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fklama
(Autistenbereich)

Moin,

ich bin nun schon fast 3 Wochen (20 Tage) hier angemeldet, und werde mich nun Vorstellen.

Mein Name ist Frederik, ich studiere Physikalische Chemie an der Universität Paderborn. Ich habe einen Special Bachelor of Science im Fach Chemie von der University of StAndrews (in Schottland).

Obwohl ich in Deutschland studiere, habe ich weder eine Mittlere Reife, noch ein Abitur. Ich bin 1995 nach Schottland zur Schule gegeangen (wegen massiver Probleme am Gymnasium [Mobbing sowohl von Schülern als auch Lehrern gepaart mit massiver Unterforderung]). Damals wurden diese Probleme mit meiner Hochbegabung, die damals festgestellt wurde, begründet. An dem Internat in Schottland habe ich 4 Jahre verbracht, und mein 'Standard Grade', 'Higher Grade' und SYS (Schottische Schulabschlüsse) gemacht. Dort hatte ich das erste mal gute Noten, unter anderem weil die Anzahl der Schüler in einer Klasse zwischen zwei und fünfzehn lag, und weil es problemlos möglich war in verschiedenen Fächern auf verschiedenen 'Leveln' zu sein.

Der Unterricht war komplett in Englisch, und obwohl ich in der Schule in Englisch immer schlecht war, hat es eines Tages auf einmal 'click' gemacht und ich habe alles verstanden und konnte auch fliessend sprechen. Inzwischen spreche ich fliessend Englisch mit schottischem Akzent, würde mich jedich nicht als 'Verhandlungssicher' bezeichnen (aber auch nur nicht, weil ich dies auch im Deutschen nicht bin).

Ich habe mich nach der Schule in Schottland an drei verschiedenen Unis beworben, und habe mich letztendlich für die University of StAndrews entschieden, wo ich weitere 4 Jahre war.

Das erste Jahr an der Universität war noch relativ unproblematisch, ich hatte einigen Kontakt zu anderen Studenten die ich aus dem Internat kannte, und der Stoff war so einfach das ich nie wirklich lernen musste.

Im zweiten Universitätsjahr wurde der Stoff dann plötzlich viel schwerer. Ich hatte bisher jedoch nie für irgendetwas lernen müssen, da alles so 'einfach' war das es mir 'zugeflogen' ist. Ich habe zwar immer noch einen Großteil von demwas in den Vorlesungen vorkam verstanden, aber der Stoff wurde hier zu kompliziert als das ich ihn einfach so, ohne Probleme ableiten konnte. Ich bin in diesem Jahr bei fast alle Prüfungen durchgefallen.

Im dritten Jahr sind einige der Leute die ich aus dem Internat kannte gegangen, und andere haben den Kontakt abgebrochen. Ausserdem musste ich aus der 'Hall of Residence' (Studentenwohnheim) raus, und in eine WG ziehen. Akademisch war dieses Jahr eine Wiederholung des zweiten Jahr, dieses mal habe ich jedoch alle Prüfungen bestanden (wenn auch nicht besonders gut).

In diesem Jahr fingen meine Depressionen wieder an. Diese hatte ich schon in der Zeit im Internat (wo sie jedoch recht selten waren, hauptsächlich wenn irgendein Fest veranstaltet wurde und mir dann aufgefallen ist das ich eine 'soziale Niete' war, oder einer meiner Bezugspersonen mich entteuscht hat).

Im vierten Jahr, wieder eine andere WG und nun im dritten akademischen Jahr, wurden meine Depressionen ziemlich schlimm. Mir wurde unter anderem anhand des Lebens in der WG klar das ich es einfach nicht schaffte Kontakte zu knüpfen, während ich gemerkt habe das dies meinen Mitbewohnern sehr leicht fällt. Das komplette fehlen jedlicher Kontakte von den Vorjahren gab mir den Rest. In dem Jahr habe ich einige Male ernsthaft über Selbstmord nachgedacht.

