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Autor Nachricht
Hans
(Autistenbereich)

Zitat von starke Dame:

Leider gibt es keine Art Autistenselbsthilfegruppe in denen erwachsene Autisten sich mit autistischen Kindern beschäftigen und den Eltern ihr Kind in einem anderen Blickwinkel zeigen.


Das wäre ja noch eine gute Idee, so eine Gruppe.
Ich habe einen alten Schulfreund mit einer Tochter mit Autismusverdacht,
dem wollte ich bereits helfen zu verstehen.
Er hat das Angebot aber bis jetzt noch nicht abgerufen.
Ich weiß nicht ob er sich vielleicht schämt oder ob er mich nicht für kompetent genug hält,
oder ob er allgemein zu viel um die Ohren hat, um sich mit mir zu treffen.

09.04.10, 16:36:32
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Sehr verbreitet ist ja die Meinung, daß Ärzte die optimalen Erklärer in solchen Dingen sind. Vielleicht auch deswegen?

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
09.04.10, 17:07:42
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starke Dame
(Angehörigenbereich)

Nein, ich denke, das größte Problem ist, dass es zu wenig Autisten gibt.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich einen anderen als meinen Sohn kennen lerne? Ich mein jetzt natürlich nicht über das Internet.
09.04.10, 17:52:33
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haggard
(Autistenbereich)

geändert von: haggard - 09.04.10, 18:46:11

bei systemischen erkrankungen kann ich mir noch vorstellen, dass eine diagnose erstrebenswert ist in hinblick auf "dann wird endlich irgendwie geholfen oder wie auch immer". doch autismus ist nicht so etwas. das meiste benötigt ein verstehen - und dieses wäre auch ohne besondere diagnose erreichbar. daraus ließen sich hilfen ableiten. denn wenn etwas verstanden wird, weiß man, was gut oder schlecht ist für einen organismus. eine schnecke im mit wasser gefüllten aquarium wird eine weile darin leben können, bis sie schließlich doch stirbt - anders eine schnecke, die für das leben unter wasser ausgestattet ist - aber sie wird an land ähnliche probleme haben wie die andere schnecke im wasser. warum sollte für derartiges eine diagnose nötig sein? warum ist erkennen aus eigenem antrieb scheinbar nicht möglich?

wenn ein kind schreit kann nach ursachen geforscht werden. dafür ist grundsätzlich bei autistischen menschen keine diagnose erforderlich ist - doch um solche dinge geht es oftmals vorrangig den eltern. kind schreit = problem muss irgendwie gelöst werden = das sei erst mit diagnose möglich, weil sich daran "hoffentlich" ein "rattenschwanz" an maßnahmen anknüpft. (erscheint mir jedenfall so, wenn ich diverse äußerungen lese, oder andere leute darüber reden höre).
wenn menschen herausgefunden haben, dass ein kind eventuell aufhört zu schreien, wenn heftig und lange genug geschüttelt wird, ist das zwar auch eine "lösung", jedoch bräuchte der anwender eine therapeutische maßnahme und nicht vom prinzip her das schreiende kind.
wenn autisten angeben, es könnte sein, dass das kind schreit, weil - diverse dinge zu starke reize darstellen könnten etc., wird in der regel so reagiert: "ich kann doch nicht immer meine bedürfnisse hinten anstellen! wir anderen haben auch bedürfnisse, rechte, wünsche - ein leben, etc.!"
wenn sich auch noch autisten erdreisten, derartiges anzugeben, sind sie schrecklich, asozial, sonstwas - oder es kommen so lustige fragen nach "kompetenzen" wie "bist du ein elternteil? kannst du überhaupt wissen, wie das mit SO EINEM kind ist?! hast du überhaupt kinder? - nein? ach, dann kannst du nicht mitreden..." nach dem motto: die eltern sind die erwachsenen und die autisten sind generell die (unmündigen) kinder.

als kind fand ich es schon schlimm genug, dass über mich geurteilt wurde, dass ich ein mensch bin. manche eltern verschweigen ihren kindern, dass sie adoptiert sind, oder dass sie eine bestimmte diagnose besitzen, denn bis die kinder erwachsen sind, ist bestimmt "alles (wieder) gut".
in der schulzeit erkannte ich, dass nach dem schulbesuch die ausübung einer beruflichen tätigkeit folgen soll. das wollte ich dann sofort umsetzen. wozu noch jahrelang in die schule gehen und jahr für jahr irgendwelche dinge wiederholen, die ich für das, was ich später ausüben wollte, nicht gebrauchen konnte? oder mich jahrelang einer mobbing-irgendwas unterziehen lassen/erfahren müssen, dass andere kinder ausgewählte einzelne kinder einfach verprügeln und dagegen nichts ausgerichtet werden kann - denn erwachsene sind nicht im pulk auf ein kind losgestürmt, um es zu verprügeln.

