Nina
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Interessante Diskussion, zu der ich gerne meine Meinung und auch persönliche Erfahrung beitragen würde:
Ich selbst habe eine frühkindliche Traumatisierung erlebt, aufgrund derer ich über mehr als 25 Jahre meinen eigenen Körper kaum gespürt habe, meine Gefühle nicht benennen konnte, meine Gedanken nicht gut wahrgenommen habe und eine starke Aufmerksamkeitsstörung und Hypervigilanz aufwies, permanente Unruhe und extreme soziale Ängste. Meine ganze Aufmerksamkeit war nach außen gerichtet, um drohende Gefahr von anderen Menschen möglichst schnell zu erkennen. Ich habe mich in Gegenwart fast aller Menschen extrem unsicher gefühlt, meine eigenen Bedürfnisse kannte ich nicht. Ich fühlte mich, wie ein Mensch mit Kopf ohne Körper. Ich war aber schon immer sehr emotional, auch teilweise impulsiv im Verhalten und hatte manchmal Wutausbrüche.
Im Laufe einer mehrjährigen Therapie lernte ich meinen Körper wieder zu spüren, wahrzunehmen, wie ich mich fühle, meine Gefühle zu benennen, meine Gedanken besser zu beobachten und die Aufmerksamkeit weg von anderen, mehr auf mich selbst zu richten. Ich wurde selbstbewusster im wörtlichen Sinne. In dem Maße, in dem ich lernte, meine eigenen Emotionen zu erkennen und mit meiner Mimik authentisch nach außen zu zeigen, statt zu unterdrücken, lernte ich auch, sie bei anderen auch in Mikromimik zu lesen.
Ich denke, dass das von außen beobachtbare Veralten eines Autisten und eines traumatisierten Menschen auf den ersten Blick tatsächlich ähnlich aussehen kann.
Auch glaube ich, dass diese Ähnlichkeiten im Selbsterleben zwischen Autisten und Traumatisierten eine besondere Nähe und Sympathie erzeugen kann, die zwischen Autisten und Nicht-Traumatsierten so vielleicht nicht so leicht entstehen würde.
Natürlich kann ein Autist zusätzlich traumatisiert sein. Ich vermute, das das sogar häufig der Fall sein wird, weil vor allem Kinder und Jugendliche gegenüber jeglicher Andersartigkeit ja oft stark ablehnend gegenüberstehen.
Wichtigste Unterscheidung ist in jedem Fall, dass Autismus nicht erworben wird sondern angeboren und genetisch bedingt ist, während ein Trauma immer etwas lerngeschichtlich erworbenes ist. Wenn es kein Monotrauma ist sondern eine chronische Traumatisierung und frühe Traumatisierung ist, sind die Folgen aber auch nur noch in Teilen veränderbar und bleiben u.U. auch ein Leben lang.
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