In den Ferien (in Deutschland) war jedoch immer keine Spur von Depressionen, ich hatte zwar auch hier keine Freunde, aber immerhin hatte ich meine Familie.

Trotz der Depressionen habe ich die meisten Prüfungen in diesem Jahr knapp geschafft. In den darauf folgenden Sommerferien habe ich einen Brief von der Uni bekommen, in dem mehr oder weniger stand das ich nicht wieder kommen brauche. Zum Glück hatte ich bis dahin genug 'Credits' für einen Abschluss erlangt. Damit hatte ich einen Universitätsabschluss, der auch in Deutschland gültig ist (im Gegensatz meines schottischen Schulabschlusses).

Ich bin also in Deutschland geblieben. Damals hat mich meine Mutter darauf hingewiesen das ich auch hier in Paderborn Chemie auf Master studieren könne. Nach einigen Recherchen habe ich herausgefunden das der erste Masterstudiengang im nächsten Jahr anfängt.

Da ich ausser meiner Familie zu niemandem Kontakte hatte, hat mir meine Mutter vorgeschlagen doch mal bei der lokalen MENSA-Gruppe vobeizusehen. Ich bin also zu einem der Stammtische gegangen, es waren nur drei weitere Personen da (ein Rekord wie sich herausstellte). Rein Thementechnisch waren wir auf einer Wellenlänge, ich habe mich fast den ganzen Abend mit M. (war auch an den Abend das erste mal dabei) über funktionale Programmierung und ander Informatikthemen unterhalten.

Seitdem bin ich zu (fast) jedem der zwei monatlichen Events gegangen (der Stammtisch, und ein Spieleabend). Ich war eingentlich recht glücklich mich über meine Interessen austauschen zu können, zu Hause konnte ich das nicht, weil ich was meine Interessen angeht jedem in meiner Familie haushoch überlegen bin.

Im Juli 2004 bin ich dann ofiziell Mitglied bei Mensa in Deutschland geworden. Ich habe mich aber dennoch gewundert, das ich, obwohl ich mit diesen Menschen recht gut klarkam, ich mich immer noch irgendwie 'anders' fühlte. Zwei (der zuvor erwähnte M. und unser LocSec N.) nenne ich seit ungefähr einem Jahr Freunde. Auch hat keiner der anderen jemals so gravierende Probleme an der Schule gehabt.

Ungefähr ende August letzten Jahres (2006) habe ich dann das erste mal von AS erfahren, ich habe in der Zeit einen Artikel im MinD-Magazine gelesen. M. har mir ein Link zu einem AQ-Test geschickt (er studiert Psychologie im Nebenfach), ich habe diesen Test (mal zum Spass) gemacht, und war ziemlich erstaunt als ich ein ziemlich hoher AQ herauskam.

Ungefähr zu dieser Zeit habe ich es auch (nach einem Anlauf pro Jahr hier in Deutschland, die aber vorher alle 'im Sande verlaufen' sind) geschafft endlich einen Termin (an der Uniklinik Köln) zu bekommen um meinen ADS-Verdacht (den ich schon seit mehreren Jahren hatte) abzuklären, der Termin sollte im September sein.

Einer der Gründe warum ich es in in dem Jahr geschafft habe einen Temin zu machen sind meine inzwischen erheblichen Probleme im Studium. Ich verstehe den Stoff meist sehr gut, in den Praktika bin ich (was die praktische Arbeit angeht) sehr gut, und kann das Wissen sehr gut einsetzen. Zum Teil sogar um Probleme der Dozenten, die das Experiment beaufsichtigen sollen, zu lösen. In Prüfungen jedoch meist versage.

Mein Problem ist es das ich es nicht schaffe dieses Wissen wieder aktiv abzurufen und in Worte zu fassen. In schriftlichen Prüfungen kommt Stress wegen dem Zeitdruck und der Geräuschkulisse (es ist alles andere als still) dazu, wodurch ich meist nach 45-60 Minuten 'ausgebrannt' bin. Dieses Problem hatte ich schon in Schottland, auch da habe ich meist keine besonders guten Noten gehabt (eher das Gegenteil). Mündliche Prüfungen sind so wie so der absolute Horror.