wenn viele angeben, dass erst mittels untermauerung einer diagnose im direkten gespräch mit anderen menschen hilfen möglich sind - warum werden hilfen/individuelle anpassung seitens anderer menschen erst nach einer diagnose möglich und nicht schon vorher - denn an einem zustand oder der person ändert sich schließlich nichts durch eine diagnose?
was hätte in meinem fall eine diagnose bewirkt? dass mir erwachsene gegenüber mobbing geholfen hätten? warum wäre solches erst mit einer diagnose möglich gewesen? warum können menschen scheinbar nicht mehr glauben und im rahmen des möglichen das erhältliche erreichbar machen? für mobbing durch andere wäre ich nicht verantwortlich gewesen bzw. "autismus" - sondern die anderen, die mit andersartigkeiten nicht leben wollen, die intolereant sind und respektlos. nicht ich wäre aus dem "rahmen gefallen" - sondern die anderen, die sozial weitaus mehr inkompatibel waren als ich. ohne diagnose heißt nur, "der ist so". mit diagnose heißt es "der ist so, weil..." und dadurch werden probleme vor allem auf die person projiziert, die das "weil" besitzt - und nicht etwa auf die anderen im umfeld. warum müssen andere menschen erst dann "sozialer" sein, wenn sie von einer diagnose in kenntnnis gesetzt werden? bedeutet das, dass der diagnoseträger die "botschaft" durch das mobbing überhaupt nicht verstehen könnte, und deswegen andere maßnahmen erfolgen müssten? "mobbing" kann durch egal was ersetzt werden - zum beispiel "ich erklärte 100mal und xyz reagierte überhaupt nicht, nachdem eine diagnose erfolgte, änderte ich mein verhalten xyz gegenüber"... (warum nicht vorher ohne diagnose?).

im betrieb war es ähnlich: ich ein freak und bei erwähnung, warum das so ist: "aha, der ist so, weil..." - danach verhielten sich die anderen anders, warum nicht vorher auch schon?
und warum muss sich nach einer diagnose der diagnostizierte verändern? warum wird diese anforderung nicht dem umfeld gestellt?
besonders im hinblick auf diejenigen, die autismus als krankheit betrachten und mit allen erdenklichen therapeutischen maßnahmen "beglücken". denn bei schwerwiegenden/tiefgreifenden krankheiten nehmen menschen im allgemeinen rücksicht auf die diagnostizierte person. "xyz hat fieber - störe xyz nicht; xyz ist sehr krank und benötigt ruhe - störe xyz nicht; xyz kann nicht gut schlafen - mache das bett bequemer; xyz kann nicht sehen - erkläre xyz was du siehst, damit xyz versteht, warum sich dieser anders verhalten soll (sich auf eine stufe einstellen, anstatt vom gehweg zu stürzen)". bei autismus ist das komischerweise anders: "xyz ist autist - xyz muss mehr gefordert werden, xyz muss sich an alles störende anpassen, denn dass muss er später schließlich auch (obwohl "später" im erwachsenenalter widerum die mehrheit der menschen der meinung ist, dass erwachsene eigene entscheidungen treffen...*grübel*, wenn autist nicht sehen könnte, müsste autist so oft vom gehweg gestoßen werden, bis autist lernt, dass es besser ist, den gehweg zu meiden - obwohl autist selbst herausfinden könnte, dass ein gehweg eine kante besitzt und es danach etwas tiefer gelegen weiter gehen kann und vielleicht macht das kantenhüpfen sogar spaß, aber das ist dann ja selbstgefährdung oder "herausforderndes verhalten" und auch nicht akzeptabel.).

edit:
@starke Dame:
wenn du mit einem gut befüllten zug fahren würdest, könntest du theoretisch - je nach fassungsvermögen und länge des zuges - wahrscheinlich mindestens einem anderen autisten begegnen. wenn es bezüglich autismus anders wäre, wäre die wahrscheinlichkeit verschwindend gering, dass du jemals einem anderen autisten begegnen würdest, wenn sich autismus etwa so verhalten würde wie die anzahl australischer ureinwohner in deutschland.;)
09.04.10, 18:42:08
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Hans
(Autistenbereich)

geändert von: Hans - 09.04.10, 22:18:00

Zitat von starke Dame:
Nein, ich denke, das größte Problem ist, dass es zu wenig Autisten gibt.

