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Autor Nachricht
haggard
(Autistenbereich)

an autisten:
was hat euch in eurer entwicklung gefördert und was hat euch eher gebremst - vor allem in bezug auf den einfluss von eltern/dem näheren umfeld?

wann oder wodurch habt ihr lernen können?
welchen stellenwert besaß ruhe für euch?
was wäre für euch optimal gewesen?

dies ist ein thread zur fortführung der überlegungen/persönlichen einsichten von hier.
20.06.09, 18:45:13
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Coyote
(Autistenbereich)

geändert von: Coyote - 20.06.09, 21:55:25

Ich würde gerne kurz zu den Punkten was schreiben (über mich), nur ich weiß ja nicht, ob ich hier auch antworten darf.
Hab keine Diagnose und bin mir noch nicht zu 100% sicher. ADS soll ja Asperger sehr ähnlich sein in den Syndromen nur die Ursachen anders. Ich lese gerade ein Buch, das mir eine Psychologin ausgeliehen hat (über ADS). Jedoch kann ich mich damit nicht recht identifizieren. Fast jeder versucht mir Asperger auszureden. Nur meine Ex Schwägerin nicht, die sagt: Das passt, das ist es. Sie kennt mich gut, wir haben lange darüber geredet.

1. gefördert/gebremst
alles wozu ich gezwungen wurde, hat mich gebremst
gebremst hat mich auch, dass man mir oft zeigte, dass ich dumm und behämmert sei, nichts kapiere. So habe ich mich selbst aufgegeben und mich irgendwie gehen lassen, mir also keine Mühe mehr gegeben. Gefördert? Wurde ich nicht, eher gefordert, war aber schon bei leichten Aufgaben z.B. im Haushalt überfordert. So schickte man mich zur Haushaltsschule, auch dort nur fünfen und sechsen. Irgendwann ging ich einfach nicht mehr hin.

2. Wann u. wodurch besser lernen können
Ich habe einen Beruf gelernt (siebziger Jahre waren Zeugnisse egal), der mir sehr viel Spaß machte. Plötzlich machte mir lernen im Allgemeinen Spaß und ich war so gerne auf meiner Arbeit, dass ich dort noch saß, als all die Kollegen schon Feierabend hatten. Ich konnte gar nicht mehr aufhören und hätte sogar noch Überstunden umsonst gemacht. Vor allem, weil ich dann dort fast alleine saß.
Als Fotolaborantin war ich auch sehr gerne in der Dunkelkammer (jenseits zwischen Raum und Zeit).

3. Stellenwert Ruhe
Wenn ich nicht mehrmals am Tag zur Ruhe komme, dann geht es mir so wie früher als Kind: Es geht nichts mehr und ich will auch nichts mehr.
Ruhe ist das Allerwichtigste und jetzt, da ich nur noch zwei Tage arbeite, mache ich außer an diesen Tagen immer einen Mittagsschlaf. Oder ich liege auf der Couch und träume/denke nach. Und/oder mit meinem Hund in den Wiesen laufen, am See sitzen, den Spinnen zusehen, wie Blätter auf den Wellen schaukeln ect. Ruhe und abspannen kann aber auch sein, wenn ich ungestört arbeiten kann, ohne unterbrochen zu werden. Ich brauche aber trotzdem Pausen und möchte mich dann nicht unterhalten. Also Unterhaltung ist manchmal anstrengend und für mich keine Pause.
Wenn ich mal mit einer Freundin im Café saß, brauche ich hinterher auch eine Pause.

4. Was wäre für mich optimal gewesen?
Schwer zu sagen … Wenn man versucht hätte, die meisten Fragen zu beantworten, die ich gestellt habe. Ich kam mir immer so unwichtig vor.
Optimal wäre auch eine Freundin, die mich so genommen/akzeptiert hätte, wie ich war. Ich hatte wohl Nachbarskinder, mit denen ich loszog, war aber immer so ein Anhängsel. Ich war immer sehr still und ruhig. Gemobbt wurde ich nie, auch nicht in der Schule, kann aber auch sein, dass ich es damals nicht gemerkt habe.
Optimal? … Einzelunterricht mit einem sehr geduldigen Lehrer/in. Aber nur mit wenig Stunden und viel Pausen zwischen.