Das frustrierende ist das ich den Stoff verstehe, aber ihn einfach nicht 'rüberbringen' kann. Von zwei Prüfern habe ich inzwischen etwas wie: "Ich kann nicht verstehen warum sie durch die Prüfung gefallen sind, nach den Vorlesungen haben sie immer die besten Fragen gestellt." zu hören bekommen.

Auch in meinem 'Fachbereich', der Feststoff-NMR, werde ich recht oft von den Doktoranten meiner Arbeitsgruppe (wo ich desöfteren als SHK arbeite, aber auch ohne das ich bezahlt werde oft helfe, es macht mir einfach Spass) um Rat gefragt werde. Selbst die Leiterin der Arbeitsgruppe fragt mich manchmal wenn es um eine spezielle Frage über die Bediehnung der NMR-Software geht. Bei einigen anderen Doktoranten der Physikalischen Chemie bin ich als 'Linux-Experte' bekannt. Bloss leider kann man sich solche Leistungen nicht für seinen Abschluss anrechnen lassen.

In der Zeit vor meinem Temin an der Uniklinik in Köln, habe ich auch weiter in Richtung AS geforscht. Ich habe meine beiden Freunde M. und N. gefragt wie ich eigentlich auf andere Wirke, und habe in mehreren Gesprächen unter anderem herausgefunden das ich kaum Blickkontakt halte, grosse Probleme mit der 'Gesprächsführung' habe (spezifisch dem erkennen von Stellen an denen ich etwas sagen kann und dem erkennen von Themenwechseln), oft Monologe halte, meist sehr laut spreche, meine Stimmlage 'das komplette Frequenzspektrum' abdeckt, und ich eigentlich immer in Bewegung bin.

Diese Gespräche waren gleichzeitig schockierend und faszinierend, vor allem weil ich davor immer gelaubt habe das ich recht unaufällig bin.

Im September war ich dann in Köln zur AD(H)S-Sprechstunde. Nach dem Gespräch, was ungefähr eine Stunde gedauert hat, und in dem ich mehr oder weniger meine komplette Schullaufbahn und einige Fragen über meine Kindheit beantwortet habe (ich hatte mich gut vorbereitet, und sämtliche Zeugnisse in digitaler Form mitgebracht), wurde mir gesagt das sie ADS nicht ausschliessen können, sie aber einen starken Verdacht auf Asperger-Syndrom haben. Ich solle mich mal bei der Autismusambulanz anmelden.

Da ich mich ja zu dem Zeitpunkt schon etwas mit dem Thema auseinandergesetzt habe, war ich nur ein wenig überrascht, das jemand der eigentlich auf etwas anderes achtet, zu diesem Verdacht kommt. Ich habe noch am gleichen Tag einen Termin (12.12.2006) für das Vorgespräch bei der Autismusambulanz bekommen.

Inzwischen habe ich den Termin für das Nachgespräch (am 18.04.2007).

Seit August 2006 bin ich auch im Forum von Aspergia angemeldet, wo ich seit Dezember 2006 Co-Administrator (oder 'Techniker') bin.

Mit zwei Menschen die ich über das Forum kennen gelernt habe, habe ich das erste mal Personen gefunden die meine Gedanken nachvollziehen können. Sonst bin ich bisher immer auf 'komische Reaktionen' gestossen wenn ich versucht habe jemandem meine 'Gedankenwelt' zu erklären.

In den letzten 9 Monatan habe ich viel mehr über mich herausgefunden als in dem Jahrzehnt davor. Ich war auch schon bei mehreren Treffen, mehrere private und ein SHG-Treffen (Mühlheim). Durch Recherchen, meine Kontakte zu anderen 'Betroffenen' (Forum, IRC und RL-Treffen), die relativ vagen Aussagen in Köln und das was ich in Gesprächen mit M. und N. darüber erfahren habe wie ich auf andere wirke, machen mich ziemlich sicher das ich innerhalb des Autismusspektrums liege. In 15 Tagen werde ich es dann wohl genau erfahren...

