13.12.14, 10:30:54
feder
Was sind eure Erfahrungen mit Massnahmen zur beruflichen Integration? Haben euch solche Massnahmen geholfen? Ist es besser auf derartige Angebote zu verzichten und sich alleine durchzumogeln?
13.12.14, 13:34:46
55555
Ungeoutet scheint es für viele wesentlich besser zu laufen, trotz all der Probleme?
13.12.14, 13:43:57
Tarantula
Was sind eure Erfahrungen mit Massnahmen zur beruflichen Integration?
Vor ca. 13 Jahren wurde ich bereits einmal beruflich integriert. Das war positiv und negativ. Positiv war zum Beispiel, dass die Einrichtung, die die Maßnahme durchführte, damals weniger, heute mehr, ein Netzwerk von Unternehmen auf der Liste hatte, mit denen sie zusammenarbeitete. Unterstützung im Bewerbungsverfahren gab es, Sozialarbeiter und so etwas... Es fällt leichter, auf dem Arbeitsmarkt etwas zu finden.
Eher negativ war, dass man nicht wirklich auswählen konnte, was man denn machen möchte. Hinter vorgehaltener Hand wurde mir mal gesagt, dass die Kostenträger intern mit einer Statistik arbeiten, die besagt, dass in einem bestimmten Bereich prozentual die wenigsten psychischen Erkrankungen auftreten. Das ist natürlich auf verschiedene Arten kritisch zu sehen.
Speziell Autismus ist ja keine psychische Erkrankung, aber auch bei psychisch Kranken wird es so manchen geben, der sich dieser Statistik nicht unterwirft. Solchen Leuten schadet diese Art der Rehabilitation, wenn sie dann im Beruf Probleme bekommen.
Problematisch ist auch, dass man vorher irgendwie getestet und in seiner Leistungsfähigkeit eingestuft wird. Hier werden nämlich individuelle Defizite oder Eigenschaften nicht erkannt, nicht abgeklopft. Selbst nach einer Belastungserprobung von 6 Wochen, die ich völlig ohne Probleme durchlaufen habe, weil meine Probleme erst nach Monaten oder Jahren auftreten und mit der Zeit schlimmer werden, hat man mich als ausgesprochen leistungsfähig beurteilt, ich müsse mich lediglich etwas stabilisieren, weil eine Diskrepanz zwischen qualitativer und quantitativer Leistungsfähigkeit ermittelt wurde. Man will mir also meine Detailverliebtheit austreiben, mein Leistungsanspruch sei zu hoch... Das sehe ich völlig anders.
Mit dieser Detailgenauigkeit habe ich schon mal an einem Tag mein ganzes Jahresgehalt eingespart, weil ich als Einziger auf ein bestimmtes Detail aufmerksam wurde.
Solche Belastungserprobungen werden mit Hilfe von Psychologen durchgeführt, die auch den feinen Abschlussbericht schreiben. Diese Psychologen haben aber gar keine Ahnung von Autismus, sie haben es nicht gelernt. Auch sonstige Diagnostik findet nicht statt, sodass der Abschlussbericht eigentlich gar nichts aussagt, was einen Sinn hätte...
Aber mit diesem Bericht werden dann die weiteren Schritte begründet.
Obwohl ich in meinem Beruf regelmäßig 'umkippe' und wechseln muss, krank bin oder arbeitslos, bescheinigt man mir, dass ich für jeden Beruf hervorragend geeignet bin. Nein, das bin ich nicht.
Wenn also Integration, dann richtig, sinnvoll und qualifiziert.
Momentan ist man darauf angewiesen, sämtliche Diagnostik bereits im Vorfeld selbst machen zu lassen, und selbst da stößt man nicht immer unbedingt auf Kompetenz...
Ist es besser auf derartige Angebote zu verzichten und sich alleine durchzumogeln?
Grundsätzlich finde ich solche Angebote sehr gut. Wenn sie denn sinnvoll sind. Durchmogeln bedeutet für Viele Arbeitslosigkeit, Zwangsverrentung, Unzufriedenheit... Für Andere ist es wieder besser, sich alleine durchzuschlagen...
15.12.14, 13:05:32
Tarantula
Ganz wichtig finde ich auch folgende Fragen:
Was will ich erreichen?
Was lässt sich erreichen (realistisch)?
Welche Informationen muss ich dafür preisgeben?
(Für eine gewöhnliche Eingliederung reicht vielleicht die Diagnose 'Depression' aus. Da sollte man auch zum Selbstschutz nur preisgeben, was benötigt wird, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Oft ist das Problem ein finanzielles. Wer einen passenden Ausbildungsberuf braucht, sich aber eine Ausbildung oder Umschulung selber leisten kann, kann da flexibler abwägen...)
Ist die Mitgliedschaft in einem Sozialverband sinnvoll?
Wann sollte ich einen Antrag stellen?
(Nach meinen Erfahrungen erst, wenn man sich sicher ist, wo genau das Problem liegt. Weiß man nicht, was man braucht, dreht man sich im Kreis. Das kostet Zeit.)
15.12.14, 18:32:43
MadActress
Ja. Nur wenn man (wie ich) oft keine Idee hat, was einem gut tun könnte, muss das erstmal herausgefunden werden. Das wiederum ist ohne Beratung kaum zu machen.
15.12.14, 18:48:35
Tarantula
Ja. Nur wenn man (wie ich) oft keine Idee hat, was einem gut tun könnte, muss das erstmal herausgefunden werden.
Das stimmt. Bei mir sind es logische Aufgaben, nicht allzu eintönig. Außerdem wenig Kommunikation. Natürlich kann ich kommunizieren, aber zuviel davon überlastet. Möglichst alleine arbeiten, im Einzelbüro... Das steigert die Belastbarkeit schon enorm und ist vielleicht schon ausreichend für dauerhafte berufliche Integration. Ein stressfreier Rückzugsraum, sich nicht zu sehr konfrontieren und erst recht nicht durch Therapien zwangskonfrontieren lassen... Mir hat man gesagt, dass ich ein sehr guter Schauspieler sei. Das muss man wohl als Autist auch sein, um in dieser Welt zurechtzukommen. Aber man darf sich nicht zu sehr verausgaben, dabei... Darum ist es wichtig, eine Nische zu finden, in der das gewährleistet ist. In meinem Kopf herrscht permanent Stress, wenn ich diese 'Rolle' spielen muss... Darum sollten die Bedingungen möglichst reizfrei sein...
Grundsätzlich kann man ja eine 'eigene' Arbeitsdiagnostik mit seinem behandelnden Arzt besprechen. Die wird neutraler sein als die eines Kostenträgers... Allerdings sind solche Maßnahmen auch eher realitätsfern, haben mit einem praktischen Arbeitstag wenig zu tun, egal wo man sie durchführt. So etwas dauert 6 Wochen, hat bei mir aber zu keinem sinnvollen Ergebnis geführt... Bestimmte Stärken wurden erkannt, aber ohne Diagnose zieht man die falschen Schlüsse daraus, weil nicht die Person bewertet wird, sondern die Rolle, die sie spielt...
Wichtig ist, sich nicht auf das zu konzentrieren, was man kann, sondern wie es einem dabei geht... Je höher das Wohlbefinden, desto höher sind Belastbarkeit, Motivation...
Es bringt nicht so viel, etwas gut zu können, wenn man nach kurzer Zeit zusammenklappt...
16.12.14, 10:02:17
MadActress
Ja. Blöd halt, dass gängige Arbeitsumgebungen eher nicht autistentauglich sind.