Gesellschaftsfähig sein heißt, seine Individualität aufzugeben, um der Herde zu folgen.(H.M.)
20.06.09, 21:54:26
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drvaust
(stillgelegt)

geändert von: drvaust - 20.06.09, 22:47:36

Am besten lernen konnte ich, wenn ich mich stundenlang in meinem Zimmer eingeschlossen hatte.
Dann konnte ich mich in Ruhe mit dem Thema beschäftigen, konnte mich völlig in das Thema vertiefen, alles Andere vergessen. Ich brauchte manchmal lange, um anfangen zu können, aber dann war ich voll dabei. So hatte ich mich in den Ferien mit wissenschaftlicher Literatur beschäftigt, die nicht für Kinder, sondern für Fachleute, gedacht war.
Zu Beginn der Ferien hatte (mußte) ich erst Schulstoff nachgeholt, den ich in der Schule nicht verstanden hatte. Dann befaßte ich mich mit eigenen Themen, manchmal tagelang. Das war immer schön und anstrengend, eine psychische Erholung, jedoch bis zur Erschöpfung. Dabei schaffte ich sehr viel. An zwei Tagen Klausur lernte ich manchmal den Unterrichtsstoff, den ich in einem halben Jahr in der Schule nicht richtig verstanden hatte.
Aber ich durfte dabei nicht gestört werden, sonst war ich wieder raus und mußte mich erneut lange einarbeiten. Ich hatte da vom Frühstück bis zum Abendbrot ohne Pause durchgemacht.
Das ging aber nur, wenn mich der Stoff interessierte, vor allem konkrete logische Fachgebiete, wie Naturwissenschaften.

Schule war für mich nicht optimal. Ständiger Streß durch die vielen Menschen um mich. Häufiger Themenwechsel von Stunde zu Stunde. Ich konnte nicht in meinem Tempo lernen, mußte weiter, obwohl ich mit einem Problem noch nicht fertig war, oder langweilte mich bei den vielen Wiederholungen. Dazu wurden oft Fakten gelehrt, ohne richtige Erklärung, ich muß das verstehen statt auswendiglernen.
Optimal wäre für mich Alleinunterricht aus Büchern gewesen, mit kompetenten Lehrern zur Konsultation (Fernstudium).

So ist es eigentlich immer noch. Jetzt werde ich vor allem durch die alltäglichen Notwendigkeiten gestört, z.B. Einkaufen, Wäsche waschen, mich waschen, Wohnung säubern, Essen usw.. Sonst würde ich tagelang durcharbeiten, mit Erfolg (oder ich würde mich totarbeiten).

Ruhe ist für mich wichtig. Weniger als Stille, Reizlosigkeit u.ä., sondern als Sicherheit vor Einwirkungen, damit ich die Umgebung nicht überwachen muß.
20.06.09, 22:42:48
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feder
(Autistenbereich)

Besonders gebremst hat mich, dass andauernd Dinge von mir erwartet wurden, die ich nicht kann. Also mit anderen Kindern zu spielen, Smalltalk zu führen, mit der Mutter zu kuscheln etc. Waren wir auf Familienbesuch in Osteuropa lief immer Fernseher und Radio, andauernd kamen Leute zu Besuch, die dann auch noch in diesen ganzen Lärm hinein Diskussionen führten, mich umarmen wollten, weil sie mich doch so selten sehen. Ich brauchte dann immer den Rest der Sommerferien, um mich davon einigermassen zu erholen.

Gefördert hat mich, wenn man mich einfach gelassen hat und ich so viel lesen durfte, wie ich wollte. Am Besten lernen konnte ich, wenn ich die Bücher, die mich interessierten zur Verfügung hatte und soviel Zeit investieren konnte, wie ich wollte.

Auf dem Gymnasium hatten wir ein halbes Jahr lang so ein Experiment in der Mathematik, in dem der Stoff in einer Art Vorlesung vermittelt wurde und dann in Übungsgruppen die Aufgaben gelöst wurden. Die Vorlesung war für alle obligatorisch, die Übungsgruppen waren fakultativ sofern man keinen ungenügenden Notenschnitt hatte und die Klausur mussten dann wieder alle schreiben. Wäre auch die Vorlesung fakultativ gewesen, wäre das für mich wohl das ideale Unterrichtskonzept gewesen. Das Experiment wurde nach einem halben Jahr eingestellt, weil die Meisten zu wenig Selbstständig dafür waren.

Schule war für mich im Allgemeinen überhaupt nicht ideal, weil ich durch die vielen Kinder überfordert war und der Unterrichtsstoff nicht in meinem Tempo vermittelt wurde.

Ruhe hat für mich einen sehr grossen Stellenwert. Besonders wichtig ist für mich, dass ich mir sicher sein kann, dass nicht plötzlich jemand kommt und irgendwelche Dinge von mir verlangt. Dann bin ich auch viel weniger geräuschempfindlich als sonst.

Gewünscht hätte ich mir jemanden, der mir zugehört hätte, wenn ich das Bedürfnis hatte zu reden und mich auch nicht andauernd auf meine monotone Stimme und mein Stottern, das phasenweise sehr akut war, aufmerksam gemacht hätte. Ein respektieren meiner Grenzen und kein ewiges Herumhacken auf meinen Schwachstellen wäre wünschenswert gewesen.
In der Schule wäre es am idealsten gewesen, wenn ich mir das Wissen hätte selber anlesen können und einen Ansprechpartner bei Fragen gehabt hätte (Fernstudium, Homeschooling).
21.06.09, 14:31:56
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zoccoly
(Autistenbereich)

geändert von: zoccoly - 21.06.09, 22:52:35

Was hat mich gefördert / gebremst?

