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Seid ihr mitfühlend?

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22.11.08, 10:56:19

stringbound

geändert von: stringbound - 22.11.08, 10:57:47

Zitat von arlette:
ich habe gelernt, gewisse phrasen zu sagen, damit mir attestiert wird, dass ich mitfühlend sei. das mag komisch klingen, aber die diskussionen über mitgefühl machen mich manchmal auch wütend, weil ich auf die idee komme, dass die na's auch nur phrasen brauchen, weil ihnen nämlich oft die erklärungen dazu ausgehen. ... alle sind dann zufrieden bzw es gibt keine konflikte..


Sie sind mit NA kontaminiert, Arlette.

Verlassen Sie bitte den Autistenbreich.

Nutzen Sie ihr erworbenes Wissen dort, wo es hingehört.

Übertragen Sie es auf alle Bereiche, in denen Sie mit anderen NAs in Kontakt kommen.

Ich wünsche Ihnen viel Glück und alles Gute für Ihre Zukunft.

;)

22.11.08, 13:53:49

arlette

Zitat von stringbound:
Verlassen Sie bitte den Autistenbreich.

keine ahnung, ob das ein angriff auf mich oder ein witz ist. bitte um erklärung. bei angriff geh ich nur, wenn viele user der gleichen meinung sind.
22.11.08, 15:13:07

Friederike

Es fällt mir zwar schwer Witze zu erkennen,aber ich habe es als Witz angesehen.
22.11.08, 18:11:27

Miezekatze

Zitat von arlette:
ich habe gelernt, gewisse phrasen zu sagen, damit mir attestiert wird, dass ich mitfühlend sei.


das erinnert mich daran, wie ich einmal als volksschulkind mit meiner mutter gemeinsam beim praktischen arzt drinnen war, weil sie irgendwas hatte, was ich vergessen habe. der arzt sagt mit viel mitgefühl in der stimme "sie arme!" zu meiner mutter, und das hat mich sehr beeindruckt.

so wenig worte und so deutlich mitgefühl ausgedrückt, dass ich die nächsten jahre auch immer "du arme/du armer" als standardantwort für bemitleidenswerte mitmenschen parat hatte. :)
22.11.08, 21:24:42

Hans

geändert von: Hans - 22.11.08, 21:26:54

@arlette:
Bleib! der stringbound hat nur sehr dick aufgetragen,
um seine Sichtweise drastisch dar zu stellen.
Ich fand es witzig, aber harmlos.
Kein Grund sich angegriffen zu fühlen.
Er neigt halt zu "Weiß-Schwarz-Malerei",
da werden wir uns jetzt wieder mal
an eine etwas andere Spielart des Autismus gewöhnen müssen.
Er hat auch einen zwinkernden Smilie angehängt.

@Alle:
Hurra! ein Neuer, mit einer anderen Perspektive
und anderen Agumenten.
Wie erfrischend, nicht war?


23.11.08, 09:55:47

stringbound

geändert von: stringbound - 23.11.08, 11:52:32

Hallo arlette, ich habe mir etwas Zeit nehmen müssen, um dir mitteilen zu können, was ich mit meinem Beitrag und mit "Bitte verlassen Sie den Autistenbereich" meine. Ich tue das öffentlich, weil es vielleicht auch für andere interessant sein könnte.

Die Erkenntnis die du hast habe ich als Kind von meiner Großmutter vermittelt bekommen. Es hat lange gedauert, bis ich diese Erkenntnis nutzen konnte. Die meisten Autisten sind dazu nicht in der Lage. Einer der wenigen, der das zu können scheint ist 55555. Warum er das kann weiß ich nicht. Ich kann dir nur beschreiben, was ich glernt habe.

Nichtautisten benutzen Lügen, Phrasen, halten Small Talk, bedienen sich Gestik sowie Mimik. Ich beschreibe das für mich folgendermaßen:

Für mich sind Gestik, Mimik, Phrasen und Small Talk wie Schlüssel. Sie öffnen Türen. Ich behandle sie entsprechend.

Wen ich einen Raum betreten will, der verschlossen ist, dann schaue ich nach, ob ich einen Schlüssel habe der passt. Habe ich keinen passenden Schlüsssel, frage ich jemand ob er mir aufschließen kann. Irgendwann bleibt einer der Menschen, die ich frage, stehen und schließt mir auf. Wenn er mich öfter sieht, gibt er mir den Schlüssel zu der Tür. Das tut er aus Bequemlichkeit, da er irgendwann keine Lust mehr hat mir ständig die Tür zu öffnen. Jetzt habe ich einen eigenen Schlüssel und kann die Tür selber öffnen, um den Raum hinter der Tür zu betreten.

