29.12.13, 19:56:36
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geändert von: 55555 - 29.12.13, 20:14:24
Zitat:
Nach einer Aktion von PsychiatriekritikerInnen am 2.10.98 vermißt die Charité diese Utensilien [eine Büste und ein Gemälde]. Die Proteste richteten sich gegen den Bonhoeffer-Gedenksaal in der Charité. Der Raum wurde in Gerd-Postel-Saal umgenannt. Gerd Postel praktizierte jahrelang als Arzt und arbeitete als Gerichtsgutachter ohne je ein Medizinstudium aufgenommen zu haben. Für die PsychiatriekritikerInnen ist er ein geeigneter Namensgeber, zumal viele seiner ehemaligen PatientInnen vor Gericht bezeugten, daß er ihnen nie geschadet hat. Das kann von Karl Bonhoeffer wahrscheinlich nicht behauptet werden.
Medizinhistorische Forschungen belegen, daß er während der Nazizeit als Gutachter und Richter am Erbgesundheitsobergericht an mindestens 55 Sterilisationsverfahren mitgewirkt hat, die in 26 Fällen nachweislich zur Zwangssterilisation führten. Nach Angaben des englischen Historikers Henry Friedländer verhinderte er noch nach seiner Pensionierung 1938 als Gutachter die Ehe einer angeblich an Schizophrenie erkrankten Frau, die schon sechs Jahre zuvor sterilisiert worden war. Schon 1923 sprach sich Bonhoeffer in einer Studie für Zwangssterilisationen aus, wenn "die Gefahr einer Fortpflanzung dieser Individuen tatsächlich besteht."
Quelle
Weitere Randnotiz zum Vater des bekannten Dietrich Bonhoeffer:
Zitat:
Bonhoeffer verfasste das psychiatrische Gutachten über den nach dem Reichstagsbrand (1933) von den nationalsozialistischen Machthabern der Brandstiftung beschuldigten Marinus van der Lubbe, in dem er diesem geistige Zurechnungsfähigkeit bescheinigte.
Quelle
Natürlich kann niemand etwas gegen seine Vorfahren, aber könnte hier auch ein Hintergrund dafür liegen, daß die evangelischen Kirchen mit ihrem Idol Bonhoeffer jun. schwertun Eugenik auch jenseits von Sonntagsreden ernsthaft anzugehen? Wieviel vom Gedankengut des Vaters hat der Sohn übernommen gehabt?
Edit:
Zitat:
Einerseits gibt es die radikale Ablehnung der Abtreibung, wie bei Dietrich Bonhoeffer. Andererseits orientierte sich jedoch die ethische Argumentation zunehmend nicht mehr allein an der abstrakten Begründbarkeit einer Handlung, sondern fragte nach ihren möglichen Wirkungen. Karl Barth wird zwar häufig zitiert, er habe betreffend Abtreibung vom „heimlichen und offenen Massenmord“ gesprochen. Doch schrieb er in seiner Kirchlichen Dogmatik auch: „Von woher sollte die absolute These begründet werden, daß Gott niemals und unter keinen Umständen etwas anderes als die Erhaltung eines keimenden Menschenlebens wollen und von Mutter, Vater, Arzt und den anderen Beteiligten fordern könnte? […] Das menschliche Leben und so auch das des noch ungeborenen Menschen ist kein absoluter Wert. […] Es hat keinen Anspruch darauf, unter allen und jeden Umständen erhalten zu werden. […] Sagen wir es also offen heraus: es gibt Situationen, in denen die Tötung keimenden Lebens nicht Mord, sondern geboten ist.“ Barth geht so weit, dass er eine sozial-medizinische Indikation – „das heißt im Zusammenhang mit der vorliegenden Bedrohung des physischen und geistigen Lebens der Mutter eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen und Umweltverhältnisse“ – nicht grundsätzlich und allgemein als Übertretung des Gebotes Gottes verurteilt. In einem gebundenen und gerade so freien Gewissen müsse ein gewissenhaftes Wägen, aber auch ein entschlossenes Wagen stattfinden.[89]
Nachdem die evangelische Ethik zunächst die medizinische sowie im Verlauf der 1960er Jahre auch die ethische (kriminologische) Indikation mehrheitlich anerkannt und kontextuelle Bezüge zunehmend in die Urteilsbildung einbezogen hatte, wurde in der deutschen evangelischen Kirche eine umfassende Reform des Abtreibungsstrafrechts Anfang der 1970er Jahre kaum mehr hinterfragt.[90] Mehrheitlich setzten sich die evangelischen Stimmen für eine erweiterte Indikationenlösung ein, unter Einbezug sozialmedizinischer Aspekte. Eine Fristenregelung wurde jedoch abgelehnt, das Lebensrecht des Ungeborenen habe Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren.
Quelle
30.12.13, 10:10:50
Alan
Dass die Charite auch noch einen Saal nach dem Postel benannt hatte, setzt dem Vorgang wirklich die Krone auf.
30.12.13, 15:00:58
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Zitat:
Der Raum wurde in Gerd-Postel-Saal umgenannt. Gerd Postel praktizierte jahrelang als Arzt und arbeitete als Gerichtsgutachter ohne je ein Medizinstudium aufgenommen zu haben. Für die PsychiatriekritikerInnen ist er ein geeigneter Namensgeber, zumal viele seiner ehemaligen PatientInnen vor Gericht bezeugten, daß er ihnen nie geschadet hat. Das kann von Karl Bonhoeffer wahrscheinlich nicht behauptet werden.
Demonstranten störten sich an der Benennung eines Saales durch die Charite nach dem Autor dieses Werkes:
"Karl Bonhoeffer: Die psychiatrischen Aufgaben bei der Ausführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Mit einem Anhang: Die Technik der Unfruchtbarmachung. Klinische Vorträge im erbbiologischen Kurs, Berlin, März 1934. Karger, Berlin 1934"
Als Protest benannten die Demonstranten den Saal um und nahmen Büste und Gemälde des Nazi-Eugenikverbrechers mit.
31.12.13, 17:09:25
Alan
Oh, jetzt verstehe ich das erst ;)
Zum Umgang mit Leuten mit einer NS Vergangenheit: Der Fall Hans Filbinger spricht da Bände. Ihm wurde 2004 sogar noch die außerordentliche Ehre zuteil in die Bundesversammlung berufen zu werden, jenes Gremium, das den Bundespräsidenten wählt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Filbinger
http://de.wikipedia.org/wiki/Filbinger-Affäre