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schulbegleiter ja oder nein?

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20.01.10, 13:37:29

haggard

geändert von: haggard - 20.01.10, 13:38:23

frage an autisten:
welche vorteile seht ihr in einem schulbegleiter und welche nachteile?

wenn ihr euch ein mögliches vorhandensein eines schulbegleiters zu eurer schulzeit vorstellen könnt, hätte euch dies geholfen oder behindert?

es wäre gut, wenn ihr zusätzlich beispielhafte situationen beschreiben würdet, für ein besseres verstehen von bedenken oder befürwortung.
20.01.10, 23:02:56

Primel

Vorteile der Schulbegleiter:

- Hilfe sich zurechtzufinden
Bsp.: ich fand sehr schlecht Klassenzimmer, Turnhalle, Kunstraum, Computerraum..., ich schaffte es nicht jemanden zu fragen, in Folge dessen kam ich oft 10 - 40 Minuten zu spät weil ich das Schulhaus stockwerkweise durchsucht habe. Ärger vom Lehrer (wegen Verspätung) folgte wenn ich den Raum gefunden hatte. Außerdem verpasste ich den Unterricht.

- Hilfe in den Pausen zur Vermeidung von Alleinstehen/ Alleinsitzen
Bsp.: In den Pausen stand ich immer alleine im Pausenhof. Es war mir nicht negativ. Allerdings war es den Lehrern negativ welche mich wiederholt aufforderten mich zu anderen Schülern zu gesellen (vermutlich zwecks Kommunikation). Nach vergeblichen Versuchen versteckte ich mich in den Pausen auf der Toilette. Dort schmeckte das Pausenbrot nicht weil es eklig roch. Wenn ein Schulbegleiter neben einem autistischen Schüler stehen würde müsste der sich nicht mehr zwingend zu den anderen Schülern gesellen weil der autistische Schüler somit nicht mehr alleine stehen würde.

- Hilfe bei der Kommunikation in den Pausen oder im Unterricht
Bsp.: Besonders in der späteren Schulzeit wünschte ich mir manchmal Kontakt zu Mitschülern. Dies fiel mir schwer (obwohl es mir zeitweise gut gelang). Zu den meisten Gesprächsthemen der Mitschüler (z.B. Daily Soaps oder Liebe) fiel mir nichts zu sagen ein und genauso wenig fiel denen zu meinen Gesprächsthemen ein.
Bsp.: Im Unterricht hatte ich besondere Schwierigkeiten im Fach Deutsch wegen missverständlicher Ausdrucksweise der Lehrer und Mitschüler. Ein Schulbegleiter hätte die teilweise doppeldeutigen Aussagen erklären können.

- Vermeidung von Mobbing
Bsp.: Es wäre von Vorteil wenn der Schulbegleiter auch im Bus mitfahren würde

- Unterstützung bei der Aufklärung von Missverständnissen
Erklärung: Missverständnisse welche entstehen können wenn Mitschüler Aussagen anders auffassen als sie gemacht wurden z.B. in dem sie sich etwas dazu denken was nicht gesagt wurde.

- Organisieren von Rückzugsmöglichkeiten.
Erklärung: Der Schulbegleiter kann dem Schüler Pausen vom Stress verschaffen in dem er Pausen für den Schüler z.B. während des Unterrichts beim Lehrer einfordern kann.

- möglicherweise Hilfe bei Gruppenarbeiten
Bsp.: Gruppenarbeiten waren schwierig. (2-6 Schüler sollen zusammen eine Aufgabe machen). Besonders das durcheinanderreden war kompliziert. Ich konnte nichts mehr verstehen und nichts mehr sagen. Anschließend wurde mir Mitarbeitsverweigerung vorgeworfen. Ein Schulbegleiter könnte die Gruppenarbeit so ordnen, dass jeder Schüler nacheinander spricht und dass Sätze zu Ende gesprochen werden können. (Am besten wäre es wenn er dafür sorgen könnte, dass keine Gruppenarbeit stattfindet)

Nachteile der Schulbegleiter:

- der begleitete Schüler kann nicht alleine sein. Da der Schulbegleiter ständig in der Nähe ist.

- möglicherweise wird ein Schulbegleiter von Mitschülern als Bevorzugung angesehen. Eifersucht.

- der Einfluss des Schulbegleiters auf den Schüler kann schlecht sein wenn der Schulbegleiter ständig Verhaltensänderungen des Schülers einfordert und ihn umerziehen will damit er angepasster erscheint.


Ich denke, dass das Vorhandensein eines Schulbegleiters mir geholfen hätte.

Es war schwierig die Fragen zu beantworten ohne die genauen Aufgaben eines Schulbegleiters zu kennen. Ich fand darüber auch sehr wenig. Meistens steht da:
"Die Aufgaben des Schulbegleiters richten sich nach dem individuellen Förderbedarf".







20.01.10, 23:41:02

drvaust

Kann jemand aus eigener Erfahrung berichten?

Ich kann mir schlecht vorstellen, daß mir ein ständiger Schulbegleiter geholfen hätte.
Ich war lieber allein.
Eher ein fachkundiger Helfer, als Berater für Lehrer und mich, den ich bei Bedarf angesprochen hätte (Hätte ich vielleicht nie gemacht.).

21.01.10, 09:00:07

Mama

So wie Primel es darstellte, wäre auch meine Vorstellung von Schulbegleitern. Aber in der Realität sieht es wohl nicht so aus. Schulbegleiter sind unausgebildete Zivildienstleistende, teilweise 1-Euro-Jobber. In unserer Stadt stehen diese auch nur für die großen Pausen zur Verfügung. Wie ein Schutzmann. Ich denke dadurch wird Mobbing geradezu provoziert.
Habe auch schon an diese Möglichkeit für meinen Sohn gedacht, halte davon aber nun nichts mehr.
Ich befürchte es läuft wieder auf "Dressur" aus. Auch die Vorstellung, das ein 20-jähriger Zivi meinem Sohn Situationen erklären soll finde ich erschreckend.
Desweiteren ist es wohl so, das man diesen auf Anfrage zugewiesen bekommt. Sympathie spielt hierbei anscheinend keine Rolle, meinem Sohn und mir sind aber manche Personen unheimlich, aufgrund ihres Aussehens. Begründen können wie dies beide nicht.
22.01.10, 17:50:10

Hans

Da ich sowieso schon einen "Sonderstatus" hatte,
stelle ich mir den Schulbegleiter eher positiv vor.
Es hätte aber schon viel gebracht, wenn mein Vater ein paar mal mit im Schulbus mitgefahren wäre.
Damit die Anderen sehen, der hat einen Vater, mit dem können wir nicht einfach alles machen.
Oder er hätte dem Lehrer gesagt, daß er mich nicht vor den anderen Schülern diskriminieren darf,
weil er damit das Mobbing erst auslöst.
23.01.10, 15:08:31

55555

Ich halte Schulbegleitung für eine Methode sich um konsequente Barrierefreiheit wie etwa in der Onlineschule zum Schaden autistischer Schüler herumzudrücken. In der Theorie mag sich manch einer es vielleicht toll vorstellen sowas gehabt zu haben, aber in der Praxis würde das vermutlich ganz anders wirken, denke ich.
 
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