Gestik, Mimik usw. öffnen mir die Türen zu den Gefühlen anderer Menschen. Ich benutze diese Türen, wie jede andere Tür auch. Ich benutze einen Schlüssel (Gestik, Mimik, usw.) um sie zu öffnen.

Wenn du deine Haustür aufschliesst, fragst du nicht was in dem Schloß passiert, in das du den Hausschlüssel steckst. Du schiebst ihn ins Schloß, drehst ihn um, und betrittst das Haus in dem Du wohnst. Als Nächstes gehst du zu deiner zu deiner Wohnungstür und benutzt den Wohnungstürschlüssel, ohne darüber nachzudenken. Du betrittst die Wohnung, gehst ins Bad und schließt hinter dir ab und so weiter. Das alles tust du ohne darüber nachzudenken.

Du bleibst nicht vor der Haustür stehen und fragst dich, was in dem Schloß passiert, in das du den Schlüssel steckst. Du denkst nicht darüber nach, wie der Schlüssel und das Schloß in der Tür zusammenpassen. Du benutzt sie einfach, weil du weißt, dass du dann einen Raum betreten kannst, der hinter der Tür liegt. Schlüssel und Schloß nimmst du nicht bewusst wahr. Nur die Tür und den Raum dahinter.

NAs betrachten die Welt auf diese Art und Weise. Da wo wir uns auf Schlüssel und Schloß konzentrieren und darüber die Tür und den Raum vergessen, benutzen sie Schlüssel und Schloß, weil es für sie wichtiger ist, den Raum hinter der Tür zu betreten, als zu wissen, wie der Türschlüssel und das Türschloß zusammen funtionieren.

Wenn ich Gestik, Mimik usw. einfach nutze, anstatt sie nur zu hinterfragen, öffnen sich mir die Türen zu den Gedanken und Gefühlen anderer Menschen. Erst durch diese Erfahrung weiß ich, wozu Gestik, Mimik usw. da sind.

Das Dumme ist, dass an meinem Schlüsselbund unglaublich viele verschiedene Schlüssel (und ein paar Dietriche) sind. Je mehr Schlüssel ich habe, umso öfter stehe ich vor einer Tür und suche nach dem richtigen Schlüssel. Wenn ich zulange Suche, geht es mir wie einem Einbrecher und ich werde entsprechend behandelt, da mich die Menschen entsprechend wahrnehmen.

Der Unterschied zwischen einem NA und mir ist, dass er die richtigen Schlüssel zu allen Türen kennt. Ich muß nach den Schlüsseln suchen. Aber: je öfter ich die Schlüssel benutze, umso schneller finde ich den passenden Schlüssel zu den Gefühlen und Gedanken anderer.

Es ist wie mit allem Anderen. Solange man etwas nicht benutzt, weiß man auch nicht wozu es gut ist. Wenn du Gestik, Mimik, Phrasen, Lügen und so weiter benutzt, um etwas zu erreichen (so wie einen Schlüssel) und dich nicht immer fragst, warum du das tust, wirst du in der Welt der NAs gut zurecht kommen. Du wirst darüber verstehen, wozu man sie braucht.

Problematisch wird es erst, wenn du sie zu nah an dich heranlässt. Dann bemerken sie, dass dir einige Schlüssel fehlen oder das du einen „Dietrich“ benutzt. In Alltagssituationen dagegen, werden sie dich nicht als „Anders“ wahrnehmen. Deswegen halte ich zu den meisten NAs einen gewissen Abstand. Ich werde als etwas „schräg“ wahrgenommen, aber das wird als Individualität interpretiert, da Menschen in der Regel Gemeisamkeiten mit anderen Menschen suchen.

Eine andere Sache ist Folgende: auch NAs verwechseln die "Schlüssel". Sie stört das aber nicht. Sie nehmen einfach den nächsen. Passt der nicht, dann sagen sie einfach "Entschuldigung, ich habe mich in der Tür geirrt", gehen zum nächsten NA und probieren erneut ihre Schlüssel aus.
Wenn unsere Schlüssel nicht passen, stehen wir da und fangen an zu diskutieren, warum der Schlüssel nicht passt. Ein NA verhält sich nur in Extremsituationen so.