... die sich eingestehen einer zu sein.
Mir ist es ja erst auch nicht leicht gefallen mich zu erkennen.
Ich denke Du kennst schon Welche, aber die sind Dir noch nicht aufgefallen,
weil sie ja auch zu schauspielern/verstecken gelernt haben.
Wenn Du mir über den Lebensweg gelaufen wärst, hättest Du einen komischen Kauz gesehen,
den Du nie mit Autismus in Verbindung gebracht hättest.
oder ich wäre Dir gar nicht aufgefallen.
Erwachsene Autisten wirken oft ganz anders, als man/frau sie sich vorstellt,
wenn sie noch dazu reden oder viel reden, oder die Gesichtsmuskulatur im "üblichen Sinne" verwenden, wie ich.
Mehrmals wurde mir aufs "Heftigste" widersprochen, wenn ich mich bei Freunden als Autist geoutet habe,
wie soll ich denen dann auch noch beibringen, daß sie auch dazu gehören.

Viele von ihnen leben ihr Leben als "Einzelkämpfer" und haben einen Weg gefunden,
sich irgendwie zu behaupten oder durch zu kommen.
Da sie vielleicht nicht viel unter Leute gehen, sind sie schwerer wahr zu nehmen.
Andere wiederum leben ein scheinbar ganz normales Leben und sind dabei nicht richtig glücklich
und suchen bei Religionen oder Sekten nach Erlösung.
Nicht Wenige dümpeln in irgendwelchen Werkstätten oder Anstalten unter Tabletten oder sonst wie unwürdig dahin.

Über meine Spezialinteressen bin ich schon vielen Menschen begegnet
und dabei sind verhältnismäßig mehr Autisten dabei gewesen.
Einige sind wohl schon gestorben, aber wenn ich die zu den noch Lebenden dazu zähle,
weiß ich von über hundert Menschen, die mehr oder weniger zum Spektrum gehören.
Das sind auch ehemalige Arbeitskollegen, von denen ich gar nichts Privates weiß
und auch keinen so small talk gehalten habe, sondern immer gleich tiefgreifende Fachgespräche
oder Philosophischen Austausch und ein gutes Gefühl dabei,
verstanden zu werden.
Auch Erwachsene wärend meiner Kleinkind-Zeit, die mir richtig zugehört haben,
nichts hienein interpretiert haben
und mir meine Fragen
in meinem Sinne verständlich beantwortet haben.

Wenn sich durch vermehrte Aufklärung dieser Mythos Krankheit endlich verschwinden soll,
müssen sich mehr Autisten, die Selbständig sind, bekennen,
daß sie dazu gehören.
Dann wird auch das Bild vom Autisten besser und noch mehr kommen dazu.
Daß dann die Selbständigen den Unselbständigeren weiterhelfen muß dann auch noch klappen.
Die Schwelle, sich einem Kind zu nähern, um ihm zu helfen,
muß ja auch noch überwunden werden.
Es könnte ganz normal sein und leicht möglich, wenn da nicht so viele "wenn" wären.

Ich bin mir sicher, daß es wesentlich mehr Menschen gibt, die dazu gehören, als Du glaubst.

09.04.10, 22:14:48
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Fundevogel
(Angehörigenbereich)

Hans: Das kann ich nur bestätigen.

Auf Youtube äußert ein autistischer Spieleentwickler aus Köln, dass nach der Hochrechnung allein in Köln 4.000 Autisten leben.

Die Aachener Nachrichten haben in den vergangenen Jahren 3 Autisten ganzseitig vorgestellt. 1 Junge, 1 Jugendlicher und eine junge Erwachsene, die den Mut hatten, sich zu outen und maßgeblich dazu beizutragen, dass Autismus in der Öffentlichkeit thematisiert wird.

Wenngleich sich einige Autisten wegen zu erwartender Schwierigkeiten nicht outen, so wirken sie doch z.B. als Erzieher und Lehrer mit, dass ein toleranter Umgang mit dem Anderssein gepflegt wird.

Ein Autist sagt mir einmal zur Erklärung: "Man kann damit alt werden." Ich denke deshalb auch, dass die Krankheitsdefinition von Autisten selbst teilweise so verinnerlicht wurde, dass sich ein offensives Vorgehen nicht mehr vorgestellt werden kann und der Mut dazu fehlt.

Forthebeautyoftheearth

Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. (Johannes 8.12).
Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind. (Markus 4.21) (Lukas 8.16)
10.04.10, 00:06:07
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