Gruß

Frederik
03.04.07, 13:19:29
Link
Homer
(Autistenbereich)

Zitat von fklama:
Moin,

ich bin nun schon fast 3 Wochen (20 Tage) hier angemeldet, und werde mich nun Vorstellen.

Mein Name ist Frederik, ich studiere Physikalische Chemie an der Universität Paderborn. Ich habe einen Special Bachelor of Science im Fach Chemie von der University of StAndrews (in Schottland).

[...]

(Ich habe alles durchgelesen, kann aber nicht alles kommentieren...)

Das ist eine beeindruckende Geschichte (da könnte ich leider nicht mithalten, aber vielleicht ist das auch nur mein ganz subjektiver Eindruck).

Wichtig ist jedoch meiner Meinung nach die Erkenntnis bzw. Erfahrung, die man gewinnt:

Zitat:

In den letzten 9 Monatan habe ich viel mehr über mich herausgefunden als in dem Jahrzehnt davor. Ich war auch schon bei mehreren Treffen, mehrere private und ein SHG-Treffen (Mühlheim). Durch Recherchen, meine Kontakte zu anderen 'Betroffenen' (Forum, IRC und RL-Treffen), die relativ vagen Aussagen in Köln und das was ich in Gesprächen mit M. und N. darüber erfahren habe wie ich auf andere wirke, machen mich ziemlich sicher das ich innerhalb des Autismusspektrums liege. In 15 Tagen werde ich es dann wohl genau erfahren...


Damit bist du vielen Leuten voraus. Manche können auch im höheren Alter weder von sich sagen, wer sie sind, wo ihre Probleme liegen, wodurch sie sich von anderen Menschen unterscheiden, welche Stärken und Schwächen sie besitzen, noch haben sie einen ersten Abschluss an einer ausländischen Hochschule gemacht.

Für mich sind dies wichtige Dinge.

Ich wünsche dir jedenfalls weiterhin viel Erfolg.


Gruß
Homer
03.04.07, 20:19:57
Link
arlette
(Autistenbereich)

willkommen, fklama. ich hoffe, der austausch mit anderen bringt dir was; ich denke, hier wirst du sicher interessantes für dich finden.
03.04.07, 21:13:52
Link
drvaust
(stillgelegt)

Hallo fklama!
Wenn Du eine offizielle Diagnose hast, hast Du auch Anspruch auf Unterstützung. In jedem größeren Betrieb, auch Hochschulen und Uni, muß es Jemand geben, der für Behinderte zuständig ist (Autismus ist eine Behinderung). Ich hatte von der hiesigen Uni ein Beispiel gehört, Tourette-Syndrom, da hatte ich gestaunt, was möglich ist. Eine schriftliche Prüfung zumindest in einem ruhigen Raum müsste doch möglich sein.

04.04.07, 02:28:53
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bellaria
(Angehörigenbereich)

An der TU Wien muss dazu nicht mal eine Diagnose vorgelegt werden - es reicht, sich an das Behindertenreferat zu wenden. Dann kann man Nachteilsausgleiche geltend machen (wie z.B. Fristverlängerungen, schriftliche Prüfungen statt mündliche, etc.). Vieles ist auch Verhandlungssache mit den jeweiligen ProfessorInnen - dabei kann Dir ein Behindertentutor helfen (=MitstudentIn, die sich freiwillig melden und gegen Aufwandsentschädigung, die die Uni bezahlt, Behinderte persönlich an der Uni betreuen).

Je nach Menschenbild der Uni gibts solche Angebote echt oder nur Alibi-halber: An der Wirtschaftsuni in Wien gibts sowas nicht, weil dort anscheinend nur Erfolgsmenschen gezüchtet werden sollen ;-)
04.04.07, 15:03:46
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