Eltern:

gefördert:

1. ihr grenzenloses Vertrauen und ihre Unkenntnis
2. Erziehung ohne Zwang und Druck
3. geregelter Ablauf ( NA würden sicherlich sagen, ein furchtbar langweiliges Leben)
4. mich immer als Persönlichkeit gesehen und auch so mit mir gesprochen
5. Pflichten, verbunden mit einer schritt weisen Übertragung von Verantwortung
6. Gesprächsmöglichkeit, wenn ich sie brauchte
7. keine Vorschriften über Lösungswege
8. keine Experimente über einen langen Zeitraum ( Hort nur eine Woche, genauso die Schulspeisung)
9. Fernseher oder das Radio lief erst nach 20 Uhr

gebremst:

1. ich hatte das Durchgangszimmer
2. die unruhigen Berufe meiner Eltern ( Dienstzimmer in der Wohnung)


Umfeld

gefördert: aufgewachsen im Dorf, ruhig, klein, übersichtlich

gebremst: ich konnte nicht in die Anonymität verschwinden, jeder spricht über jeden

Wann und wodurch habe ich lernen können?

Klasse 1-10: in der Schule ( Klassenstärke 16 und ein klar strukturierter Unterricht )

folgende Schulen: nur noch nachts und mit Büchern ( über 30, in Vorlesungen 200 )


Welchen Stellenwert besaß Ruhe?

Ist die Bedingung zum Leben, zur Konzentration, zur Entwicklung

Was wäre optimal gewesen?

1. ruhige Berufe meiner Eltern
2. nach der 10. Klasse , kleine Klassenstärken und fähige Lehrer

stillgelegt
21.06.09, 19:42:38
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Zitat von zoccoly:
5. Pflichten, verbunden mit einer schritt weisen Übertragung von Verantwortung

Ich würde das mal auch "Überlassung von eigenen klaren und verlässlichen Gestaltungsspielräumen" nennen.

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
21.06.09, 22:04:41
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zoccoly
(Autistenbereich)

ist vollkommen richtig ( du kannst kaum erahnen wie sehr ) begreift aber kaum ein NA, der das hier liest

stillgelegt
21.06.09, 22:46:46
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Also sollte man das weiter aufdröseln?

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
22.06.09, 11:24:49
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Viktor*
(stillgelegt)

auch wenn ich mich nur als halber Autist betrachte
antworte ich, wer will kann ja meine Antwort aussortieren:

gefoerdert

-Geduld
-Verstaendnis
-Naechstenliebe
-eine gesunde Form der Strenge, mir paar "Hinterntritte" zu geben, um aus meinem Trance aufzuwachen.


gebremst

-alle Arten von Drill und koerperlicher und psychischer Gewalt
-Personen, die sich so wichtig nahmen und es ich es ihnen staendig Recht machen musste, damit sie durch mich gluecklich sind
-Tricksen, um durchzukommen
-Unterricht, der fuer neurotypische gestaltet ist und langsam Denkende keine Chance haben.

Oktober 2008 Diagnose Asperger Syndrom. Eigenverdacht ADHS/Borderlinezuege

--

[Stillgelegtes altes Konto von NoDesign, mfg [55555]]
22.06.09, 12:52:20
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quamquam
(Gastzugang)

Bei mir ist es schulisch ja immer noch so:

wann oder wodurch habt ihr lernen können?

Wenn ich überwiegend allein arbeite, die Anweisungen klar sind und sich nicht immer ändern, wenn die lehrende Person in der Lage ist die gewisse Ruhe auszustrahlen und mich nicht innerlich aufmischt...

welchen stellenwert besaß ruhe für euch?

Ganz wichtig. Ist sie heute noch. In Latein ist es mir gestattet einen MP3 Player während der Stillarbeit in die Ohren zu machen und Musik zu hören, die mich beruhigt, damit ich die Geräusche nicht wahrnehmen kann. Meine Lehrerin hat schnell festgestellt, dass ich effektiver und schneller arbeite...

was wäre für euch optimal gewesen?

Optimal wäre Privatunterricht. Keine Mitschüler die mein Tempo ausbremsen und keine Quamquam die Tempo macht und die anderen hinterherschleift. Außerdem würde mir dann Gruppenarbeit erspart bleiben.
22.06.09, 13:01:37
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zoccoly
(Autistenbereich)

@ 55555,

ich denke ja, mir fällt aber im Augenblick nichts Gescheites ein

stillgelegt
22.06.09, 18:56:45
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Solche Dinge sind wohl langfristig zu sehen. Qualität über Schnelligkeit. Verbeserungsvorschläge zu bestehenden Infoblättern sind auch immer erwünscht, wenn auch sicher nicht alles Folgen hat. Das ist ja immer eine Abwägungssache.

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
22.06.09, 20:25:51
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