30.10.11, 01:56:14
PvdL
Den Stein ins Wasser werft hinein
Und geht er auch zu Grunde
Das Wasser schließt sich über ihm
Und heilet seine Wunde
Die Kerze brennet an zur Nacht
Und brinnet sie auch nieder
So harret aus in ihrem Schein
Und singet fromme Lieder
Die Erde ist ein gnädig' Bett
Und wer dar innen rastet
Der wünscht, daß er kein anders hätt'
Auch wenn sie auf ihm lastet
Die Luft - sie ist zum Atmen frei
Und Träger der Gedanken
Wünscht Mut Euch nur und Kraft herbei
Bezwingt all Eure Schranken
04.11.11, 23:50:29
Ozelot
Wenn ich abends einsam gehe
Und die Blätter fallen sehe,
Finsternisse niederwallen,
Ferne, fromme Glocken hallen:
Ach, wie viele sanfte Bilder,
Immer inniger und milder,
Schatten längst vergangner Zeiten,
Seh ich dann vorübergleiten.
Was ich in den fernsten Stunden,
Oft nur halb bewusst, empfunden,
Dämmert auf in Seel' und Sinnen,
Mich noch einmal zu umspinnen.
Und im inneren Zerfließen
Mein ich's wieder zu genießen,
Was mich vormals glücklich machte,
Oder mir Vergessen brachte.
Doch, dann frag ich mich mit Beben:
Ist so ganz verarmt dein Leben?
Was du jetzt ersehnst mit Schmerzen,
Sprich, was war es einst dem Herzen?
Völlig dunkel ist's geworden,
Schärfer bläst der Wind aus Norden,
Und dies Blatt, dies kalt benetzte,
Ist vielleicht vom Baum das letzte.
05.11.11, 11:56:32
PvdL
Spaziergang am Herbstabend
Wenn ich abends einsam gehe
Und die Blätter fallen sehe,
Finsternisse niederwallen,
Ferne, fromme Glocken hallen:
Ach, wie viele sanfte Bilder,
Immer inniger und milder,
Schatten längst vergangner Zeiten,
Seh ich dann vorübergleiten.
Was ich in den fernsten Stunden,
Oft nur halb bewußt, empfunden,
Dämmert auf in Seel' und Sinnen,
Mich noch einmal zu umspinnen.
Und im inneren Zerfließen
Mein ich's wieder zu genießen,
Was mich vormals glücklich machte,
Oder mir Vergessen brachte.
Doch, dann frag ich mich mit Beben:
Ist so ganz verarmt dein Leben?
Was du jetzt ersehnst mit Schmerzen,
Sprich, was war es einst dem Herzen?
Völlig dunkel ist's geworden,
Schärfer bläst der Wind aus Norden,
Und dies Blatt, dies kalt benetzte,
Ist vielleicht vom Baum das letzte.
Friedrich Hebbel (1813 – 1863)