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Erleben wir das Ende des "realexistierenden Liberalismus"?

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28.11.16, 01:40:07

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Zitat:
Ist die Massendemokratie westlicher Provenienz tatsächlich ein Hort des Liberalismus? Nein, das ist sie natürlich nicht – es sei denn, man missversteht den Begriff Liberalismus.

Denn der Selbstverwirklichungshedonismus und die Wohlstandsemanzipation, von denen die westlichen Gesellschaften nach dem Krieg erfasst wurden, haben mit Liberalismus wenig bis gar nichts zu tun. Im Gegenteil: Die Massendemokratie westlichen Zuschnitts und das sie tragende Versprechen grenzenloser Selbstverwirklichung qua eskalierenden Konsums ist kein Triumph des Liberalismus, sondern das unmittelbare Produkt seines Untergangs.

Denn das Kernanliegen des klassischen Liberalismus war die Autonomie des Individuums, also die Abwesenheit von Zwang. Damit verbunden war jedoch die stillschweigende Anerkennung bürgerlicher Verhaltensnormen, deren zivilisierende Wirkung erst im Moment ihre Preisgabe sichtbar wurde.

[...]

Die Schaffung ökonomischer und gesellschaftspolitischer Bedingungen individueller Emanzipation wird zum politischen Ziel. Der entstehende Sozialstaat erhebt sich zum Anwalt persönlichen Glücksstrebens und bezieht daraus seine Legitimität. Die Politik wird moralisiert.
Privates und Öffentliches verschwimmen

Der Preis dafür war die Aufhebung einer liberalen Kardinaltugend: der Trennung von privat und öffentlich, von Wirtschaft und Politik. Das Private wird Anliegen des Staates. Die Wirtschaft als Garant konsumbasierter Sinnerfüllung wird zum Politikum.

Das Ergebnis ist moralischer und wirtschaftlicher Dirigismus: Der Staat begreift sich als Sachwalter moralischer Anliegen und individualemanzipatorischer Bestrebungen und sucht diese legislativ oder sozialökonomisch durchzusetzen. Das ursprünglich liberale Freiheitsanliegen führt sich selbst ad absurdum. Konflikte sind programmiert.

Der klassische Liberalismus starb im 19. Jahrhundert, ohne je politisch realisiert worden zu sein. Was derzeit in eine Krise taumelt, ist die aus ihm hervorgegangene massenhedonistische Gesellschaft mit ihren Ordnungs- und Regulierungsansprüchen – umso mehr, als sie ihre ganze Legitimität aus der brüchig gewordenen Zusage permanenter Wohlstandshäufung bezieht.

Quelle
 
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