretiert werden sollten. So hätten sie nur Zusammenhänge gemessen, über die Kausalitäten dürfe noch diskutiert werden. So könnte es etwa sein, dass zum Autismus neigende Menschen die für sie sozial anstrengende Situation eines Gottesdienst-Besuches vermeiden, so dass sie seltener der Überzeugungskunst eines Predigers ausgeliefert sind. Oder der Effekt läuft genau in umgekehrter Richtung: Religiöse Menschen beteiligen sich häufiger an kirchlich bedingten Gruppenaktivitäten, was wiederum zu sozialerem Verhalten und erhöhter Empathie führe.
Drittens schließlich sei bekannt, dass Menschen mit eher autistischen Persönlichkeitszügen ein größeres Interesse an Mathematik und Naturwissenschaften haben; womöglich finden sie in diesen Disziplinen die Argumente, die zur Ungläubigkeit führen.