In diesem Forum habe ich gelernt, dass meine „Schlüssel“ bei nur bei NAs funktionieren. As sind weniger berechenbar.
Ich hoffe, dass ich mich einigermaßen verständlich ausgedrückt habe. Falls nicht, frag nach.

Gruß, Joe

PS: ich weiß nicht, warum mir meine Grossmutter die Welt auf diese Art erklärt hat, zu dem Zeitpunkt war der Begriff „Autismus“ noch nicht bekannt. Sie hat mir immer gesagt, dass ich „anders“ bin, konnte mir aber nie wirklich erklären warum. Sie hat es immer auf meine Herkunft geschoben.

Meine Großmutter, bei der ich die ersten sechs Jahre meines Lebens verbracht habe, wurde von anderen Menschen immer als hart, kalt, besserwisserisch und sehr intelligent beschrieben. Mir wird immer gesagt, dass ich ihr sehr ähnlich bin. Soweit ich es weiß, bin ich, abgesehen von meinem Großvater, der einzige Mensch, den sie wirklich an sich herangelassen hat.

23.11.08, 10:24:35

Hans

Das hast Du sehr gut und sehr übersichtlich beschrieben,
das gefällt mir.
Ich freue mich schon auf weitere Texte von Dir.
So eine Oma hatte ich auch,
die ist aber viel zu früh gestorben,
so toll philosophiert haben wir leider nicht.
Bei mir hat die Mutter die Schauspielerei früh geförert.
23.11.08, 12:41:19

55555

Schöne Parabel, den "ich gehe jetzt"-Schlüssel solltest du nicht zu häufig benutzen, er wird leicht unbrauchbar.
23.11.08, 13:28:55

Löwenmama

Toller Text und auch für mich verständlich...ich hab oftmals Probleme, Zusammenhänge zu verstehn,aber bei stringbounds Art zu schreiben,kann ich immer mitdenken.
23.11.08, 14:34:38

stringbound

Zitat von 55555:
Schöne Parabel, den "ich gehe jetzt"-Schlüssel solltest du nicht zu häufig benutzen, er wird leicht unbrauchbar.


Den Schlüssel benutze ich immer nur einmal. Danach ist er unbrauchbar.

24.11.08, 13:02:33

drvaust

Stringbound, das hast Du gut beschrieben. Aber ich verstehe das nicht richtig oder kann das nicht richtig nachvollziehen.

Gestik, Mimik usw. von Menschen zeigen mir Gefühlen von Menschen. Wenn ich Gestik, Mimik usw. benutze, falle ich weniger auf und kann mit den Menschen besser kommunizieren. Wobei ich Gestik, Mimik usw. nicht gut beherrsche, ich verstehe diese nicht immer und meine werden manchmal als eigenartig bis falsch gesehen (Grimassenschneiden reicht oft nicht).
Aber mit wahrem Mitgefühl hat das Nichts zu tun. Das sind nur Phrasen, die benutzt werden, um einen guten Eindruck zu machen und nicht aufzufallen.

Ich habe Schwierigkeiten, die Gefühle von Menschen zu verstehen. Was nützt der 'Schlüssel', wenn hinter der 'Tür' eine fremde, schwerverständliche und gefährliche Welt liegt, in der ich mich kaum bewegen kann. Wenn ich eine fremde 'Türe' öffne, muß ich immer damit rechnen, daß hinter der 'Türe' ein 'Monster' lauert (z.B. ein Mensch, der mir freudig um den Hals fällt).
Mir wurde, als Kind, beigebracht, ich soll Menschen so behandeln wie ich behandelt werden will. Ich musste aber schnell lernen, daß ich Menschen teilweise so behandeln muß, wie ich nicht behandelt werden will. Menschen sind anders als ich.
Ich habe viel gelernt, auch Gestik, Mimik usw., beherrsche das aber oft nicht richtig.

Ich habe Mitgefühl, wenn ich das Gefühl verstehe und nachvollziehen kann, und das Gefühl für mich wichtig ist. Aber einige Gefühle sind für mich unverständlich.
24.11.08, 16:32:54

55555

geändert von: 55555 - 24.11.08, 16:36:47

Es gibt ja auch Leute die an einem Gummiseil festgebunden von hohen Brücken oder Kränen springen. Das ist wohl auch eine Sache des jeweiligen Charakters einer Person. Die Menschen sind unterschiedlich, auch die Interessen.
 
 
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