Bundestag sagt Veranstaltung für Behinderte ab, weil zu viele Rollstuhlfahrer angemeldet
14.10.11, 12:16:28
feder
Zitat:
Berlin. Peinliche Panne im Bundestag: Ein geplantes Treffen von
Menschen mit Behinderung [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff] wurde abgesagt, 300 Teilnehmer wieder ausgeladen. Die Veranstalter hatten Sicherheitsbedenken - weil sich 100 Rollstuhlfahrer angemeldet hatten.
Es klingt paradox: Der Bundestag muss eine Veranstaltung für behinderte Menschen absagen - ausgerechnet weil zu viele Eingeladene im Rollstuhl sitzen. „Verwaltungstechnische Sicherheits- und Brandschutzgründe“ hätten den Ausschlag gegeben, sagte ein Bundestagssprecher.
Organisatoren hatten weniger Rollstuhlfahrer erwartet
Die Gäste sollten am 2. und 3. Dezember auf Initiative der Fraktionen und des Deutschen Behindertenrats in Workshops behindertenpolitische Themen wie die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention diskutieren. Die Ergebnisse sollten sie abschließend im Plenarsaal vorstellen.
[...]
Im Oktober 2012 soll die Veranstaltung im Bundestag nachgeholt werden.
„Die Zusammensetzung der einzuladenden Personen“ solle dann „den Gegebenheiten der Räumlichkeiten“ entsprechen - ein schmerzliches Eingeständnis, dass auch der Bundestag schnell an die Grenzen der Barrierefreiheit stößt.
Quelle
14.10.11, 17:25:31
PvdL
Wenn die Bundespost ihre Postkästen entfernen läßt, weil zu viele Briefe versandt weren, findet man das vermutlich nicht seltsam. Wenn die Bundesbahn Verbindungen streicht, weil das Fahrgastaufkomme zu hoch sei, runzelt man vielleicht kurz mit der Stirn. Wenn aber der Bundestag Behinderte ein- und dann wieder auslädt, weil zu viele von ihnen in einem Rollstuhl daher kommen, ist das schon beunruhigend. Verfügt der Bundestag nur über zu kleine Räume oder will man das Parkett schonen?
14.10.11, 18:23:52
drvaust
Ich vermute, das liegt an den Fluchtwegen.
Rollstuhlfahrer können keine Fluchtleitern und Treppen benutzen, brauchen meistens Aufzüge (bei Brand möglichst nicht benutzen), können nicht schnell rennen, kommen nicht schnell durch Türen und brauchen mehr Platz.
Das ist ein häufiges Problem, deshalb ist oft die Zahl von Plätzen für Rollstuhlfahrer begrenzt.
Aber das hätte vorher klar sein müssen, viele der Behinderten sind gehbehindert und Rollstuhlfahrer.
14.10.11, 20:04:39
PvdL
Dann soll doch der Bundestageine Turnhalle anmieten. Das ist immer noch weniger peinlich, als eine Absage.
15.10.11, 02:57:42
Fundevogel
Könnte auch daran liegen, dass keine Behindertenparkplätze für 100 Rollstuhl-Teilnehmer vorhanden oder am Bundestag in den Bahn-/U-Bahn-Stationen keine Aufzüge eingebaut sind?
16.10.11, 04:20:10
drvaust
Ich vermute, die Parkplätze und Stationen sind nicht so das Problem.
Turnhallen werden bei 100 Rollstuhlfahrern auch keine ausreichenden Fluchtwege haben, die sind ja kaum für so viele Rollstuhlfahrer ausgelegt. Es ist problematisch, wenn im Notfall 100 Rollstuhlfahrer schnell aus dem Gebäude müssen. Da sind große Veranstaltungsräume besser, weil diese mehr große Türen haben. Wenn diese nicht voll sind, könnten die Fluchtwege ausreichen. Günstig sind meistens ebenerdige Veranstaltungsräume oder mit großen Terrassen, bei denen Fenster bis zum Fußboden gehen und als Notausgänge dienen (Terrassentüren).
Das Problem wird vermutlich auch durch andere Behinderte verstärkt, Blinde können ebenfalls schlecht rennen, bzw. sich orientieren.
Zitat:
... „Die Zusammensetzung der einzuladenden Personen“ solle dann „den Gegebenheiten der Räumlichkeiten“ entsprechen
Die sollten sich besser um eine barrierefreie Lösung kümmern, statt Leute auszuschließen. Es müßten doch geeignete Räume zu finden sein, z.B. in einem Kongreßzentrum. Zumindest in einem Jahr.
30.10.11, 02:26:10
drvaust
geändert von: drvaust - 15.01.12, 00:56:29
Edit: Dieser Link funktioniert nicht mehr, das Video wurde entfernt (zu alt).
Hier noch ein Videoclip dazu:
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/extra_3/videos/extradrei825.html
14.01.12, 21:09:57
Vendela
Mich würde in dem Zusammenhang noch etwas anderes zum Thema barrierefreie, öffentliche Gebäude interessieren. Ich weiß nicht, ob das hier rein passt oder ein eigenes Thema ist.
An Rollstuhlfahrer und Kinderwagenschieber wird bei Barrierefreiheit (außer anscheinend im Bundestag) relativ oft gedacht. Für Blinde gibt es mittlerweile auch öfter Orientierungshilfen in öffentlichen Gebäuden als früher. Gibt es ein nicht-barrierefreies Gebäude für Autisten? Oder umgekehrt: Gibt es etwas, worauf bei Bau / Einrichtung zu achten wäre?
Mich würde einfach allgemein interessieren, was euch an öffentlichen Gebäuden besonders wichtig ist oder ob es etwas gibt, was es euch erschwert, euch dort aufzuhalten und ans Ziel zu gelangen. Für mich selbst kann ich diese Frage beantworten, aber ich weiß nicht, ob das nur bei mir so ist, oder wie es anderen geht und es generell ist.
15.01.12, 00:18:03
55555
Es gibt verschiedene Faktoren, die bei den einzelnen Autisten unterschiedlich relevant sind.
Mir fällt vor allem erstmal dies ein:
- Es sollte durch die Bauart keinerlei Reizüberflutung hervorgerufen werden.
- Es sollte möglich sein das Gebäude relativ unbeobachtet zu gebrauchen (kollidiert teilweise mit anderen Interessen).
16.01.12, 14:47:39
Vendela
(kollidiert teilweise mit anderen Interessen).
Welche meinst du?
16.01.12, 16:22:18
55555
Gebäude werden z.B. bewußt weit übersehbar gebaut, damit weniger geklaut und zerstört wird, weil sich Leute eben beobachteter fühlen.
16.01.12, 20:25:31
PvdL
Als der Neubau der Deutschem Botschaft in Washington D.C. eingeweiht werden sollte, hat man plötzlich festgestellt, daß keine Toiletten im Gebäude vorhanden waren. Man hatte diese offenbar nicht eingeplant. Den Bauarbeitern war dieses nicht aufgefallen, weil die alle aufs "ToiToi" (=mobile Klohäuschen) gegangen waren. Ich will damit nur sagen, daß auch nicht alles, was gebaut wird, allein deswegen sinnvoll oder zweckmäßig sein muß.